Judo: Handarbeit ist immer hoch im Kurs

Gut angekommen: Ludwig Paischer ist von Rio de Janeiro begeistert
Gut angekommen: Ludwig Paischer ist von Rio de Janeiro begeistert(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Judoka Ludwig Paischer, 34, bestreitet in Rio seine letzten Spiele. Ob der Abschied mit einer Medaille gelingt, ist offen – der Salzburger will am Samstag jedoch „tüchtig zupacken“.

Rio de Janeiro. Die Bezeichnung, ein Pyjamaraufer zu sein, hört Ludwig Paischer gar nicht gern. Er trage eine knöchellange Hose (Zubon), eine weiße Jacke (Uwagi), geschmückt durch einen, für Könner, schwarzen Gürtel (Obi). Und, Judo, der „sanfte Weg“ um jeden Gegner auf die Matte zu legen, sei doch längst wirklich ein Weltsport. Der Flachgauer, 34, lacht, man kennt sich seit über einem Jahrzehnt, und wenn Olympische Spiele auf dem Programm stehen, wirkt Paischer stets besonders locker.

In Rio de Janeiro erlebt er seine vierten Spiele, am Samstag steht er in der Klasse bis 60 Kilogramm auf der Matte. Der Salzburger kam direkt aus São Paulo ins Österreich-Haus in Botafogo, er absolvierte ein Trainingslager mit Brasilianern und Koreanern, die die besten dieses Fachs wären, und daher wähnt er sich für Siege bereit. „Der Kopf ist frei, ist muss nur noch richtig zupacken.“

Kraftvoll zupacken

Wer ihm denn dann gegenüberstehen wird, ist ihm letztlich gleich, Paischer wolle es in Wahrheit vorab gar nicht wissen. Er würde dann zu viel darüber grübeln, über Griffe, Technik, Tricks. Woran er allerdings keinerlei Zweifel aufkommen lässt, ist der Umstand, dass es in Rio de Janeiro seine „letzten Spiele sind. Definitiv.“

Paischer sagt, er habe längst alles gewonnen, und wenn er das erzählt, sieht man, wie sehr sich Gestik, Körperhaltung und Mimik verändern. Man spürt, dass es ihn doch wurmt, nicht immer Erfolg gehabt zu haben. Er gewann in Peking Silber, eine von nur fünf Olympiamedaillen im österreichischen Judo überhaupt. Das mag in Vergessenheit geraten sein, „doch diese Medaille von 2008 gab mir Berge“. Dass er 2004 in Athen als amtierender Europameister gegen Weltmeister Choi Min-ho, freilich ein Koreaner, in der ersten Runde ausschied, war erklärbar. Das Aus in London 2012 gegen den Usbeken Rischod Sobirow hinterließ aber eine Leere. Dass ihm Choi, heute Cheftrainer der Koreaner, Glück gewünscht habe, freute den Salzburger ungemein, doch er wolle keine Hände schütteln, sondern einfach nur tüchtig zupacken.

Er könne jeden schlagen, beteuert Paischer, und nun verhieß seine Mimik etwas anderes. Sie verriet Zuversicht, den Glauben an den Auftrag, das Verlangen. Diesen Samstag wolle er genießen, seine Chance suchen, dafür ist er einmal mehr bereit, Opfer zu bringen. „Ich verzichte wie immer auf die Eröffnungsfeier“, sagt Paischer. „Ich schaue sie mir auch nicht im Fernsehen an. Liu Jia trägt unsere Fahne, das weiß ich. Es macht mich stolz.“ Lieber gehe er früh schlafen, er wolle optimal vorbereitet sein.

Der zweimalige Europameister (2004, 2008) habe viel Gewicht verloren, eisern trainiert und „alle Blockaden ausgeräumt“, die ihn in den vergangenen Jahren um viele Erfolge gebracht haben. Sein letzter von insgesamt neun Weltcupsiegen seit 2003 liegt vier Jahre zurück, es war zumeist eine Frage der Nerven oder die Folge von Verletzungen. Dass er 2009 hier in Rio siegreich war, ging beinahe unter, es sei schon viel zu lang her. Auch dass kein weiterer Judoka mehr aktiv ist, der mit ihm 2004 bei Olympia gekämpft hatte, blieb nur ein Detail am Rande.

„Das Leben einfach genießen“

Der Judo-Doyen, Vizeweltmeister von 2005, diese Bezeichnung hörte er gern, er hat nach zehn Meistertiteln und über 20 Jahren im Judo auch eine überaus vernünftige Einstellung zu Karriere, Leben und Sport. Paischer sagt: „Ich werde nie anfangen, mich über etwas zu ärgern oder aufzuregen, was ich nicht ändern kann.“ Dass es ein Nachteil ist, wenn man so lange schon im Geschäft ist, weiß Paischer. „Der Überraschungsmoment fällt weg, man kennt mich“, sagt er. Also werde er sich nicht aufregen, sollte es mit der zweiten Olympiamedaille nicht klappen – im Gegenteil. „Ich war dabei, ich bin hier in Rio de Janeiro. Ich will mein Leben so richtig genießen.“

ÖSTERREICHS JUDOTEAM IN RIO

Sabrina Filzmoser (bis 57 kg), Kathrin Unterwurzacher (bis 63), Bernadette Graf (bis 70), Ludwig Paischer (bis 60), Daniel Allerstorfer (über 100).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2016)

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