Tour de France: Das Surren der Rennräder

Solche Bilder liefert nur die Tour de France: Der Tross zieht in die Berge, durch das Zentralmassiv.
Solche Bilder liefert nur die Tour de France: Der Tross zieht in die Berge, durch das Zentralmassiv. (c) APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Nicht nur mit Chemie, auch mit Elektromotoren wird manipuliert. Der Belgier Luc Geysen kontrolliert das Peloton mit Wärmebildkameras.

Le Lioran. Luc Geysen ist dieser Tage schwer beschäftigt. Der Belgier ist Radsport-Fan durch und durch, er kennt alle Fahrer, Teams, er ist Teil der Tour de France. Geysen wartet aber nicht am Straßenrand auf die Helden des Peloton, sondern sucht sie schon auf, noch ehe sie zum Start einer Etappe rollen. Geysen ist beim Radsport-Weltverband UCI zuständig für das neue heiße Thema – er ist der Chefkontrolleur in Sachen „Motordoping“.

Mit diesem Begriff kann er jedoch gar nichts anfangen, er nennt die neue Pein im Radsport „technische Manipulation“. Es geht um die Suche nach Hilfsmitteln, zumeist sind es kleine, nein winzige Elektromotoren, die für zusätzlichen Antrieb sorgen. Und vor dem Start der 6. Etappe in Le Lioran im Zentralmassiv wurden im Rahmen einer Razzia 188 Räder unter die Lupe genommen. Ob ein Motor gefunden wurde, behielt Geysen vorerst für sich.

Hilfe der Atomenergiebehörde

Bislang wurden bei der 103. Auflage der Grande Boucle über 800 Räder inspiziert, jeder Starter hat mehrere Bikes mit, jedes Team fährt zig Ersatzräder auf Begleitfahrzeugen quer durch das Land. UCI und Tourveranstalter ASO gehen mit zwei Methoden gegen mögliche Betrüger vor: Vor und nach den Etappen werden die Dienstfahrzeuge der Radprofis „mit Scannern geprüft, die auf Magnet-Frequenzen reagieren“, erklärt Geysen.

Dazu werden neuerdings von der französischen Atomenergiebehörde entwickelte Wärmebildkameras – die Kameramänner sitzen auf Motorrädern – während des Rennens eingesetzt. Und Geysen ist der Mann, der zum ersten und bislang einzigen Mal fündig wurde. Am 30. Jänner enttarnte der Belgier Femke Van den Driessche bei der Cross-WM. „Ehrlich – es hat mich überrascht“, erzählte der sonst überaus verschwiegene Mann in Frankreich offen vor Journalisten. Seine Landsfrau, eine 19-jährige Belgierin, wurde prompt für sechs Jahre gesperrt und beendete daraufhin die erst begonnene Karriere.

Luc Geysen und sein Tablet: Der Belgier kontrolliert Rennräder – und sucht E-Motoren.
Luc Geysen und sein Tablet: Der Belgier kontrolliert Rennräder – und sucht E-Motoren.(c) REUTERS

Tretlager und Hinterradnabe

Wo aber sind die Motoren eingebaut, warum fällt das nicht auf? Im Radsport wurde doch schon vor Jahren bei Allzeitgrößen gemutmaßt, sie hätten gewisse Extras eingebaut. Die Wärmebildkameras reagieren auf die erhitzten Beine der Fahrer, aber Geysen und seine Kollegen haben den geschulten Blick für Antriebe im Tretlager oder in der Hinterradnabe mit Magnetsystemen.

„Ich sage nicht, wann, wie und wo wir kontrollieren. Ich spreche nicht über Details“, gab der Detektiv zu Protokoll.
Jean-Pierre Verdy, bis 2015 Direktor des Kontrollbereichs der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, hatte in der Fachzeitschrift „Tour“ unlängst behauptet, im Vorjahr seien zig Fahrer mit versteckten Motoren unterwegs gewesen. Er nannte weder Namen, noch legte er Beweise vor. Doch die Dreistigkeit der jungen Belgierin und die Erinnerungen an ein vermeintliches „Elektro-Moped“ beim Klassiker Paris – Roubaix 2010 oder beim Giro d'Italia schreckten auf. Nicht mehr nur verbotene Substanzen werden gesucht, von nun an auch Elektro-Updates.

Egal ob Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin, Österreichs Veteran Bernhard Eisel oder Aufsteiger John Degenkolb – sie alle sehen „keinen moralischen Unterschied zwischen mechanischer und chemischer Manipulation“. Nur die Entsorgung des Rades vor der Kontrolle mutet (Laien) um einiges schwieriger an als der geschulte Wurf mit dem Blutbeutel . . .

5. Etappe (Limoges – Le Lioran/216 km): 1. Greg van Avermaet (BEL) BMC 5:31:36 Std.; 45. Konrad (AUT) Bora 10:18 57. Preidler (AUT) Giant 13:45.

Gesamt: 1. Van Avermaet 25:34:46 Std.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2016)

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