Volleyball: Samba und Voleibol als Kulturgut

Volleyball bei den Olympischen Spielen ist ein Spektakel. Vor allem dann, wenn Brasilien spielt.
Volleyball bei den Olympischen Spielen ist ein Spektakel. Vor allem dann, wenn Brasilien spielt.(c) APA/AFP/LAURENT KALFALA
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Brasilianer lieben dieses Spiel, es spiegelt den Großteil der Gesellschaft wider. Die Ansprüche an die Seleção könnten freilich höher nicht sein, für den Gastgeber zählt nur Gold.

Rio de Janeiro. „Braaaaaasiiiiiiiilllllll!“ Wenn man es nicht ohnehin schon wüsste, dass man in Brasilien, Rio de Janeiro und bei den Olympischen Spielen ist, spätestens nach dem Besuch des Maracanãzinho wäre es wohl endgültig verinnerlicht. Zwei Stunden lang gaben 10.000 Besucher, DJ, Moderator und auch Seleção-Teamchef Bernardo Resende alles, damit die Auswahl den Turnierauftakt gegen Mexiko gewinnt. Und natürlich, der Gastgeber siegte mit 3:1, und die Sporthalle war ein Tollhaus.

Aber, die Seleção, in einer Halle? Nicht Neymar und Co. wurden hier so impulsiv, mit Samba- und Beatrhythmen angefeuert, sondern die Seleção de Voleibol. Es war ein einzigartiges Erlebnis. Schon frühmorgens drängten die Massen zu den Eingängen, rund um die kleine Halle hinter dem ehrwürdigen Fußballpalast waren auch alle Beisln gut gesucht. Es war ein Mix aus Kindern, Jugendlichen, Familien – und Nachtschwärmern, die direkt aus der Disco zum Volleyball kamen. Aber keiner drängelte, Brasilianer lieben die Ordnung, kennen das Anstellen und lehnen Drängler kategorisch ab.

Samba: Service mit 113 km/h!

Kennt man in Europa bei Aufstellungen zu einem Fußballspiel schnell alle Daten eines Spielers, ist das in Rio auch beim Volleyball Pflicht. Name, Alter, Klub, Position, auf der Videowall wurden nebst anderem Entertainment alle Fakten eingespielt. Dass Evandro etwa, 1,98 Meter groß, mit den Fingerspitzen bis auf 3,59 Meter hoch springen kann, imponiert. Dass er auf 3,32 Meter noch jeden Ball mit der Handfläche blocken kann, ist aber fürwahr eine hohe Kunst.

Zwischen Samba, Jubel, Applaus, Ansagen von „Out“, „Ace!“, „Super Block – no: Monster Block!“ und „Challenge“, wie im Tennis werden auch beim Volleyball strittige Situationen mit dem Videorichter kontrolliert, gab es Spitzensport. Smash, Block, Aufspiel, Service mit beachtlichen 113 km/h (Éder); und sukzessive begann man als Europäer wohl auch nur ansatzweise zu verstehen, warum denn diese Sportart hier in Brasilien derart begeistert und in Österreich ihr Dasein fristet. Aber: Zwischen Sport in Turnhallen, Spitzen-Show in Arenen mit grandiosem Entertainmentprogramm, allem voran aber der nötigen Identifikation und wirklich guten Spielern, liegen knapp 10.000 Kilometer.

Brasilien ist seit 1964 durchgehend bei Olympia dabei, die Herren müssen nun aber nach 1992 und 2004 unbedingt das dritte Gold gewinnen. Die Damen müssen das dritte Gold in Serie erobern nach 2008 und 2012, daran gibt es kein Vorbeikommen. Doch José Roberto Guimarães, er betreut die Damen, weiß, wie man Gold gewinnt. Er führte die Herren 1992 in Barcelona zum Sieg, nun greift er mit den Ladies nach dem Hattrick. Hier nennen sie ihn Zé Roberto, „er kennt die Antwort auf Fragen, die noch gar nicht gestellt wurden“, sagt Botafogo-Portier João.

Das Spielfeld, eine heile Welt

Die Begeisterung nimmt bei jedem Ballwechsel der Herren zu. Es ist so laut geworden, dass man sich selbst nicht mehr hört. La Ola macht die Runde, jeder hält sein leuchtendes Smartphone in die Höhe, und es wirkt, als wäre man plötzlich in einem Sternenmeer. Träumen ist erlaubt, weitere Gruppenspiele gegen Italien, Frankreich, USA und Kanada versprechen ein ähnliches Bild. Ob sie auch so deutlich, imposant gewonnen werden wie gegen Mexiko (-23, 19, 14, 18), bleibt abzuwarten. Fix hingegen ist jetzt schon der Ablauf nach dem Spiel. João sagt, das sei im Volleyball immer so.

Nach Spielende laufen die Spieler schnurstracks zu ihren Fans, machen Selfies, posieren für Fotos, schreiben Autogramme auf Bälle und kicken sie ins Publikum. Es sind Stars, die Millionen in Modena oder Izmir verdienen, großteils in der vergangenen Saison auch in der Heimat, damit jeder schnell beim Team sein konnte. Volleyball ist in Brasilien ein Stück Kulturgut, in diesem Spiel spiegelt sich ein Großteil der Gesellschaft wider. Man hat Spaß, lacht, tanzt, man macht alles zusammen. Hier kennt man keinen Grant. Unter diesem Netz ist die Welt in Brasilien noch vollkommen in Ordnung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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