Anmutig und elegant zum Ziel

29. EUROPAMEISTERSCHAFT RHYTHMISCHE GYMNASTIK: RUPRECHT
29. EUROPAMEISTERSCHAFT RHYTHMISCHE GYMNASTIK: RUPRECHTAPA/HANS PUNZ
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Nicol Ruprecht turnt in der Rhythmischen Gymnastik um die Olympia-Qualifikation. Den Weg nach Rio erschweren die üblichen Randsportprobleme und die osteuropäische Dominanz.

Der Traum von den Olympischen Spielen – er spornt zu Höchstleistungen an, motiviert in Stunden des Misserfolgs und begleitet durch ganze Karrieren. Für viele Sportler ist der Auftritt im Zeichen der fünf Ringe ein Kindheitswunsch, so auch für Nicol Ruprecht. „Im Freundschaftsbuch meiner Schwester vom Kindergarten steht unter mein größtes Ziel: Olympische Spiele“, erzählt die rhythmische Gymnastin. „Das ist einfach das Größte, das man als Sportlerin erreichen kann. Man ist Teil der olympischen Sportfamilie Österreichs und geht ein bisschen in die Geschichte ein.“ Die 23-Jährige ist im Turnen mit Reifen, Ball, Band und Keule Österreichs Nummer eins und könnte sich diesen Traum nun erfüllen: Am Donnerstag geht es für die gebürtige Tirolerin im Rio-Testevent um das Olympia-Ticket, mit einer Platzierung in den Top sechs wäre die Qualifikation geschafft. Als WM-20. hat sie im Oktober in Stuttgart einen Fixplatz in den Top 15 um 2,7 Punkte verpasst.

Der bisherige Saisonverlauf stimmt optimistisch, gleich zum Auftakt markierte Ruprecht in Laibach neue persönliche Punktebestmarken, beim jüngsten Weltcup in Pesaro, Italien, wurde sie Elfte und hatte im Ranking nur eine ihrer Rivalinnen um die verbliebenen Olympia-Plätze vor sich. „Ich war heuer bis jetzt bei jedem Wettkampf stark genug für die Qualifikation. Daher bin ich zuversichtlich, dass ich mein großes Ziel erreiche“, sagt sie.


Karriere durch Zufall. Zur Rhythmischen Gymnastik kam Ruprecht einst durch puren Zufall. Die Eltern hatten sie als Kind zum Ballett geschickt, beim Üben im Garten wurde die Nachbarin, selbst Gymnastiklehrerin, auf die damals Sechsjährige aufmerksam. Körperbeherrschung, Beweglichkeit, Koordination und nicht zuletzt Kraft sind gefragt, schließlich gilt es – im Musiktakt – Pirouetten zu drehen oder im Sprung in die Spagatstreckung zu gehen, während Ball oder Reifen durch die Luft fliegen und anschließend wieder gefangen werden, auch mit Knien oder Füßen. Anmut und Ästhetik faszinieren Ruprecht bis heute, ein Lieblingsgerät hat sie nicht. „Das hängt von der Laune ab. Bei guter ist es das Band“, verrät die 23-Jährige.

In Österreich fristet der Sport wie in ganz Westeuropa ein Schattendasein, der Weg an die Spitze braucht Fleiß, Schweiß und persönliche Opfer. So übersiedelte Ruprecht 2009 samt Eltern und den beiden jüngeren der vier Geschwister nach Wien, wo der Vater nun eine Bowlinghalle betreibt. In der Bundeshauptstadt trainiert sie unter Nationaltrainerin Luchia Egermann, die schon Caroline Weber zu internationaler Klasse geführt hat. Die gebürtige Bulgarin hat in ihrer Heimat auch Weltmeisterinnen trainiert und ist vom Potenzial ihres Schützlings überzeugt: „Das Talent ist da. Das sieht man daran, dass Nicol – und früher auch Caro – sich vor Athletinnen aus Ländern wie Deutschland oder der Schweiz, die Leistungszentren haben, klassieren.“

