Sprinttalent Fuchs: "10,15 Sekunden zu unterbieten ist mein Traum"

ATHLETICS - AUT Championships, U18, U23
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Der 20-jährige Perchtoldsdorfer Markus Fuchs hat sich überraschend über 100 Meter für die EM in Amsterdam qualifiziert. Eine Erfolgsgeschichte abseits des Rampenlichts.

Wann ist ein in Österreich geborener Leichtathlet das letzte Mal die 100 Meter schneller als 10,36 Sekunden gesprintet? Selbst heimische Experten kommen bei der Beantwortung dieser Frage in Verlegenheit. Die Auflösung verrät ein Blick ins Archiv des Österreichischen Leichtathletikverbandes (ÖLV): Der Wiener Martin Lachkovics war im Jahr 2000 als 25-Jähriger zu einer für österreichischen Verhältnisse Fabelzeit von 10,26 Sekunden gelaufen. Nun schickt sich mit Markus Fuchs vom ULC Riverside Mödling ein erst 20-Jähriger an, die Rekordlisten auf der klassischen Sprintdistanz neu zu schreiben. Mit einer neuen Bestzeit von 10,36 Sekunden hat sich der junge Perchtoldsdorfer für die 100 Meter bei den Europameisterschaften der Leichtathleten in Amsterdam qualifiziert. Damit hat er etwas geschafft, was in den vergangenen 30 Jahren nur der eingebürgerte Ryan Moseley erreicht hatte.

„Angefangen hat alles vor zehn Jahren, als er als Zehnjähriger dem Leichtathletikverein in Mödling beigetreten ist“ erzählt Markus Fuchs im Gespräch mit der „Presse“. Victoria Schreibeis, die Fuchs nun seit sechs Jahren unter ihren Fittichen hat, hat ihn nach den Schülerjahren indirekt überredet, mit der Leichtathletik weiterzumachen. Schreibeis, selbst als beste nationale Hürdensprinterin vor den Zeiten einer Beate Schrott Teilnehmerin bei internationalen Meisterschaften, stellte ihn damals vor die Wahl: Entweder Markus wechselt auch zum Handball wie seine drei Brüder oder er bleibt bei der Leichtathletik. Beides gehe nicht, so seine Trainerin.

Markus entschied sich für die Tartanbahn und sieht das rückblickend als einen ersten wesentlichen Schritt in seiner noch jungen Karriere: „Mit 14 in die Leistungsgruppe mit älteren Athleten im Verein aufzusteigen und von einer arrivierten Trainerin wie Victoria betreut zu werden, war schon ein erster Meilenstein“.

U-18-Rekord als 16-Jähriger

Von Beginn konnte er mit Spitzenleistungen aufwarten, der Lauf war immer schon eine Stärke des bewegungshungrigen Markus, erzählen seine früheren Trainer. Aber auch der für die leichtathletische Grundausbildung notwendige Mehrkampf wurde trainiert. Von einer zu frühen Spezialisierung raten Experten auch ab. Aber da die Wurfdisziplinen keine Stärke darstellten und auch die Sprungdisziplinen kein wirkliches Asset waren, war der Weg zum Sprint schon vorgezeichnet.

Eine Zeit lang plätscherte die Karriere des Niederösterreichers so dahin. Trotz starker Leistungen fühlte sich der Jugendliche zu wenig beachtet. „Es waren immer die gleichen drei, vier Athleten, um die sich alles drehte. Ich spürte national zu wenig Wertschätzung für meine Leistungen“, sagt Fuchs heute rückblickend.

Dann schnappte er sich etwas unerwartet 2012 als noch 16-Jähriger seinen ersten Österreichischen Rekord in der U-18-Klasse, als er in Amstetten bei den nationalen Meisterschaften eine 10,76 auf die Bahn zauberte. International eine eher unbedeutende Leistung, in Österreich damals immerhin schon Rang zwei in der nationalen Bestenliste hinter Ryan Moseley, einem Briten mit barbadischer Herkunft, der aufgrund einer Heirat Österreicher wurde.

