Kohl über Doping: "Im Stundenrhythmus ausgewechselt"

Bernhard Kohl plaudert nun aus dem Nähkästchen.
Bernhard Kohl plaudert nun aus dem Nähkästchen.(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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Ex-Radprofi Bernhard Kohl hat in einer deutschen Fernsehsendung erzählt, wie er sich während der Tour de France 2008 gedopt hat. Sein ehemaliger Arbeitgeber schaltet nach der Beichte seine Anwälte ein.

Radsportler Bernhard Kohl ist nach seiner Rücktrittserklärung am späten Montagabend in der ARD-Sendung "beckmann" zu Gast gewesen und hat nochmals ausführlich dargelegt, wie er sich während der Tour de France 2008 gedopt hat und wie es bei Humanplasma in Wien ablief. Angesprochen darauf, ob bei seinem letzten Team Gerolsteiner systematisch gedopt worden sei, sagte der Niederösterreicher: "Ich kann definitiv sagen, dass es nicht teamorganisiert war." Ob die Ärzte davon gewusst hätten? "Wenn ein Arzt 1 und 1 zusammenzählen kann, weiß er, dass diese Leistung nicht ehrlich zustande kommt." Ob jedoch Ärzte involviert gewesen seien, dazu gab der Österreicher keinen Kommentar ab.

Während der Tour de France 2008, die Kohl als Gesamtdritter und als Gewinner der Bergtrikots beendet hatte, habe er mit Eigenblut und dem damals relativ neuem EPO-Derivat CERA, von dem er Ende 2007 erstmals gehört habe, gedopt. Er habe sich sicher gefühlt, dass er nicht erwischt werden wird, aber nicht sicher, was den Vorsprung betrifft.

"Chancengleichheit", meinte Kohl, denn: "Ich weiß, wie es ist, wenn man clean ist. Und ich weiß, wie es ist, wenn man dopt. Der Unterschied ist eine drastische Steigerung. Es scheint mir unmöglich, eine absolute Topleistung sauber zu bringen."

Eigenblut eingeflogen


CERA hat Kohl von einem "Sportkollegen" bekommen, dessen Namen er nicht öffentlich nennen wird. Das Eigenblut brachte sein damaliger Manager Stefan Matschiner mit dem Flugzeug nach Frankreich. Zwei Liter hatte Kohl zur Verfügung, drei Mal je einen halben Liter führte er dann vor Bergetappen im Hotelzimmer Matschiners seinem Körper zu. "In einer ruhigen Minute zwischen Massage, Interviews, Essen. Das ging relativ schnell, in zwanzig Minuten war die Sache vorbei." Und die Beine seien wieder lockerer gewesen und man habe sich nicht mehr so müde gefühlt.

In Bezug auf Humanplasma meinte Kohl, dass er als Sommersportler das Zentrum im Winter aufgesucht habe, und Wintersportler seien im Sommer gekommen. Seine Termine seien meistens für Sonntag um 8 Uhr angesetzt und Treffpunkt sei der McDonald's gegenüber gewesen. Mit drei anderen Sportler sei er dann abgeholt und zu Humanplasma gebracht worden, das Blut sei abgenommen, weiterverarbeitet und eingefroren worden. Nach einer Stunde sei alles vorbei gewesen und die nächsten Sportler seien drangekommen.

Sämtliche Ausdauersportarten betroffen


"Da wurde im Stundenrhythmus ausgewechselt. Nicht nur Radfahrer, sondern sämtliche Ausdauersportarten. Nicht nur Österreicher, sondern auch Internationale. Nicht nur Sommer-, sondern auch Wintersportler", präzisierte Kohl. Deutsche hätte er persönlich nicht gesehen, aber Gerüchte gehört, meinte der Österreicher auf Nachfragen von Moderator Reinhold Beckmann. Als nach der Turin-Affäre 2006 Humanplasma nicht mehr möglich gewesen sei, habe Kohl dann die Blutzentifuge angeschafft.

Gerolsteiner-Chef schaltet Anwälte ein

Kohls ehemaliger Arbeitgeber Hans-Michael Holczer kündigte nach der Fernseh-Beichte juristische Schritte an. In erster Linie geht es dem ehemaligen Gerolsteiner-Chef darum, wie Kohls Andeutungen den Teamarzt Marc Schmidt betreffend zu bewerten sind.

"Ich will Details über die Kohl-Andeutungen zu unserem Teamarzt - das war ein Hammer. Bei der Tour war als Mediziner nur Marc Schmidt dabei. Den wird jetzt mal ein Anwalt befragen. Ich gehe den ganzen Vorwürfen mit Hilfe von Anwälten nach - da habe ich ja jetzt Erfahrung", sagte Holczer der dpa am Dienstag. Schmidt war nach dem Gerolsteiner-Aus vom einzigen noch existierenden deutschen ProTour-Rennstall Milram übernommen worden.

Auch das Milram-Team haben die Kohl-Aussagen hellhörig gemacht. Anwälte des Radrennstalls und Teamchef Gerry van Gerwen prüfen zur Zeit Vorwürfe, die der Ex-Radprofi an die Adresse des Milram-Teamarztes Merk Schmidt in der ARD-Talkshow Beckmann gerichtet hat. "Wir sitzen zusammen und klären das", sagte van Gerwen am Dienstag der dpa.

Vom Einsatz bei der am (morgigen) Mittwoch beginnenden Bayern-Rundfahrt ist der Erfurter Mediziner Schmidt, der im Vorjahr für das Team Gerolsteiner gearbeitet hatte, laut van Gerwen zurückgezogen worden.

(APA)

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