Marcel Koller, der Auserwählte im Labyrinth

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SOCCER - UEFA EURO 2016 quali, MNE vs AUT, preview(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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Vor vier Jahren mit großer Skepsis empfangen, genießt der Schweizer Marcel Koller mittlerweile den Status eines Nationalhelden. Die Vertragsverlängerung könnte zur Staatsaffäre auswachsen, Deutschland hat durchaus seinen Reiz.

Da ist es wieder, dieses verschmitzte Lächeln. Es mutet sympathisch an, ehrlich. Marcel Koller beherrscht es ziemlich gut. Als ein montenegrinischer Journalist bei der Abschlusspressekonferenz zum EM-Qualifikationsspiel in Podgorica wissen möchte, ob Fußball in Österreich denn schon Skifahren als Sportart Nr. eins abgelöst habe, machte es der Schweizer wieder. Er lächelte. „Wir sind schon sehr nah dran.“

Als Koller vor vier Jahren überraschend zum Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft bestellt wurde, da war von diesem Lächeln im Gesicht des Zürchers nichts zu sehen. Er wirkte ernst, fokussiert, die heute selbstbewusst nach außen getragene Lockerheit schien ihm fremd. Vielleicht hallten sie noch nach, die „Koller raus“-Rufe der Fans, die er einst in Bochum zu hören bekam. Am 20. September 2009, nachdem er den VfL vier Jahre lang betreut hatte, wurde Koller entlassen. Er blieb es über zwei Jahre. „Wir laufen Gefahr, die emotionale Bindung unserer Fans zu verlieren“, meinte VfL-Sportvorstand Thomas Ernst damals ob des angespannten Verhältnisses zwischen Trainer und Anhängern höchst besorgt. Sogar ein Plakat, von Kollers Gesicht geziert, wurde im Stadion angezündet.

Koller kennt sie also, die Schattenseiten des Geschäfts. Er fühlte sich schlecht in seiner Zeit als Trainer ohne Job, er war nicht mehr gefragt. Der 54-Jährige lief sogar Gefahr, in dem Meer an Kollegen, die sein Schicksal teilten, schnell in Vergessenheit zu geraten. Wenn es bei Vereinen Probleme gab, wurde sein Management vorstellig, die Hoffnung, eine neue Chance zu erhalten, zerschlug sich jedoch immer wieder. Erst den ÖFB konnte Koller von sich und seinen Ideen restlos überzeugen. Nach anfänglichen Zweifeln genießt er in Österreich Kultstatus. Ja, er ist für viele sogar ein Nationalheld.

Angebot und Nachfrage

Der 55-fache Nationalspieler der Schweizer Nati wird Österreich bei der nächstjährigen Europameisterschaft trotz aller aufkommender Spekulationen betreuen. Der ÖFB verweist auf einen laufenden Vertrag bis zum Ende des Turniers, zudem wird Koller in Frankreich auch durchaus ernten wollen, was er gesät hat.

Verbandspräsident Leo Windtner wünscht sich in der Teamchef-Frage eine rasche Lösung. Der Oberösterreicher möchte vor der Endrunde wissen, wer die Mannschaft danach trainiert. Eine forsche Ansage, an der der ÖFB-Präsident, 65, in den kommenden Monaten gemessen werden wird. Denn Koller, der Wunschkandidat, signalisierte, keinerlei Eile in dieser Frage zu verspüren.

Der Teamchef zieht die Fäden in diesem Spiel, er wähnt sich in einem Labyrinth, dem er als Gewinner entkommen könnte. Eine erfolgreiche EM würde seinen Marktwert weiter in die Höhe schnellen lassen, an Optionen dürfte es dann nicht fehlen.

Ein Treffen mit Gladbachs Sportdirektor, Max Eberl, heizte die Diskussion vor wenigen Tagen kräftig an. Die Borussen sollen sogar bereit sein, bis Sommer 2016 auf ihn zu warten. Koller machte in seiner Funktion als ÖFB-Teamchef nie ein Hehl daraus, insgeheim immer noch das Verlangen zu verspüren, irgendwann wieder als Klubtrainer zu arbeiten. „Die deutsche Bundesliga“, bekräftigte er vor dem Abflug nach Montenegro, „ist immer interessant.“

Die Angst vor dem Abschied

An Österreichs Spielern geht diese Teamchef-Causa nicht spurlos vorbei. Sie alle wissen, welchen Anteil Koller am Aufschwung des heimischen Fußballs hat. „Er hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir haben uns unter ihm weiterentwickelt, er hat die Mannschaft einfach zusammengeschweißt“, meint David Alaba.

Auf die Frage, ob Österreichs Mannschaft denn auch ohne Koller funktionieren würde, weicht der Bayern-Legionär aus. Niemand will sich mit einem eventuellen Abschied des Schweizers beschäftigen, schon gar nicht Alaba. „Das sind doch nur Gerüchte, oder?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

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