Football-Finale, Spektakel oder "Greatest Show on Earth"? Ein Spiel generiert Dollarmilliarden, fesselt Amerika und öffnet Siegern alle Türen – Erinnerungen an den Freekicker Toni Fritsch.
Der Super Bowl ist für Amerikaner so wichtig wie der 4. Juli, Weihnachten und Silvester zusammen. Die sind alle ganz narrisch drauf. Wenn die Partie beginnt, sind die Straßen leer gefegt. Nichts ist dann wichtiger. Und wennst selbst dabei bist, kriegst a unfassbare Ganslhaut . . .“ Jedes Jahr, zumeist kurz vor dem ersten Sonntag im Februar, bekommen diese Sätze wieder neues Gewicht und neue Bedeutung.
Sie schildern Gefühle und Beobachtungen bei Amerikas größtem Sportereignis, dem Endspiel der National Football League. Sie transportieren aber auch ein Stück österreichische Sportgeschichte und dokumentieren, wie schnell ein Jahr, ein Jahrzehnt und noch mehr Zeit vergehen kann, nein: längst vergangen ist.
Toni Fritsch, Österreichs umjubelter Wembley-Torschütze, NFL-Kicker der 1970er-Jahre und 2005 viel zu früh verstorbene Sportlegende, schilderte seine Impressionen vom Super Bowl stets mit ungeheurer Begeisterung. Er fuchtelte dazu aufgeregt mit seinen Armen, um die Größe zu erklären, die Bedeutung des Events zu schildern. Er zeigte Kicks vor, wie man den Ball auflegen muss, um ja nicht die Naht zu treffen, weil man sonst danebenschießt. Seine Augen leuchteten, der Super-Bowl-Ring von 1972 funkelte und der NFC-Championship-Ring glitzerte. Es bleiben für immer magische, unvergessliche Augenblicke.
Cash, Grill, Ring und Ehre. Sonntags ist Football-Time. Dann geht es um Essen, Sport und Hektoliter Light-Bier. Tailgate-Partys vor Stadien sind Massengrillveranstaltungen auf Parkplätzen, und wer keine Karten hat, ist dort sehr gut aufgehoben. Wer ein sündhaft teures Ticket – Schwarzmarkttickets für den Super Bowl 50 in Santa Clara gab es zuletzt um 3500 bis 5000 Dollar – ergattert hat, wartet auf Abfangjäger, Stars and Stripes, Ankick und Halbzeitshow, heuer von Beyoncé und Coldplay inszeniert. Lady Gaga intoniert die Hymne. Der Rest Amerikas verdrückt am Supersunday über 20.000 Tonnen Chips, 1,3 Milliarden Chicken Wings, 30 Millionen Burger und ja, über 400 Millionen Flaschen Light-Bier.
Fritsch genoss Erzählungen darüber, die stets steigenden Preise für TV-Sekunden, den Kult oder Wahn um Stars, Merchandising, das Drumherum dieser Profiliga. Als er nach Amerika kam, war es anders gewesen. Schon allein der Hergang seines Engagements war märchenhaft. Tom Landry, Trainer der Dallas Cowboys, ist 1971 in Europa unterwegs gewesen, um das Experiment mit einem Fußballer als Free-Kicker zu versuchen. Fritsch, ein Waisenkind aus Petronell, hatte sich am 21. Oktober 1965 mit seinen beiden Toren zum 3:2-Sieg im Wembley-Stadion einen Namen gemacht. „Vor allem der Schuss aus 30 Metern hatte Landry interessiert“, erzählte Fritsch immer wieder. Ebenso das auf der Hohen Warte inszenierte Auswahlverfahren. Fritsch schoss mit Kraft, Wucht – und als Draufgabe noch kunstvoll mit „einer ordentlichen Fett'n“.
