Die strahlende Anziehungskraft der Stars

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FBL-WC-2018-PORTUGAL-ANDORRA(c) APA/AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA
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Sportler vermarkten sich auf Facebook und Co., private Einblicke gaukeln dem Millionenpublikum Intimität und Nahbarkeit vor. Unumstrittener König ist Cristiano Ronaldo, bis zu 260.000 Dollar kosten seine 140 Twitter-Zeichen.

Fans wollen ihren Helden nah sein, auf den Tribünen zujubeln, und das Anstellen um Autogramme genügt heutzutage längst nicht mehr. Die Anhänger von Cristiano Ronaldo etwa können in einem Museum in seiner Heimatstadt, Funchal auf Madeira, seinen Werdegang nachvollziehen, mit einem goldenen Abbild für Selfies posieren und sich dank exklusiver CR7-Unterwäsche ihrem Idol ein Stück weit näher fühlen. Die glamouröse Welt und der Mensch hinter der Starfassade aber bleibt ihnen dennoch verborgen, umso größer ist die Faszination für jeden noch so kleinen Einblick, der in den sozialen Netzwerken geboten wird. Ob Ronaldo oder sein Fußballrivale Lionel Messi, NBA-Star LeBron James oder Tenniskönig Roger Federer – berühmte Sportler wissen längst um die Anziehungskraft von Facebook, Twitter, Instagram und Co.

Die Frage nach dem besten Fußballer wird rund um den Globus diskutiert, in der Social-Media-Welt aber ist Ronaldo der unumstrittene König. Als erster Sportler überhaupt hat der Portugiese im vergangenen Februar die magische Marke von 200Millionen Followern geknackt, damit erreichen nur die Sänger Justin Bieber und Taylor Swift noch mehr Menschen mit ihren Nachrichten und Fotos. Von derartigen Sphären kann Tennisspielerin Maria Scharapowa, mit 21,8 Mio. beste Sportlerin, ebenso wie Österreichs Primus David Alaba (rund 7,8 Mio.) nur träumen.

Spieler größer als der Klub

„Wir wollten Cristiano so zeigen, wie er ist – ohne Filter“, erklärte Manager Luís Correia der „Presse“ die Gründe für den Facebook-Beitritt im Jahr 2009. Anfängliche Bedenken waren rasch verflogen, die Entwicklung sprengte alle Erwartungen. 135.000 neue Follower pro Tag (!) lockte Ronaldo 2015 mit Social-Media-Auftritten an, verbuchte über 760 Mio. Interaktionen, wenn Einträge kommentiert, geliked oder geteilt werden. In diesem Fall ist also Ronaldo, der Spieler, deutlich größer als sein Klub Real Madrid (151 Mio. Follower).

(c) Die Presse

Das Millionenpublikum darf den Torjäger freilich nicht nur mit dem EM-Pokal oder als Privatperson mit Sohn Cristiano Jr. (bisheriger Höchstwert von 4,79 Mio. Interaktionen) und somit die Marke CR7 als Gesamtkunstwerk bewundern, sondern sich auch Produkte der Sponsoren präsentieren lassen. So wird der neue Nike-Schuh dem potenziellen Kunden via Videoempfehlung des Superstars auf das Smartphone geliefert. „Wie viele andere versuchen auch wir, aus dem Auftritt im Netz direkt Gewinn zu ziehen“, sagte Correia. 176 Millionen Dollar (161 Mio. Euro) betrug der von der Sponsorship-Plattform Hookit ermittelte Werbewert, den Ronaldo in sozialen Netzwerken innerhalb von zwölf Monaten lukrierte. Das ist fast die Hälfte des erzielten Gesamtwerts der 100 bestverdienenden Sportler.

Durch Social Media wird also nicht nur die Kommunikation mit den Fans direkter, auch das traditionelle Sportmarketing erfährt eine radikale Wandlung. Klassische Werbeauftritte und -kampagnen verlieren an Bedeutung, High-Level-Profile samt Anhängerschaft in den sozialen Netzwerken rücken in den Fokus. Ronaldo lässt sich jedes Post teuer bezahlen, so sollen die 140 Zeichen auf Twitter bis zu 260.000 Dollar (235.000 Euro) kosten.

Ob dieser Zahlen überrascht es nicht, dass fast alle Sportler über solch einen organisierten und strukturierten Auftritt verfügen, allein um Ronaldos Aktivitäten kümmern sich vier bis fünf Personen. Prominente Ausnahmen sind F1-Pilot Sebastian Vettel oder die NFL-Stars Peyton und Eli Manning: Sie verzichten auf diese Plattform.

Zwischen Shitstorm und Kodex

Die vorgegaukelte Nähe und Intimität mit dem Publikum schafft allerdings auch neue Angriffsflächen. Äußerte sich der Unmut der Fans früher in Pfiffen und Spruchbändern im Stadion, bieten diese Netzwerke nun ein direkteres und weitaus unkontrollierbareres Ventil. Persönliche und verletzende Kommentare unter Einträgen sind kaum zu verhindern, wenn diese – wie etwa unlängst im Fall des Fotos von Mesut Özils Pilgerfahrt nach Mekka – polarisieren.

Zugleich sind nicht alle spontanen Schnappschüsse oder Wortmeldungen für die Öffentlichkeit gedacht, insbesondere, da sie sich online auch rasch verselbstständigen. Diese Erfahrung hat Alaba vergangene Woche gemacht, als ein auf Instagram gepostetes Foto aus einem Belgrader Nachtclub Wellen schlug. Viele Klubs haben inzwischen Richtlinien, was aus der Kabine nach außen dringen darf. Extremfällen wie Mario Balotelli wurde bei seiner Rückkehr zum AC Milan sogar ein Twitter-Kodex vertraglich auferlegt.

Die Strahlkraft der Stars hat durch Social Media noch einmal an Stärke gewonnen, das Potenzial scheint grenzenlos. Wenn ein Fan wie bei der EM den Platz stürmt, lächelt Ronaldo in die Kamera – das Selfie ist schließlich die Autogrammkarte des 21. Jahrhunderts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2016)

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