Radsport: Ein Tour-Auftritt als Affront

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Dopingsünder Lance Armstrong nimmt in Frankreich an einem Wohltätigkeitsrennen teil, für viele ist es eine offene Provokation. Der Texaner sieht sich hingegen nach wie vor als Bauernopfer einer verseuchten Generation.

Utrecht. Lance Armstrong gibt ein Comeback bei der Tour de France. Der US-Amerikaner fährt bei der am Samstag beginnenden 102. Auflage jedoch nicht um das Gelbe Trikot, sondern startet bei einem Wohltätigkeitsrennen. Der 43-Jährige wird gemeinsam mit Amateuren im Vorfeld der 13. und 14. Etappe die Teilstücke abfahren, das gesammelte Geld fließt in den Kampf gegen Leukämie. Auch wenn es um den guten Zweck geht, der Auftritt des geständigen Dopingsünders sorgt für viel Kritik.

„Respektlos“ bezeichnete Brian Cookson, Präsident des Radsport-Weltverbands (UCI), das Unterfangen. „Lance wäre gut beraten, nicht daran teilzunehmen. Ich weiß, es ist gut gemeint, aber ehrlich gesagt finde ich das völlig unangemessen.“ Scharfe Worte fand auch Sky-Teamchef David Brailsford: „Armstrong hat dem Radsport und der Tour bereits genug Schaden zugefügt. Zum Wohle aller sauberen Fahrer, die bereits durch diese Ära leiden, lasst sie in Ruhe. Genug ist genug.“ Im Fahrerlager blickte man dem Auftritt zwiespältig entgegen. „Wenn Bedürftigen geholfen wird, sollte man das unterstützten“, meinte der dreimalige deutsche Zeitfahrweltmeister Tony Martin, hielt aber fest: „Für den Radsport ist das alles andere als hilfreich.“

Geoff Thomas, der die Charity-Aktion 2005 ins Leben gerufen und nun Armstrong ins Boot geholt hat, versuchte zu beruhigen. „Es geht darum, Aufmerksamkeit zu schaffen und so viel Geld wie möglich zu sammeln. Viele fühlen sich betroffen, aber aus meiner Sicht ist das positiv zu sehen“, sagte der Ex-Fußballer, der nach seiner Profi-Karriere selbst an Leukämie erkrankte. „Ich weiß, dass die Sache einen negativen Beigeschmack hat. Aber der Grund, wieso ich damals aufs Rad gestiegen bin, war die Geschichte von Lance“, erklärte der 50-Jährige. „Er hat seinen Namen beschmutzt und wird für das, was er getan hat, bezahlen. Aber ich kann diesen Teil meines Lebens, als ich die Diagnose bekam und gekämpft habe, nicht vergessen.“

Für viele steht Armstrongs Name stellvertretend für die wohl dunkelste Zeit des Radsports. Spätestens im Jänner 2013 wurde aus dem Superstar und Idol, das den Hodenkrebs bezwungen hatte, ein Geächteter der Szene. Damals gestand der Texaner unter gewaltigem Druck der US-Antidopingbehörde die jahrelange Einnahme unerlaubter Mittel. Die UCI entzog ihm daraufhin alle Titel, darunter die sieben Tour-Siege, und sperrte ihn auf Lebenszeit. Einstige Teamkollegen und Wegbegleiter werfen Armstrong sogar vor, ein regelrechtes Dopingsystem aufgezogen zu haben, dem sich auch andere zu unterwerfen hatten. Im Hinblick auf den drohenden Millionenprozess um die Rückzahlung von Sponsorengeldern schwieg Armstrong eisern, nannte bislang weder Namen von Komplizen, Mittätern noch involvierten Ärzten.

Nach wie vor sieht sich Armstrong vielmehr als Bauernopfer einer verseuchten Fahrergeneration. „Wie heißt die Figur in ,Harry Potter‘, über die niemand sprechen kann? Voldemort? So ist es mit mir in allen Bereichen“, sagte der 43-Jährige. In Frankreich rechnet er trotz allem mit positiven Reaktionen der Fans. „Die Leute denken, ich hätte dieses schlechte Verhältnis zu dem Land und seinen Einwohnern. Aber ich bin gern dort, ich liebe Frankreich.“ (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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