Ziel für 2016 mehr als erfüllt

Auch eine Verletzung konnte den Perchtoldsdorfer in der Folge nur vorübergehend stoppen. 2015 zündete Fuchs seinen nächsten Turbo. Eine Verbesserung auf 10,56 Sekunden war auch eine Folge der Teilnahme bei der Hallen-EM in Prag, zu der er vom ÖLV ohne Limit entsandt wurde. Zwei Zehntel über 100 Meter in einem Jahr sei schon viel, so die gelernte Sportwissenschaftlerin Schreibeis „Er könne sich selbst ganz gut motivieren. Ich will immer das erreichen, was ich mir selber vorgenommen habe“, sagt Fuchs. Die Zeit sei ihm meistens wichtiger als die Platzierung. "Wenn ich mit einer mittelmäßigen Zeit einen Briten besiege, bin ich nicht zufrieden."

Als sich Schreibeis und Fuchs im Herbst 2015 zum alljährlichen Zielsetzungstermin für die kommende Saison trafen, waren die Europameisterschaften in Amsterdam kein wirkliches Thema. Trainerin und Athlet einigten sich auf das Jahres-Ziel von 10,45 Sekunden, einer abermaligen Verbesserung der Fuchs-Bestzeit um mehr als ein Zehntel. Die Norm für die Europameisterschaft lag bei 10,38 Sekunden. „In der langen Wintervorbereitung habe ich zwar schon das eine oder andere Mal so aus Motivationsgründen das Zauberwort Amsterdam fallen gelassen“, erzählt die Trainerin. Aber man habe realistisch nicht daran denken dürfen, nur träumen.

PK OeSTERREICHISCHER LEICHTATHLETIK-VERBAND VOR EM IN AMSTERDAM: FUCHS
PK OeSTERREICHISCHER LEICHTATHLETIK-VERBAND VOR EM IN AMSTERDAM: FUCHSAPA/GEORG HOCHMUTH

Doch ziemlich bald musste man die Zielsetzung für 2016 korrigieren. Fuchs war im Mai in St. Pölten mit 10,42 Sekunden in die Saison eingestiegen. „Ich wusste, das war kein Glückslauf“, sagt Fuchs. Ab diesem Zeitpunkt war Amsterdam plötzlich ein festes Ziel. Und im fünften Anlauf unterbot Fuchs bei den NÖ-Landesmeisterschaften unterstützt von optimalen Windverhältnissen – der Veranstalter hatte Fuchs zuliebe sogar die Laufrichtung der 100 Meter gedreht – tatsächlich das EM-Limit. „In Amsterdam will ich meine Entwicklung mit einer neuerlichen 10,30er-Zeit unterstreichen“, sagt der Niederösterreicher. Und man ist geneigt ihm das auch abzunehmen. Fuchs entspricht keinesfalls dem Stereotyp eines muskelbepackten, arroganten Sprinters. Man könnte ihn auch durchaus anderen Sportarten zuordnen. Er ist ein selbstbewusster, aber nicht überheblicher junger Mann.

Bestes Sprinteralter zwischen 25 und 30

25 bis 30 Jahre, das hält Schreibeis für das beste Sprinteralter. Da käme Olympia in Tokio 2020, Fuchs ist dann 25, durchaus gelegen. Aber ist eine Olympia-Teilnahme für einen heimischen Sprinter überhaupt realistisch? Das Duo bremst die Erwartungen, man plane von Saison zu Saison. Zudem wisse man nicht, ob das Limit, das derzeit bei 10,16 Sekunden liegt, nicht doch angehoben werde. Der internationale Verband mache ja verstärkt Anstrengungen im Kampf gegen Doping und dabei könnten auch die Limits noch nach oben gesetzt werden. Doch dann lassen die beiden im Gespräch doch ein paar Einblicke in die Tokio-Gedanken zu. Wenn die 10,16 Sekunden als Limit bleiben, könnte Rio ein Ziel sein. Schreibeis hält eine Zeit von 10,20 Sekunden für Fuchs für realistisch.

