Manche Niederlagen hören nie auf

VERGABE DER OLYMPISCHEN WINTERSPIELE 2014 IN GUATEMALA: PRAESENTATION 'SALZBURG 2014'
VERGABE DER OLYMPISCHEN WINTERSPIELE 2014 IN GUATEMALA: PRAESENTATION 'SALZBURG 2014'APA
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Salzburgs gescheiterte Olympia-Bewerbung 2014 kommt nach einem OGH-Urteil wieder ins Gerede. Sie war ein Lehrbeispiel für Intransparenz und ein Nebenschauplatz des Finanzskandals, der die SPÖ-Landesregierung wegspülte.

Die Stadt Salzburg bewarb sich seit der Jahrtausendwende drei Mal um Olympische Winterspiele, drei Mal vergebens. Der letzte Anlauf zielte auf die Spiele 2014, die schließlich in Sotschi stattfanden. Während dieser Kampagne ist es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen, die bis heute nachwirken. Vor Kurzem endete beispielsweise ein mehrjähriges Verfahren gegen den Strategen der Olympia-Bewerbung 2014, Erwin Roth, vor dem Obersten Gerichtshof mit einem rechtskräftigen Freispruch. Roth war von Salzburgs Staatsanwaltschaft und Finanzamt vorgeworfen worden, Steuern für seine Honorare um rund eine halbe Million Euro verkürzt zu haben.

Die Bewerbung selbst leiteten das ÖOC unter dessen damaligem Präsidenten, Leo Wallner, und Salzburgs Bürgermeister, Heinz Schaden. Roth arbeitete von Mai 2006 bis Juli 2007 für die Bewerbung und erhielt laut seinem Beratervertrag mit dem Förderverein Salzburg 2014 rund 1,2 Millionen Euro. Ein Urteil stellte Jahre später fest, Roths Honorar sei für derartige Unternehmungen „nicht branchenunüblich gewesen“.

Für die Bewerbung gründete Salzburg eine Salzburg Winterspiele GmbH (Stammkapital 1,9 Mio. Euro), den Aufsichtsratsvorsitz hatte Bürgermeister Heinz Schaden. Sie gab 13,5 Mio. Euro aus und wies bei ihrer Liquidierung 2008 laut Gerichtsgutachten „eine Überschuldung von rund 420.000 Euro“ aus. Das Loch stopfte der Steuerzahler.


Gleich drei Rechnungskreise. Um den chronischen Geldmangel zu lindern, regte Schaden die Gründung eines Olympia-Fördervereins und eines zweiten Rechnungskreises an. Schaden behauptete laut Protokoll der Aufsichtsratssitzung am 3. 3. 2006, er wolle Sponsoren schützen, „damit diese ihre der Salzburg Winterspiele 2014 GmbH zur Verfügung gestellten Mittel nicht einer öffentlichen Überprüfung unterziehen müssen und so nicht Gefahr laufen, sich vor den Medien und der Öffentlichkeit rechtfertigen zu müssen.“

Das intransparente Gesamtgebaren der Bewerbung umfasste gar drei Rechnungskreise. Zwei in der Bewerbung GmbH (Rechnungskreis eins: sieben Mio. Euro, Rechnungskreis zwei: 3,4 Mio. Euro mit den Sponsoren Lotterien, Audi, ÖBB, Telekom, Mobilkom, Raiffeisenbank, Generali Versicherung, Post) und einer im Olympia-Förderverein (Rechnungskreis drei: 3,1 Mio. Euro).

Dreieinhalb Jahre später widerlegte ein von der heutigen Vize-Landeshauptfrau, Astrid Rössler (Grüne), geleiteter Untersuchungsausschuss Schadens Schutzbehauptung. Ein „schlüssiges Gesamtbild mit zahlreichen unredlichen Elementen“ habe sich laut Abschlussbericht ergeben. Außerdem konnten „zahlreiche Unterlagen nicht gefunden“ werden. Zum Beispiel „IOC-Verträge, Beraterverträge, Werkverträge, Leistungsnachweise, Schriftverkehr, rechtliche Expertisen sowie Unterlagen zu Vorbereitungskosten in Höhe von mehr als einer Million Euro“.