Curveball auf der Hohen Warte. Ein Freund, Wegbegleiter und Zeitzeuge berichtet heute noch davon, ebenfalls mit funkelnden Augen. Es soll sogar ein richtiger Curveball gewesen sein, wie im Baseball, also langsam, mit Effet – nur gekickt mit einem Football. Fritsch war nicht mehr nur ein Flankenkönig im Fußball, sondern ab sofort ein NFL-Kicker – „Wembley-Tony, ein Texas Cowboy“.
1972 kickte er Dallas im Super Bowl VI zum Sieg (24:3 gegen Miami Dolphins), 1976 – also vor 40 Jahren – verlor er das Finale gegen Pittsburgh knapp mit 17:21. Er spielte später noch für San Diego Chargers (1976 – 1977), Houston Oilers (1977 – 1982) und New Orleans Saints (1982 bis 1984). Fritsch war elf Saisonen in der besten Football-Liga der Welt aktiv.
Seine Erzählungen von Freudenfeiern, Reisen, Flügen, Enttäuschungen, Niederlagen oder die Schwierigkeiten, (American) Englisch zu lernen, sie kannten bei Toni Fritsch kaum ein Ende. Er meinte, es sei Routine und Nervensache, man dürfe weder Angst noch Anspannung zeigen. „Das war immer mein Job. Die Partie geht noch zwei Sekunden und du kommst aufs Feld. Du weißt, du musst treffen, sonst hast verloren. Mörderisch.“
Österreich feiert und preist gern seine Sporthelden, Toni Fritsch war bzw. ist einer. Er kannte Größen wie George Foreman, Phil Esposito oder Bob Hayes – und sie kannten ihn. Er traf Elvis Presley, auch vermischten sich dazu Anekdoten und Legenden, Eines aber bewies Fritsch immer wieder. Geht es in Amerika um Respekt und Wahrnehmung, musste er nur seinen Ring zücken. Und schon öffneten sich alle Türen – wie im Schlaraffenland. Dennoch, er kam immer wieder gern zurück auf nach Wien und Petronell. Stippvisite in der Redaktion, Essen im geliebten Steakhouse, Rapid-Kick im Stadion. Er war immer freundlich, gut gelaunt, ohne Floskeln. Er war ein netter Kerl, ein feiner Mensch. „Grüß euch Burschen, wie geht's?“
MILLIONENSHOW
161 Millionen Amerikaner sitzen heute vor dem TV-Schirm, weltweit sollen es eine Milliarde Menschen sein.
50 Millionen Dollar werden nur für Junk Food ausgegeben.
250 Millionen Dollar werden für Super-Bowl-Fanartikel lockergemacht.
3,9 Milliarden Dollar werden in den USA auf den Super Bowl 50 gewettet.
150 Diamantringe bekommt das Siegerteam, gefertigt von Tiffanys. Wert eines Rings: 5000 Dollar.
Super Bowl 50
Santa Clara, Levi's Stadium,
Carolina Panthers – Denver Broncos.
Puls 4 überträgt live ab 0.30 Uhr.
»WEMBLEY«
1972
gewann Toni Fritsch († 13. September 2005 in Wien) mit den Dallas Cowboys als erster und bislang einziger Österreicher den Super Bowl.
1976
verlor der Kicker mit Dallas das Finale gegen Pittsburgh.
Rapid
Von 1964 bis 1971 bestritt Fritsch 123 Spiele für Rapid, er wurde dreimal Meister (1964, 1967, 1968) und zweimal Cupsieger (1968, 1969).
Nationalteam
Seinen Spitznamen „Wembley-Toni“ erhielt der damals 20-Jährige, als er am 20. Oktober 1965 beim 3:2-Sieg gegen England in London zwei Tore erzielte.
Karriere in der NFL
Fritsch spielte für Dallas (71–76), San Diego (76–77), Houston (77–82) und New Orleans (82–84).
125 Spiele, 758 Punkte ein Rekord: 13 Play-off-Spiele in Serie mit je einem Fieldgoal.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)