Vergleiche mit den Zeiten von Athleten, die in der Ewigen Bestenliste vor ihm liegen, hält Fuchs für schwierig. Den österreichischen Rekord hält ein Sprinter (Anmerkung: Andreas Berger), der später wegen Dopings gesperrt wurde. Ebenso liegen in der Rangliste drei vor ihm, die 1993 wegen Dopingvergehen aus dem Verkehr gezogen wurden. Da blickt EM-Teilnehmer Fuchs schon lieber über die Grenzen und nimmt den Deutschen Julian Reus als Maßstab, der als U-23-Athlet 10,27 Sekunden gelaufen ist und jetzt in der Allgemeinen Klasse Zeiten unter 10,10 auf die Bahn bringt. Gehe man davon aus, dass Reus diese Leistungen legal erzielt habe und Fuchs, der nächstes Jahr noch in der U-23-Klasse starten darf, sich weiter verbessere, könnte das die Richtung sein, in die es in den kommenden Jahren hingehen könne. „Den österreichische Rekord von 10,15 Sekunden zu unterbieten ist mein Traum“, zeigt sich Fuchs überzeugt von seinem Potential.

Kein Platz beim Heeressport

Das ist auch der wohl arrivierteste Sprinttrainer Eduard Holzer, der schon zahlreiche heimische Hochkaräter wie Clemens Zeller unter seinen Fittichen hatte, und vom neuen heimischen Sprint-Ass schwärmt. „Markus Leistungen sind für einen weißen Sprinter seines Alters außergewöhnlich, vor allem auch die Leistungsdichte und die vielen Läufe mit einer 10,40er Zeit“, zeigt sich Holzer begeistert. Rosen streut er auch der Trainerin: „Ich glaube, dass Markus bei Schreibeis in sehr guten Händen ist. Dafür spricht auch, dass er über einen längeren Zeitraum verletzungs- und beschwerdefrei geblieben ist.“ Im Hinblick auf Tokio müsse man einfach abwarten, da die Sprint-Limits sehr hoch angesetzt sind. Eine Olympiaqualifikation im Sprint sei sehr schwer möglich, jedoch nicht ganz auszuschließen, so der Kremser Trainer.

Davon war eine Sport-Kommission vor wenigen Monaten noch nicht überzeugt, als sie den 20-Jährigen im Frühjahr nach sechs Monaten als Heeressportler ausmusterte. Er blickt ohne Zorn auf diese Situation zurück. Obwohl inoffiziell keiner an seiner Weiterverpflichtung zweifelte, fiel er als zehntgereihter Leichtathlet – für die LA gibt es nur neun Plätze – dann wegen bürokratischer Hürden aus dem System. Weil er mit einem monatlichen Fixbudget doch besser planen könne, startete Fuchs nun einen neuerlichen Anlauf. Und die Chancen für kommenden Herbst scheinen nicht schlecht zu stehen, zumal die Leistungsentwicklung bei der Aufnahmeentscheidung ein wichtiger Faktor sein soll. Andernfalls will er eine Physiotherapie-Ausbildung an einer Fachhochschule beginnen.

Aber vorerst steht die EM in Amsterdam vom 6. bis 10.Juli im Fokus. Fuchs ist unter den 43 gemeldeten Sprintern nach der Zeit der 32-Schnellste, nur vier sind jünger als er. Neben der Sprinter-Hoffnung gehen weitere 17 heimische Athleten an den Start. Der ÖLV stellt damit das größte EM-Aufgebot seit Stuttgart 1986. Ziel für die heimische Elite sind nach dem Ausfall von Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger, der zuletzt in starker Form agierte, Top-Acht-Platzierungen.

Sprinter Markus Fuchs

Markus Fuchs , Jahrgang 1995, unterbot am 25. Juni 2016 mit 10,36 Sekunden das Limit für die LA-EM in Amsterdam. Er lief dabei die beste Zeit eines gebürtigen Österreichers seit dem Jahr 2000. Der Athlet des ULC Riverside Mödling wird seit 2009 von der ehemaligen Hürdersprinterin Victoria Schreibeis trainiert.

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