National Hockey League: "Stolz, stur, unbeugsam – Villach"

EISHOCKEY: ERSTE BANK LIGA: EC RED BULL SALZBURG - UPC VIENNA CAPITALS
EISHOCKEY: ERSTE BANK LIGA: EC RED BULL SALZBURG - UPC VIENNA CAPITALSAPA/EXPA/JFK
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Mit dem Start der National Hockey League rücken eine Kärntner Stadt und ihr Eishockeyklub in den Blickpunkt. In Villach schulten die Raffl-Brüder und Michael Grabner ihr Talent.

National Hockey League: die US-Profiliga gilt als höchstes Gut im weltweiten Eishockey. Show und Sport werden vermischt, in Arenen mit Show und Merchandising als Franchise-Modell landesweit (und auch in Kanada) hochpreisig verkauft. NHL-Spiele sind Fixbestandteil im Live-TV, die Spieler sind Superstars, zumeist hoch entlohnt und von der Industrie mit Werbeverträgen gesegnet. Um Ausnahmekönner wie Sydney Crosby wird ein Hype generiert, damit der Puck den Vergleich mit Football, Basketball und Baseball und Motorsport besteht. Kein Wunder also, dass ausnahmslos jeder Crack auf diesem Planeten davon träumt, in der besten Liga der Welt aufzutauchen. In dieser Saison sind gleich vier Österreicher mit von dieser Millionen-Partie.

Es ist rot-weiß-rote Rekordbeteiligung, neben Thomas Vanek (Minnesota Wild), Michael Grabner (Toronto Maple Leafs) und Michael Raffl (Philadelphia Flyers) ist seit wenigen Tagen auch Thomas Raffl mit einem dieser heiß begehrten Verträge geschmückt. Der 29-Jährige spielt für die Winnipeg Jets, als achter NHL-Österreicher (siehe Auflistung rechts), er soll in dieser Saison laut Klubangaben 575.000 Dollar (510.000 Euro) verdienen. Dennoch, um sich weiter an die kleinere Eisfläche und das schnellere Spiel zu gewöhnen, wurde Raffl vorerst im AHL-Farmteam der Manitoba Moose geparkt. Das erste Spiel gegen Toronto Marlies ging aber 3:5 verloren, Raffl blieb ohne Scorerpunkt.


60.000 Einwohner, eine Eisfläche. So groß die Euphorie um den vierten Österreicher sein mag, es gilt abzuwarten, wann er in der NHL spielen wird. Es verblüfft vielmehr ein Detail: Die Raffl-Brüder und Grabner kommen aus Villach. Eine Stadt mit 60.000 Einwohnern stellt gleich drei Topspieler.

Der Villacher SV wurde seit 1923 sechs Mal Meister, zuletzt 2006. In die Eishalle passen mit viel Fantasie 4500 Zuschauer, man zählt drei Fanklubs, und bei Derbys gegen den Erzrivalen aus Klagenfurt ist ganz Kärnten vollkommen aus dem Häuschen. Doch auf dieser Eisfläche lernten viele Spieler Eislaufen, hier riskierten Thomas und Michael Raffl sowie Michael Grabner ihre ersten Checks und Schüsse. „Auf unserer Eisfläche hat es begonnen“, sagt VSV-Obmann Giuseppe Mion stolz. „Wir haben auch nur eine – haben aber die beste Nachwuchsarbeit. Nur in Österreich und auch in Villach fällt es nicht jedem auf . . .“ Der letzte Nachwuchstitel wurde 2012 gefeiert.


