Tour de France: Der gläserne Radsportler ist keine Illusion

Zum Auftakt der Alpenkletterei gastierte die Tour de France in der Schweiz.
Zum Auftakt der Alpenkletterei gastierte die Tour de France in der Schweiz. (c) APA/AFP/JEFF PACHOUD
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Dimension Data, Sponsor des gleichnamigen Teams, macht mit Renndaten in Echtzeit die Leistungen der Fahrer so transparent wie nie. Die Technologie würde noch viel mehr zulassen, bisher sträuben sich die Rennställe. Auch Betrug durch Motordoping wäre wohl nachweisbar.

Finhaut/Wien. Christopher Froome fährt um einen Kilometer pro Stunde schneller als der Rest. Der Gesamtführende der Tour de France hat die 2922 Kilometer der ersten 16 von 21 Etappen mit durchschnittlich 40,21 km/h zurückgelegt. Zum Vergleich: Das gesamte Peloton war im Schnitt mit 39,16 km/h unterwegs. Bei den 45 Anstiegen brachte es Froome auf 27,84 km/h, das Feld hingegen nur auf 25,49 km/h.

Das südafrikanische Unternehmen Dimension Data hat diese Zahlen vor dem Showdown der 103. Rundfahrt in den Alpen veröffentlicht. Hinter dem Sattel hat der Sponsor des gleichnamigen Rennstalls die Rennräder aller Fahrer mit GPS-Sensoren ausgestattet und stellt die Daten im Internet in Echtzeit zur Verfügung. Position, Abstand, Geschwindigkeit, Steigung, Windstärke, Windrichtung – alles ist für Experten und Fans einsehbar.

„Vor zwei Jahren ist noch die Dame mit der Tafel auf dem Motorrad gesessen und hat mit der Stoppuhr die Abstände gemessen“, sagt Jürgen Horak, 38-jähriger CEO von Dimension Data Österreich. Heute wird direkt von den Rädern über Begleitfahrzeuge und einen Helikopter zum Datencenter im Lkw am Zielort gesendet.

Nicht nur die Fans, auch die Teams profitierten davon, erklärt Horak. Bisher standen ihnen nur ihre eigenen Radcomputer zur Verfügung, nun auch zahlreiche Kennzahlen der Konkurrenz. Das Dimension Data Team, für das unter anderem der Steirer Bernhard Eisel fährt und das mit dem mittlerweile aus der Tour ausgestiegenen Mark Cavendish und Steve Cummings fünf Etappensiege holte, analysiert so auch die Rennstrategie. Knapp 70 km/h erreichen Topsprinter wie Cavendish im Finale, die Daten zeigen aber auch, ob das Tempo gehalten und ob möglicherweise zu früh oder zu spät attackiert wurde.

Ein zusätzliches Service also, aber die wirklich sensiblen Daten lassen weiter auf sich warten. „Es wäre noch viel mehr möglich“, sagt Horak. Sein persönlicher Eindruck: Den Teams fehle mitunter die Offenheit. Mit zusätzlichen Sensoren wären etwa Wattanzahl und Herzfrequenz messbar. „Ich kann auch einen Chip in eine Trinkflasche einbauen, um zu sehen, wie viel der Fahrer auf dem letzten Kilometer getrunken hat. Es ist nur die Frage, wie weit man gehen will.“

Aufseiten der Rennställe offenbar nicht allzu weit. Denn auch die aktuell erhobenen Daten ließen weit mehr Rückschlüsse zu – Stichwort E-Doping, also Betrug mit versteckten Motoren. Dem obersten Analytiker bei der Tour zufolge sei man mit bestimmten Algorithmen in der Lage, solche Anomalien festzustellen, erzählt Horak. Gemacht wird das derzeit aber nicht, der Internationale Radsportverband müsste einen Auftrag geben. Und das wiederum muss mit den Teams abgesprochen werden. Horak meint: „Die Technologie ist weniger der einschränkende Faktor. Die Frage ist, wie transparent wollen die Teams werden.“ Drei Jahre läuft die Technologiepartnerschaft mit der Tour mindestens noch, früher oder später werde man Neues bieten müssen, ist Horak überzeugt. „Der Druck wird von den Fans kommen“, glaubt der ambitionierte Marathonläufer.

Froome weiter unantastbar

Bei der 17. Etappe am Mittwoch von Bern hinauf zum Lac d'?mosson im Schweizer Kanton Wallis (184,5 km) feierte der Russe Ilnur Zakarin (Katusha) einen Solosieg. Auf dem ersten der vier schweren Teilstücke in den Alpen hat Froome seinen Vorsprung in der Gesamtwertung weiter ausgebaut, der britische Sky-Kapitän führt nun 2:27 Minuten vor dem Niederländer Bauke Mollema.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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