Paralympics: Ein Fest mit Rekorden und Emotionen

TOPSHOT-OLY-2016-RIO-PARALYMPICS-CLOSING
TOPSHOT-OLY-2016-RIO-PARALYMPICS-CLOSING(c) APA/AFP/SIMON BRUTY FOR OIS/IOC
  • Drucken

Rio de Janeiro zelebrierte trotz aller Befürchtungen die Sommerspiele der Behindertensportler. Sportliche Höchstleistungen und ein frenetisches Publikum begeisterten.

Rio de Janeiro/Wien. Am Ende war es das erhoffte Fest geworden. Als „exzellente Spiele“ lobte Sir Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), in seiner Rede bei der Abschlusszeremonie am Sonntag die 15. Paralympics der Geschichte in Rio de Janeiro. Mit der Schlussfeier setzten die Gastgeber einen weiteren Höhepunkt, die Sportler tanzten zur Musik von Brasiliens Stars Vanessa da Mata und Ceu und verwandelten das Maracanã-Stadion in eine riesige Partyzone. Erst starker Regen setzte dem bunten Treiben ein Ende.

Zuvor war eine Schweigeminute für den am Samstag nach einem Radunfall gestorbenen Iraner Bahman Golbarnezhad abgehalten worden. „Die paralympische Familie ist angesichts dieser Tragödie in Trauer vereint“, sagte Craven. Bereits bei Olympia hatte es einen Todesfall zu beklagen gegeben, als der deutsche Kanu-Trainer Stefan Henze nach einem Unfall seines Taxis seinen schweren Kopfverletzungen erlag.

Hatten finanzielle Engpässe und mangelndes Publikumsinteresse im Vorfeld für böse Vorahnungen gesorgt, bewahrheiteten sich diese nicht. An den zwölf Wettkampftagen wurden über zwei Millionen Zuschauer gezählt, die zweitmeisten nach London 2012 (2,7 Millionen). Vielleicht öffnet der Besucheransturm auch dem IOC die Augen, seine Preispolitik zu überdenken. Im Gegensatz zu den olympischen waren die meisten paralympischen Bewerbe – auch dank günstiger Tickets – nicht nur offiziell, sondern tatsächlich ausverkauft. Die Stimmung auf den Rängen war von Freude und Herzlichkeit geprägt, Schmähgesänge oder Buhrufe waren diesmal nicht zu hören. „Familien brachten all ihre Kinder, ihre Großeltern mit, um dabei zu sein. Ein großartiger Erfolg“, schwärmte Craven.

Momente mit Gänsehaut

4289 Athleten aus 159 Ländern begeisterten mit sportlichen Höchstleistungen, Österreich gewann neun Medaillen. Insgesamt wurden in den 528 Bewerben nicht weniger als 209 Weltrekorde aufgestellt. Einen davon erzielte der sehbeeinträchtigte Algerier Abdellatif Baka bei seinem Sieg über 1500 Meter in 3:48,29 Minuten, womit er wie die drei folgenden Athleten unter der Gewinnerzeit von US-Olympia-Sieger Matthew Centrowitz, der bei einem taktisch geprägten Rennen triumphiert hatte, blieb. Auch die belgische Rollstuhlfahrerin Marieke Vervoort, Silbermedaillengewinnerin über 400 Meter, sorgte für einen emotionalen Moment. Vor den Spielen hatte die 37-Jährige, die an extremen Muskelschmerzen und epileptischen Anfällen leidet, davon gesprochen, sich mit aktiver Sterbehilfe das Leben zu nehmen, in Brasilien sagte sie nun: „Diese Zeit ist noch nicht gekommen.“

Das lateinamerikanische Alltagschaos ließ sich freilich auch bei den Paralympics nicht ganz verhindern, doch Tausende Volunteers in gelben und grünen Shirts bügelten mit Herzlichkeit so manche organisatorische Schwäche aus. Das IOC steht damit einmal mehr vor der Grundsatzfrage: Prunk und Perfektion oder Bescheidenheit und Improvisation. Schließlich war Rio 2016 der Versuch, mit kleinerem Budget (10,3 Milliarden Euro Gesamtkosten, fast zu 60 Prozent privat finanziert) die Veranstaltungen zu organisieren.

Nichtsdestotrotz droht der brasilianischen Metropole das Athener Schicksal. Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist quasi pleite, die Investitionen in Infrastruktur und Verkehr kommen nur einem Teil der Bewohner zugute. So wird der Olympia-Park in Barra zwar zu einem Schul- und Sportzentrum umgewandelt, der Vorort ist allerdings geprägt von der weißen Mittel- und Oberschicht. Der weit ärmere Norden geht hingegen weitgehend leer aus, in den Favelas ist die Gewalt im Schatten der Spiele sogar gestiegen.

AUF EINEN BLICK

Rio de Janeiro verabschiedet sich nach 17 Tagen Olympia und zwölf Tagen Paralympics wieder von der Weltbühne. Insgesamt 2,1 Millionen Zuschauer besuchten die 528 Wettbewerbe der Behindertensportler, in denen 209 Weltrekorde aufgestellt wurden.

Das Staffelholz ging weiter an Tokio, das 2020 als nächster Gastgeber fungiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Olympia

Paralympics als Erfolgsgeschichte

Österreichs Sportler eroberten in Rio neun Medaillen, die Erwartungen wurden damit übertroffen. Ein tödlicher Unfall beim Radrennen überschattete die Spiele.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.