Ein hausgemachtes Führungsdilemma

Fifa-Skandal. Antikorruptionsexperten fordern den Deutschen Theo Zwanziger als schnelle Interimslösung. Trotz Ermittlungen der Ethikkommission klammert sich Joseph Blatter weiterhin verzweifelt an seine zerbröckelnde Macht.

Zürich. Auch am zweiten Tag nach dem Beben und der Ankündigung eines Strafverfahrens gegen Sepp Blatter ließ der öffentlich geforderte Rücktritt auf sich warten, dafür müssen sich der wankende Fifa-Präsident und Michel Platini, sein Pendant bei Europas Verband Uefa, vor der Ethikkommission verantworten. Sie ermittelt nach Informationen der Deutschen-Presse-Agentur die Hintergründe der Millionenzahlung von Blatter an Platini – über eine Suspendierung wird binnen Tagen entschieden.

Sowohl ein vorläufiges Amtsverbot gegen Blatter als auch Konsequenzen für Platini, der jedoch von den Schweizer Behörden bislang als „Auskunftsperson“ geführt wird, würde die Fußballwelt erneut massiv erschüttern. Ein vorzeitiges Abdanken Blatters aus eigenem Antrieb stehe weiterhin „nicht zur Diskussion“. Die bislang letzten Bilder (siehe oben) des 79-Jährigen vermittelten jedoch einen anderen Eindruck. Nach dem schwärzesten Tag der Amtszeit war sein Büro auf dem Zürichberg am späten Abend hell erleuchtet, ohne Krawatte stand Blatter leicht vornübergebeugt hinter dem Schreibtisch.

Ein dauerhafter Verbleib im Amt dürfte dem „Überlebenskünstler“, so die „Times“, trotz aller Beratungen mit diversen Anwälten nur schwerlich gelingen. Als mögliche Übergangslösung nennt der frühere Antikorruptionsexperte Mark Pieth den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger.

Im Fall eines Blatter Rücktritts müsse ein souveräner Übergangspräsident bestimmt werden, „der aus den eigenen Reihen stammt, akzeptabel ist und beispielsweise zwei Jahre bleibt, um für Ruhe zu sorgen“, forderte Pieth in der „NZZ am Sonntag“. Dass die Fifa am 26. Februar aber bereits einen Nachfolger wählen will, ließ er unbeantwortet. „Zwanziger war Exekutivmitglied, in die Reformen involviert und ist integer. Zudem ist er entscheidungsfreudig.“ Satzungsgemäß wäre aber der höchst umstrittene Vizepräsident Issa Hayatou aus Kamerun am Zug.

Ende für die WM in Katar?

Blatters Nachfolger könnte auch Auswirkungen auf die umstrittene WM 2022 in Katar haben. „Wählt man Zwanziger als Übergangspräsidenten für zwei Jahre, verhindert er Katar, schon aus arbeitsrechtlichen Gründen“, so der Schweizer Rechtsprofessor. Sollte Michel Platini an die Spitze der Fifa rücken, „gibt es die WM in Katar“.

Platini, 60, aber muss beantworten, warum er für Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002 erst neun Jahre später bezahlt wurde. Das europaweite Presse-Echo ist für ihn bereits verheerend. „Sollten sich die Verdachtsmomente in seinem Fall erhärten, würde Blatter seinen Intimfeind mit in den Abgrund ziehen“, analysierte die „NZZ“. „Es wäre das absurde Ende einer Geschichte, die als Männerfreundschaft begann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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