Leichtathletik: Dopingskandal wohl größer als bekannt

Wada-Meeting
Wada-MeetingAPA/AFP/TOM KIMMELL
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Der zweite Teil des Reports könnte ungeahnte Ausmaße offenbaren. Die Wada-Ermittler zeichnen in Interviews ein Schreckensbild.

Der gigantische Doping-Skandal in der russischen Leichtathletik ist wahrscheinlich noch weitaus größer, als ohnehin schon bekannt. Darauf lassen Interview-Aussagen von zwei der drei beteiligten Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) schließen.

"Wenn wir diese Informationen in die Welt geben, wird es einen Wow-Effekt geben", sagte Richard Pound, Leiter der Ermittlungskommission, dem "Independent" über einen noch im Dezember oder Jänner folgenden zweiten Report seines Teams. Auch der Deutsche Günter Younger zeichnete gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch) ein Schreckensbild: "Die Betrugskultur zu entwurzeln, wird Jahrzehnte dauern."

Vereinzelt sei sogar während der Wada-Ermittlungen weiter gedopt worden. Einer der Befragten habe den Ermittlern "ins Gesicht gesagt: "Egal, was ihr hier macht, es wird sich eh nichts ändern."

Auch nicht auf Russland beschränkt

Nach Auffassung von Younger ist der Skandal keineswegs nur auf die Sportart Leichtathletik und Russland beschränkt. Er habe nur in einen kleinen Teil des Sports geschaut, erklärte der 48-Jährige. "Nur wenn wir sehen, dass der ehemalige Chefarzt Portugalow nicht nur Leichtathleten, sondern auch Biathleten und Schwimmer betreute - warum sollte er es dort anders gemacht haben?"

Younger forderte eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung der WADA und die Einstellung von deutlich mehr hauptamtlichen Ermittlern. Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) Milliarden einstreiche, müsse die WADA mit 26 Millionen Dollar (24,41 Mio. Euro) pro Jahr auskommen. Dringend sei die Doping-Aufarbeitung in Kenia. Younger: "Mit dem gleichen Aufwand, den wir in Russland betrieben haben."

Mehr Geldmittel, mehr Kontrolleure

Seiner Meinung nach stehe gerade "die Glaubwürdigkeit des gesamten Sports auf dem Spiel. Anfang November veröffentlichte die Wada-Kommission, zu der auch der kanadische Sportrechtler Richard McLaren gehört, einen schockierenden Report über eine tief verwurzelte Doping-Kultur, an der neben Trainern, Athleten und Ärzten auch staatliche Instanzen und Kontroll-Labore beteiligt sind.

In der Folge suspendierte der Weltverband (IAAF) die russischen Leichtathleten zumindest vorerst von allen Großereignissen wie den Olympischen Spielen 2016. An diesem Mittwoch und Donnerstag treffen sich zudem in Frankfurt am Main Vertreter der WADA und des russischen Sportministeriums. Der Ort des Treffens und mögliche Ergebnisse sollen aber zunächst einmal geheim gehalten werden.

Pound geht trotzdem davon aus, dass russische Aktive bei Olympia in Rio de Janeiro starten werden. Ihn und Younger eint ein tiefes Misstrauen gegen die großen Sportverbände. Younger. "Das Doping-Thema ist ein unangenehmes, das will man nicht haben. Das ist das Verneinen des Offensichtlichen." Sportsoziologe Eike Emrich meinte in "Die Welt", absolute Höchstleistungen und Ehrlichkeit würden sich partiell ausschließen.

(APA/dpa)

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