Ein laufender Visionär und Botschafter: „Folge deinem Traum“

Spitzenläufer Henry Wanyoike
Spitzenläufer Henry Wanyoike (c) Michaela Bruckberger
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Der blinde Spitzenläufer Henry Wanyoike kämpft für die Inklusion behinderter Sportler. In Wien bedankt er sich auch persönlich.

Wien. 20.000 Menschen wird der Vienna Night Run heute Abend (ab 19.50) auf die Ringstraße locken, auch in seiner zehnter Auflage steht der von der Erste Bank organisierte Lauf im Zeichen der Inklusion, gehen nicht behinderte und behinderte Sportbegeisterte gemeinsam an den Start. Ein Teil der Einnahmen kommt wieder der Hilfsorganisation Licht für die Welt zugute. Jene Organisation, die Henry Wanyoike Hoffnung machte und die Freude am Laufen zurückgab, als er im Alter von 21 Jahren durch einen Schlaganfall erblindete.

Wanyoike, inzwischen 42 und dreifacher Paralympics-Goldgewinner, spricht mit ruhiger Stimme, umso eindringlicher sind seine Botschaften. „Ich habe mein Sehvermögen, nicht aber meine Vision verloren“, betont er im Gespräch mit der „Presse“. 5000-Meter-Gold beim Paralympics-Debüt 2000 in Sydney, als er seinen schwächelnden Führer ins Ziel schleppen musste, machten ihn über Kenia hinaus zum Helden, nun möchte er seinen Namen und die Erfahrung nützen, um anderen Menschen mit Beeinträchtigungen Unterstützung und eine Perspektive bieten.

„Jeder kann Champion werden“

Als Botschafter für Licht für die Welt und die Christoffel-Blindenmission läuft Wanyoike quasi um die Welt, in seiner Heimat trägt er als Behindertenbeauftragter zudem in Schulen vor, vermittelt Trainings oder Ausrüstung. „Meine Botschaft: Jeder hat sein Talent und kann auf seine Art ein Champion werden. Folge stets deinem Traum und arbeite hart dafür.“

Sechs Medaillen haben Kenias Läufer bei den diesjährigen Paralympics in Rio errungen, sie alle haben die Vorbereitung bei und mit Wanyoike absolviert. „Das ist unser Produkt“, erzählt der vierfache Familienvater stolz. Er selbst wurde wenige Tage vor der Abreise in einen Autounfall verwickelt, der zweite schwere nach 2008, und musste wegen innerer Verletzungen passen. Aus der Bahn werfen lässt sich der Spitzensportler von derartigen Schicksalschlägen jedoch nicht. „Nach Rio haben wir es nicht geschafft, also werden wir uns für Tokio ins Zeug legen.“ Wir, das sind Wanyoike und sein sehender Partner Joseph Kibunja. Seit 15 Jahren überblickt sein Jugendfreund für ihn die Rennen, verbunden nur durch ein lockeres Band am Handgelenk. Längst haben sie ihre eigene Zeichensprache entwickelt. In dieser speziellen Teamarbeit liegt für Wanyoike auch der Schlüssel zum Erfolg. „Es gibt dieses Sprichwort: Willst du schnell sein, geh allein; willst du weit kommen, geh zusammen. Wir haben es als Team zu drei Weltrekorden gebracht.“

Trotz seiner vielen Tätigkeiten („alles nur eine Frage der Organisation“) hat sein achter Start in Wien für Wanyoike nach wie vor eine besondere Bedeutung, auch wenn er sich heuer nach dem Unfall noch nicht bei 100 Prozent sieht. „Hier geht es nicht nur ums Gewinnen. Die Organisation hat mein Leben verändert. Jetzt will ich sie und ihre gute Arbeit unterstützen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2016)

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