Auf rund 50.000 Euro belaufen sich die Kosten für eine Saison, allein eines der glitzernden Outfits schlägt mit etwa 1000 Euro zu Buche, dank Heeressport und Förderungen kann Ruprecht diese inzwischen abdecken. Doch wie alle Randsportarten hat auch die Rhythmische Gymnastik mit finanziellen Engpässen und mangelnder Infrastruktur zu kämpfen. Seit vergangenem Mai wird in einem ehemaligen Filmstudio am Rosenhügel trainiert, das der Großvater eines Mädchens privat erworben und zur Verfügung gestellt hat. Das Gebäude liegt inmitten einer Baustelle und glänzt mit eher rustikalem Charme, erst Schritt für Schritt wird die nötige Innenausstattung wie Sprossenwände oder Spiegel angeschafft. Von Einbrüchen inklusive Diebstahl der gesamten Ausstattung ließ man sich dabei nicht aus der Bahn werfen.

Ruprecht weiß ihre neue Heimstätte trotz allem zu schätzen. „Der größte Vorteil ist die Hallenhöhe. Jetzt kann ich die Würfe endlich wie im Wettkampf üben“, berichtet sie und trauert der Westside Soccer Arena nicht eine Sekunde nach. „Keine Schreie mehr vom Nebenplatz. Die Ruhe ist gut für die Konzentration.“ Mit den Voraussetzungen in den dominierenden osteuropäischen Ländern kann freilich nach wie vor nicht mitgehalten werden. „Ich kann mein Pensum durchziehen, aber die Feinheiten fehlen“, berichtet sie.


Keine Angst vor Fehlern. Mit 23 Jahren zählt Ruprecht in ihrem Sport bereits zu den Älteren, ab und zu machen sich die Trainingsjahre im Rücken bemerkbar. Aus diesem Grund hat sie entsprechende Adaptionen im Wettkampfprogramm vorgenommen, grundsätzlich aber sieht sie Routine und Erfahrung als Vorteil. „Man verliert die Angst, Fehler zu machen, geht selbstbewusster auf den Teppich“, erzählt die sechsfache WM-Teilnehmerin. 2012 war sie in Olympia-Ausscheidung gescheitert, seither hat sie sich Sicherheit in den Übungen und einen Namen erarbeitet – bei der Bewertung durch die Punkterichter nicht ganz unwesentlich. „Ich versuche, fehlerfrei zu turnen. Alles andere kommt dann von selbst.“

Der Perfektion am nächsten kommt derzeit Jana Kudrjawzewa. Mit gerade einmal 18 Jahren hat die Russin bereits 13 WM-Goldmedaillen gesammelt und strebt nun in Rio nach der erstmaligen Krönung bei Olympia. Die härteste Konkurrenz erwartet sie aus dem eigenen Land. Russland ist die Gymnastik-Hochburg, hat seit 2000 alle Olympia-Siegerinnen und seit 2009 alle Weltmeisterinnen gestellt.

Medaillen sind für Ruprecht außer Reichweite, für sie steht der olympische Gedanke im Vordergrund. Neben dem Auftritt in der 15.000 Zuschauer fassenden Rio Olympic Arena im Stadtteil Barra träumt sie von einem Spaziergang auf der weltberühmten Copacabana. „Das wird sich diesmal leider nicht ausgehen. Also muss ich im August wiederkommen.“

STECKBRIEF

Nicol Ruprecht
wurde am 2. Oktober 1992 in Innsbruck geboren. Im Alter von sechs Jahren kam sie zur Rhythmischen Gymnastik, seit 2009 trainiert sie unter Nationaltrainerin Luchia Egermann in Wien.

Erfolge
Finale der European Games2015 (6.)
Mehrkampf-Finale bei der WM 2015(20.)
Drei Bronzemedaillen bei Grand Prix.

Rio-Chance
Am Donnerstag turnt Ruprecht beim Rio-Testevent um die Olympia-Qualifikation,ein Platz in den Top sechs würde genügen.

Bereits heute haben die Kunstturnerinnen Lisa Ecker und Elisa Hämmerle die Chance auf ein Rio-Ticket. 34 bis 36 Startplätze werden im Mehrkampf vergeben, jedoch darf gegebenenfalls nur die besser Klassierte Österreich vertreten. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2016)

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