Längst ein Genussmensch

Nach der Radsportkarriere lehrt Gerhard Zadrobilek als Coach den Weg zu mentaler Fitness und züchtet auf seinem Bauernhof Kobe-Rinder.
Nach der Radsportkarriere lehrt Gerhard Zadrobilek als Coach den Weg zu mentaler Fitness und züchtet auf seinem Bauernhof Kobe-Rinder.Privat
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Für den guten Zweck setzt sich Gerhard Zadrobilek beim Gran Fondo in Wien wieder auf das Rennrad. Der Ex-Profi über Giro-Flair, Radsport in Österreich und seine Nachfolger.

Eigentlich hat Gerhard Zadrobilek mit Radrennen längst abgeschlossen. Tour de France, Giro d'Italia, die Frühjahrsklassiker – nach 14 Profi-Jahren kennt er Qualen, Höhen und Tiefen zur Genüge, sodass er sich seit dem Karriereende 1995 nur noch zum reinen Vergnügen in den Sattel schwingt. Für den heutigen Gran Fondo Giro d'Italia Vienna aber macht der 54-Jährige eine Ausnahme. „Für den guten Zweck. Die Veranstalter hätten mich schon in der Vergangenheit gern dabei gehabt“, sagt Zadrobilek.

Im Company Giro begleitet er auf der Halbdistanz als „Pate“ ein Firmenteam, ein Teil der Einnahmen fließt in die Franz Klammer Foundation, die Behindertensportler in der Vorbereitung auf die Paralympics unterstützt. „Ich möchte mich mit niemandem messen, sondern Genuss-Radfahren. Ich will den Fahrern Tipps geben – und ein paar Geschichten erzählen.“ Davon hat er einige im Repertoire.

Aufgewachsen in Breitenfurt bei Wien packte Zadrobilek schon in jungen Jahren die Leidenschaft für das Zweirad. Bei der Österreich-Rundfahrt 1981 eroberte er als 19-Jähriger auf dem Großglockner das Gelbe Trikot und brachte es bis nach Wien. Der sensationelle Triumph katapultierte ihn schlagartig ins Rampenlicht, es folgten Streitigkeiten mit dem Verband, der Wechsel ins Ausland und die ersten großen Rundfahrten. Insgesamt sechs Giro- und drei Tour-Teilnahmen stehen zu Buche, zudem ein Weltcupsieg. 1991 tauschte er Rennrad gegen Mountainbike und kürte sich mit zwei Weltcuperfolgen zum bislang einzigen Sieger in beiden Disziplinen.

Heute arbeitet Zadrobilek als Coach und Motivationstrainer, hält Seminare und Referate. Die eigene Profi-Karriere diente ihm dabei als echte Lebensschule. „Neben der Ausbildung war der Radsport die wichtigste Basis für meinen Job. Dort lernt man entweder mentale Fitness oder man ist weg. Es geht nicht nur darum, Erfolge zu feiern, sondern aus Niederlagen wieder herauszukommen und Ehrenrunden schneller zu absolvieren, schließlich hat man als Profi nur begrenzt Zeit zur Verfügung“, erzählt Zadrobilek, der auch als Ko-Kommentator für den ORF arbeitete und als Dancing Star eine gute Figur machte. Nebenbei erfüllte er sich mit einem Bauernhof in Laab im Walde einen Kindheitstraum, seit 2006 züchtet er dort Kobe-Rinder der japanischen Rasse Wagyu. „Damit bin ich in die Gourmetwelt eingedrungen.“

Das Rad ist nach wie vor sein treuer Begleiter. „Mountainbiken fasziniert mich als Sporterlebnis mit Funfaktor. Das Gerät auf einer Geländeabfahrt im Grenzbereich zu beherrschen, das motiviert, befreit und macht Spaß – ein Weg zum mentalen Wohlbefinden, wenn ein Tag einmal nicht so gut gelaufen ist“, erzählt Zadrobilek. Für den Gran Fondo gibt er nun ein Comeback auf der Straße. „Das letzte Mal ist sicher eineinhalb Jahre her. Ich muss erst schauen, ob das Rad überhaupt noch in Ordnung ist“, scherzt der Ex-Profi, versichert aber: „Die Technik habe ich sicher nicht verlernt.“


Italienische Leidenschaft. Zum dritten Mal macht der Gran Fondo Giro d'Italia als Teil einer weltweiten Serie von City-Radmarathons heuer in Wien Station, neben den beiden Hauptstrecken durch die Stadt, den Wienerwald und das Weinviertel (135 bzw. 68 km) wird auch ein breites Rahmenprogramm für die ganze Familie geboten. Im Vorjahr radelten rund 2000 Teilnehmer mit, auch diesmal soll den Hobbyfahrern wieder die italienische Leidenschaft ein Stück näher gebracht werden. „Ich habe den Giro geliebt. Radsport hat in Italien eine große Tradition, Enthusiasmus und Leidenschaft sind unvergleichbar“, sagt Zadrobilek über die Besonderheit des Giro-Flairs.

Die behördlichen Auflagen für Rennen sind hoch, die Sponsorensuche ist schwierig. Dass der Radsport in Österreich nicht nur aufgrund der dunklen Vergangenheit einen schweren Stand hat, möchte der Ex-Profi dennoch nicht überbewerten. „Jeder Sport hat seine Höhen und Tiefen. Wo ist der Tennissport in den vergangenen Jahren gewesen? Erst dank Dominic Thiem erlebt er jetzt wieder einen Aufschwung“, meint Zadrobilek und blickt optimistisch in die Zukunft. „Es ist ein mühsamer Weg zu einem besseren Status, aber es geht in die richtige Richtung. Veranstaltungen, die die breite Masse ein bisschen mobilisieren, tragen dazu bei.“ Für den Radsport spreche die Nähe der Fans zu den Akteuren. „Bei den Bergankünften fahren die Heroen direkt an einem vorbei, im Gegensatz zu Sportarten wie Skifahren oder Formel 1, bei denen alles abgesperrt ist.“

Die neue Generation heimischer Radprofis lässt auch Zadrobilek auf künftige rot-weiß-rote Erfolge hoffen. „Derzeit findet ein Generationenwechsel statt, Bernhard Eisel tritt bald ab, die Jungen müssen Fuß fassen. Jetzt gilt es, sich weiterzuentwickeln, das Potenzial haben sie“, ist der 54-Jährige überzeugt. Auch für einen Tour-Sieg? „Das wird schwierig, da das von so vielen Faktoren abhängig ist. Aber Etappensiege sind absolut drin.“

Die Fakten

Gerhard Zadrobilekwurde 1961 in Breitenfurt geboren. Mit 19 Jahren gewann er als bislang jüngster Fahrer die Österreich-Rundfahrt. Als Profi feierte er einen Weltcupsieg (1989, San Sebastian), fuhr sechsmal den Giro d'Italia sowie dreimal die Tour de France. 1991 wechselte er aufs Mountainbike, gewann zwei Weltcups.

Gran Fondo Giro d'Italia Vienna
Der City-Radmarathon findet am Sonntag zum dritten Mal in Wien statt. Die zwei Hauptbewerbe führen über 135 (Start 9 Uhr) bzw. 68 km (Start 8.30 Uhr) durch die Stadt, den Wienerwald und das Weinviertel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2016)

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