Die folgenden Ermittlungen und Verfahren hatten nicht die Misswirtschaft der verantwortlichen Politiker zum Ziel. Vielmehr gerieten Roth, ÖOC-Präsident Leo Wallner, ÖOC-Generalsekretär Heinz Jungwirth und die Geschäftsführer der GmbH ins Visier. Alle diesbezüglichen Verfahren endeten mit Freisprüchen.

Gegen Salzburgs dritte Bewerbung hatten sich bei einer Bürgerbefragung mehr als 60 Prozent der Antwortenden ausgesprochen. Bürgermeister Schaden jedoch zog die Idee durch, und als die Ursachen des Scheiterns verhandelt wurden, ging er in die Offensive. In einem ORF-Interview griff er im September 2009 Roth an: „Erwin Roth hat 1,2 Millionen Euro erhalten. Geld, das wir dringend gebraucht hätten.“ Roth habe der Bewerbung nichts gebracht, sagte Schaden. Der Stratege kündigte juristische Schritte wegen Rufschädigung an. Schaden antwortete auf Fragen nicht.

Salzburgs missglückter Auftritt im olympischen Geschäft hinterließ noch eine zweite Spur. In der Aufarbeitung der Dopingaffäre während der Winterspiele in Turin 2006 hatten WADA-Chef Dick Pound und IOC-Präsident Jacques Rogge den Ex-ÖSV-Trainer Walter Mayer als Dopingdrahtzieher bezeichnet (siehe Artikel nebenan). Mayer drohte, beide in Österreich vor Gericht zu bringen, was im Gegenzug das abrupte Ende aller Salzburger Chancen für die Winterspiele 2014 bedeutet hätte. Für Februar 2007 war sogar bereits in Pounds Fall die erste Tagsatzung anberaumt gewesen.

Roth erklärte sich bereit, die für ÖOC und Salzburg unangenehme Causa zu bereinigen, und verlangte, dass der Förderverein oder notfalls das ÖOC seinen Beratervertrag pünktlich erfülle. Wallner sagte zu, was Jahre später auch die Richter als Tatsache bestätigten. Roth zahlte Mayer ein „Angeld“ von 290.000 Euro, um dessen Lebensbeichte publizistisch zu verwerten. Mayer zog die Klagen zurück, Salzburgs Bewerbung war vorerst gerettet.

Als Salzburgs Projekt im Juli 2007 endgültig gescheitert war, fehlten Roth 330.000 Euro an Honorar. Der Förderverein war liquidiert, Roth klagte Wallner im Februar 2010 auf Zahlung der Außenstände – und blitzte ab. Denn nach dem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen (21. 3. 2011) hatte Wallner „das ÖOC wirksam und durchsetzbar für die offenen Schulden des Olympia Fördervereins gegenüber der Erwin Roth d.o.o. verpflichtet“.


Vor Gericht. Roth d.o.o. war Roths GmbH in Kroatien, sie ging in Konkurs, der Masseverwalter beauftragte Anwalt Peter Melicharek, die Angelegenheit zu verfolgen. Es wurde geklagt, das ÖOC wandte jedoch ein, die Forderungen seien verjährt. Der OGH widersprach dem Verjährungseinwand. Dann erklärten ÖOC-Präsident Karl Stoss, Generalsekretär Peter Mennel sowie Vorstandsmitglied und Rechtsvertreter Herbert Hübel 2014 dem Gericht, von Vereinbarungen mit Roth keine Kenntnis zu haben. Was einem Schreiben Hübels vom 15. 4. 2010 zu widersprechen scheint, in dem er dem Gericht mitteilt, dass der „Inhalt des Vertrages vom 16. 5. 2006 zwischen der Erwin Roth d.o.o. und dem Olympiaförderverein den Gerichtsstand Split“ ausweist.

Wien ist der längst anerkannte Gerichtsstand, am 15. März folgt der nächste Termin vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen. Zu Roths Forderungen von 335.000 Euro kommen Zinsen (239.000 Euro) und Gerichtskosten (101.000 Euro). ÖOC-Anwalt Herbert Hübel gab zu verstehen, dass zu laufenden Verfahren kein Kommentar abgegeben werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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