Doping: Blut ist ein ganz besonderer Saft

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Das Kontrolllabor Seibersdorf und der Athleten-Blutpass sind Beispiele für Sorgfalt und Geduld im Kampf gegen Sportbetrug. Die Leichtathletik-WM begleitet aber ein dunkler Schatten.

Wien. Usain Bolt steht unsichtbar im Konferenzzimmer des Forschungszentrums Seibersdorf. Als der saubere Held, der vor der Heerschar der Dopingbetrüger geschützt werden muss. Die Leichtathletik-WM läuft gerade in Peking und Sportminister Gerald Klug besucht das Dopingkontroll-Labor. Das Team um Laborleiter Günter Gmeiner entwickelt dort permanent neue Methoden, um Betrügern das Handwerk zu legen. Das Sportministerium bezahlt dafür rund 350.000 Euro pro Jahr und bekommt beispielsweise die in Seibersdorf geschriebene Software GASepo. Sie hat die Entdeckung des synthetischen Hormons EPO ermöglicht und wird nun in allen 35 von der Welt-Antidopingagentur Wada akkreditierten Labors angewendet. Der Minister ist begeistert, Klug sagt: „Was den Kampf gegen Doping anbelangt, hat Österreich international Vorbildwirkung. Und das soll auch so bleiben.“

Die 2015 in Kraft getretene Novelle des Antidoping-Bundesgesetzes trägt dazu bei, sie schreibt „intelligentes Testen mit einer Risikoabschätzung vor“, sagt Michael Cepic, Chef der Nationalen Antidopingagentur Nada. Sie erhält stolze 2,2 Millionen Euro vom Steuerzahler und setzt sie „nach einer Risikoabschätzung ein“. In der Praxis bedeutet das: Schachspieler werden weitaus seltener getestet als Skilangläufer oder Radrennfahrer.

Die neue Wunderwaffe ist der Blutpass, hierzulande wurde damit jedoch noch kein Betrüger überführt. Der Pass enthält über einen längeren Zeitraum genommene Blutwerte eines Athleten. Falls darin dramatische Veränderungen auftreten, deuten sie auf Einnahme verbotener Mittel hin. Gmeiner: „Es ist nun nicht mehr unbedingt notwendig, verbotene Substanzen direkt in den Dopingproben nachzuweisen.“ Treten die mit Dopingsubstanzen erwünschten Effekte, beispielsweise eine sprunghafte Erhöhung der Sauerstoffaufnahmefähigkeit im Blut, auf, so gilt das als ausreichendes Indiz für Fehlverhalten.

In einer ARD-Dokumentation hat Reporter Hajo Seppelt rund 12.000 Bluttests von 5000 Spitzensportlern vor der WM mit bedenklichen Werten analysieren lassen. Ein Whistleblower hat der ARD diese vertraulichen Unterlagen zugespielt. Die Dopingexperten Robin Parisotto und Michael Ashenden werteten die Unterlagen für den TV-Sender aus. Seppelt wertete die Ergebnisse als Hinweis auf Schlamperei des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF).

Keine IAAF-Nachlässigkeit

Doch so einfach scheint die Sache nicht zu sein. Erstens gibt es erst seit 2009 ein Bluttestverfahren, das einen Vergleich der Testergebnisse erlaubt. Zweitens weist die Archivierung der Tests durch die IAAF eher auf Sorgfalt denn auf Nachlässigkeit hin, da die Proben für bessere, teils noch zu entwickelnde Verfahren zur Verfügung stehen. Drittens sind bisher rund 100 Athleten dank des Blutpasses als Dopingkonsumenten enttarnt wurden. 64 dieser Fälle waren, dank der Bemühungen der IAAF, Leichtathleten. Und viertens ist Ashenden vor Jahren nicht wirklich im Frieden von der Wada gegangen. Er hat eine Untersuchung publiziert, wie mittels Mikrodosierung von EPO die Kontrollen unterlaufen werden können. Praktisch eine Anleitung zum Dopingmissbrauch, vorgetragen mit der Autorität eines Experten.

Gmeiner führt den Minister durch das Labor, dort stehen Geräte, die bis zu 650.000 Euro kosten. Zur selben Zeit gewinnt Bolt den 200-Meter-Lauf bei der WM in China. Klug fährt zum nächsten Termin, Bolt läuft auch noch am Wochenende in China. Er bleibt trotzdem in Seibersdorf. Irgendwie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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