Leichtathletik: Der Höhenflug einer Teenagerin

AZERBAIJAN BAKU 2015 EUROPEAN GAMES
AZERBAIJAN BAKU 2015 EUROPEAN GAMES(c) APA/EPA/ROBERT GHEMENT (ROBERT GHEMENT)
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Die erst 15-jährige Kärntnerin Sarah Lagger ist Österreichs größte Hoffnung, Weltrekordhalterin und seit diesem Wochenende auch historische U18-Vizeweltmeisterin im Siebenkampf.

Cali/Wien. Blitzlichtgewitter, Fragen drängender Reporter, das strahlende Lächeln einer Athletin und ein von diesem Rummel höchst erfreuter Trainer – so könnte man kurz das Geschehen bei der U18-Weltmeisterschaft der Leichtathletik in Cali, Kolumbien, beschreiben. Doch es steckt viel hinter dieser Kulisse. Es ist nur eine weitere Bestätigung dafür, dass die Kärntnerin Sarah Lagger als größte Hoffnung in Österreichs Leichtathletik gilt. Sie gewann mit Silber im Siebenkampf die erste ÖLV-Medaille in dieser Sparte überhaupt.

Für manchen Beobachter schien es sogar anfangs eine kleine Enttäuschung. Denn Lagger ist seit zwei Monaten Weltrekordhalterin (6014Punkte), bei den Europa-Spielen in Baku feierte sie Silber mit der Mannschaft – und nun schaffte sie in Cali 5994 Zähler. Gold ging an die Schweizerin Geraldine Ruckstuhl mit 6037 Punkten. „Es ist für unsere Leichtathletik fantastisch, dass wir erstmals eine Medaille geholt haben“, sagt ihr Trainer, die Zehnkampf-Legende Georg Werthner. „Wie sich Sarah durchgesetzt hat, obwohl gleich die erste Disziplin so schlecht gelaufen ist, ist großartig. Sie ist sehr stark, wir können wirklich stolz sein.“

Der Antrieb einer Teenagerin

Welchen Stellenwert aber hat Edelmetall auf dieser Ebene? Werthner zeigt den Vergleich auf. Jeder kenne Usain Bolt und Jelena Isinbajewa, diese Namen seien geläufig. Beide sind heute Weltstars, für beide begann die Karriere in Wahrheit mit U18-Gold.

In Cali stehen 1323 Leichtathleten aus 151 Ländern am Start, im Siebenkampf waren es 38 Athletinnen. Werther sieht bei seinem Schützling, den er seit sieben Jahren betreut, kaum Schwächen. 14,36 Sekunden für 100 Meter Hürden, 1,76 Meter im Hochsprung, 13,55 Meter mit der Kugel, 24,53 Sekunden über 200 Meter, 6,21 Meter im Weitsprung, 39,30 Meter mit dem Speer und 2:15,48 Minuten für 800Meter – sie könne schneller laufen und weiter werfen; Werthner geriet dennoch ins Schwärmen. Ein Stolperer im Hürdenlauf hätte beinahe alles zum Auftakt verdorben. Lagger zeigte aber Mut, Kraft und Einsatz – was bestätige, dass der Trainer sich in der Rothenturnerin nicht getäuscht habe.

2008 hatte er ein kleines, blondes Mädchen entdeckt, dass bei Sprinttests in Kärntner Volksschulen überraschte. Er lud sie sofort zu Trainings am Millstätter See und zu Kinderbewerben ein, ihre Eltern waren begeistert – das „hyperaktive“ Kind hatte eine Beschäftigung gefunden. Jetzt ist sie das Aushängeschild der Zehnkampf-Union, geht ins Sport-Borg in Spittal an der Drau, und Werthner glaubt auch nicht, dass der glühende Fan der Britin Jennifer Ennis dem Sport verloren gehe, obwohl das Erwachsenwerden beginne, sich Interessen ändern, das Umfeld mit Freuden ebenso. „Sarah hat kaum Schwächen, sie ist schon so lang dabei – jetzt kommt der Faktor Erfolg dazu, der ihr zusätzlichen Antrieb gibt.“

Der Startschuss für eine große Karriere ist gelegt, die kommenden zwei Jahre werden wohl entscheidend sein. Stimmen Schulleistungen, eigener Wille und Verbesserung bei Wurfgeräten, Sprungkraft und Antritt überein, sei „alles möglich“, sagt Werthner.

Für Österreich ist es nach U23-EM-Bronze durch Ivona Dadic, ebenfalls Siebenkämpferin, ein weiterer Beweis dafür, dass es doch Talente gibt. In einer Aussendung hält ÖLV-Präsident Ralph Vallon fest: „Wir müssen uns bewusst sein, dass der Weg der Jugend zu Erfolgen in der Allgemeinen Klasse sehr weit ist. Der Mehrkampf kann aber unsere Paradedisziplin werden. Hier haben wir nicht nur Tradition und Athleten mit Potenzial, sondern mit Götzis auch das beste Mehrkampfmeeting weltweit.“

Zweites Olympia-Limit

Das i-Tüpfelchen an diesem Wochenende setzte Jennifer Wenth. Die Niederösterreicherin, 23, erbrachte bei der KBC-Nacht in Heusden-Zolder mit 15:16,12-Minuten über 5000 Meter sowohl das Limit für die WM in Peking (22.August) als auch für Olympia 2016 in Rio. Damit sind zwei ÖLV-Athleten, auch Diskuswerfer Gerhard Mayer ist dabei, fix in Brasilien am Start.

ZUR PERSON

Sarah Lagger gewann bei der U18-WM in Cali, Kolumbien, Silber im Siebenkampf. Die Kärntnerin ist erst 15 Jahre alt, es ist Österreichs erste Medaille in dieser Altersklasse überhaupt. Im Mai stellte sie mit 6014 Punkten Weltrekord auf. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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