Tour de France: Schrecken und Sorge fahren mit

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CYCLING-FRA-TDF2016-LINEAPA/AFP/JEAN-PHILIPPE KSIAZEK
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Im Tour-Tross herrscht nach dem Anschlag in Nizza Betroffenheit. „Wir wollen nicht nachgeben“, erklärte Direktor Christian Prudhomme die Fortsetzung der Rundfahrt.

Bourg Saint Andeol/Wien. Mit seinem Zwischensprint zu Fuß auf dem Mont Ventoux hat Chris Froome am Donnerstag für ein seltenes Highlight bei der Tour de France gesorgt. Derartige Szenen gab es in der 113-jährigen Geschichte der Rundfahrt nur selten zu bestaunen, 1913 brach etwa dem Franzosen Eugene Christophe bei der Abfahrt vom Tourmalet die Radgabel. Da es damals weder Begleitwagen noch Ersatzräder gab, ging bzw. rutschte er die Kehren hinunter und konnte erst in einer Schmiede im Tal sein Rad reparieren. Im Gegensatz zum aktuellen Fall hatte die Rennleitung damals kein Einsehen, bestrafte den Franzosen sogar, weil er sich bei der Arbeit hatte helfen lassen.

Froome durfte das Gelbe Trikot nach dem Juryspruch behalten, doch schon am Tag danach war die Hochstimmung beim Briten passé. Die Schreckensmeldung des Anschlags in Nizza drückte auch die Stimmung im nur rund 200 km nordwestlich lagernden Tour-Tross. „Die Gedanken sind bei denen, die von dem schrecklichen Terroranschlag betroffen sind“, schrieb Froome auf Twitter. Die Überlegung, die Etappe abzusagen, wurde jedoch rasch verworfen. „Wir wollen nicht dem Druck der Menschen nachgeben, die unsere Lebensweise ändern wollen. Wir wollen diesen Tag nutzen, um die Opfer zu würdigen“, erklärte Tour-Direktor Christian Prudhomme nach einem Krisentreffen mit Polizei, Behörden und regionalen Veranstaltern. Alle Festivitäten wurden jedoch abgesagt, vor dem Start wurde eine Schweigeminute abgehalten.

Zwischen Vertrauen und Angst

600 zusätzliche Sicherheitskräfte kamen am Freitag beim Zeitfahren zwischen Bourg-Saint-Andeol und La Caverne du Pont-d'Arc zum Einsatz, entlang der 37,5 km langen Strecke patroullierten schwer bewaffnete Polizisten in kugelsicheren Westen. Dass das Rennen trotz der Umstände fortgesetzt wurde, erntete überwiegend Zustimmung. „Was ist das nur für eine Welt“, sagte Patrick Lefevere, Teamchef des Rennstalls Etixx-Quickstep, und betonte: „Wären wir nicht gefahren, hätten die Terroristen vielleicht das bekommen, was sie wollen.“ Der deutsche Teamchef Rolf Aldag vom Rennstall Dimension-Data, dem Bernhard Eisel angehört, hatte seinen Fahrern einen Ausstieg offengelassen. „Wenn jemand sich in seiner Sicherheit bedroht fühlt, kann er natürlich heimfahren“, sagte Aldag. Sie blieben im Rennen, wie die Profis des deutschen Giant-Alpecin-Teams, darunter Georg Preidler. „Wir vertrauen den Sicherheitskräften. Man muss weitermachen“, sagte Giant-Manager Iwan Spekenbrink. Ex-Weltmeister Rui Costa hingegen äußerte Bedenken. „Ich fühle mich in Frankreich nicht sicher. Der Radsport bringt Tausende Menschen an einem Ort zusammen. Es ist ein einfaches Ziel. Ich habe Angst um die Fahrer und die Fans“, sagte der Portugiese.

Die Fahrt gegen die Uhr auf dem anspruchsvollen Kurs mit zwei Anstiegen gewann Tom Dumoulin (NED). Froome wurde Zweiter und führt in der Gesamtwertung nun vor Bauke Mollema (NED, +1:47 Min.). Für die ausstehenden Etappen bis zur Zielankunft am 24. Juli in Paris werden die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen – 23.000 Polizisten und Gendarmen, dazu die Spezialeinheit GIGN sowie private Sicherheitsleute im Start- und Zielbereich – noch einmal erhöht. Die Angst fährt dennoch mit. (ag./swi)

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Die Presse Community-Team (mkf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2016)

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