Keine Laptop-Trainer. Den ersten Schritt auf dem Eis zeigt Kindern der seit Jahrzehnten beim Klub dienende Slowene Drago Horvath vor. Er habe auch dem NHL-Trio einst Beine gemacht, wirft Mion ein. Dazu stehe mit Greg Holst ein hoch dekorierter Mann hinter der Bande als Berater und Trainer-Coach. Wolfgang Kromp, selbst ein Ex-Teamspieler, agiere als Koordinator. Das Ausbildungssystem klingt simpel, „mit drei, vier oder fünf Jahren fangen die Kinder an“, sagt Mion, beim VSV, der nicht nur ein Klub, sondern wie eine „Puck-Familie“ sei. Dann werde mehrmals pro Woche trainiert, oft gespielt. Villachs Eishockey sei eine Kultur. Dass Liga-Gegner es anders sehen, muss nicht gesondert betont werden. In Salzburg steht man etwa seit der Page-Ära etwa acht Monate pro Jahr durchgehend auf dem Eis.

Während Österreichs Eishockey dennoch weiterhin uneins ist, ob man Legionäre reduzieren soll, geht Villach einen anderen Weg. Für ein Heer aus Legionären fehlen Geld und Interesse. Man mache Spieler eben selbst, sagt Mion. Man fertige sie, schule, baue sie auf. Jährlich würden 20 bis 25 Knirpse dazustoßen, über 200 Spieler sind im VSV unterwegs, in acht Nachwuchsteams bis zur Kampfmannschaft. Was zeichnet VSV dann als Nachwuchs-Hochburg aus? Mion wird impulsiv: „Wir sind stolz, stur und unbeugsam. Wir sind Blauweiß.“ Man lehne Großkopferte, Großmeister von Powerpoint-Präsentationen und praxisbefreite Laptop-Trainer ab. Es werde trainiert, Eishockey gelebt, gefühlt. Man verlangt Herz, Einsatz, Willen. Aus Spaß, aus Interesse. Allerdings, das gibt Mion bei seinen Aufzählungen zu: Man sei auch Weltmeister der Improvisation . . .


Qual und Lobby. Eishockey ist in Kärnten von größter Bedeutung, vielleicht ist Villach tatsächlich der Quell als bester Ausbildungsverein. Aber warum hat es dann nicht schon viel früher mit NHL-Exporten geklappt? Mion schüttelt rätselnd, fragend den Kopf.

Manche haben Talent, sagt er, andere würden eisern arbeiten, sich quälen – und scheitern. Es bedarf Einsatzes, Könnens, einer gehörigen Portion Glück, mit Toren, Checks, scharfen Schüssen, allem voran aber eines vernetzten Managements. Der Rest funktioniere dann geradezu von allein, Amerikaner wählen ohnehin nach Statistiken und Scout-Berichten ihr Personal aus. Aber wie empfahlen sich Raffl und Grabner, wieso spielen sie in der NHL? „Ganz einfach: Sie sind eisern. Wenn andere mit dem Training aufhören, fangen diese Burschen erst an.“

ÖSTERREICHS NHL-Spieler

Reinhard Divis
Erster Österreicher in der NHL, bei St. Louis Blues (2001–2006) für 29 Spiele im Tor.

Christoph Brandner
Stürmer,
Minnesota Wild (03/04): 35 Spiele, vier Tore, fünf Assists.

Thomas Pöck
Verteidiger,
NY Rangers (04–08)
NY Islanders (08/09): 122 Spiele, acht Tore, zwölf Assists.

Andreas Nödl
Stürmer,
Philadelphia (08–11), Carolina (11–13): 195 Spiele, 15 Tore, 21 Assists.

Thomas Vanek
Stürmer, 31
Buffalo (05–13),
NY Islanders (13–14)
Montreal Canadiens – seitdem Minnesota. 806 Spiele, 318 Tore, 324 Assists.

Michael Grabner
Stürmer, 28
Vancouver (09–10)
Florida Panthers (10)
NY Islanders (10–15)

Toronto Maple Leafs. 334 Spiele, 97 Tore, 64 Assists, 161 Punkte.

Michael Raffl
Stürmer, 26
Philadelphia Flyers (seit 2013). 142 Spiele, 30 Tore, 21 Assists.

Thomas Raffl
Stürmer, 29
Winnipeg Jets (15).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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