Olympia 2016: Herz für Rio, Geldbeutel für Chicago

Security takes position as they wait for the arrival of U.S. President Barack Obama ahead of the 121s
Security takes position as they wait for the arrival of U.S. President Barack Obama ahead of the 121s(c) AP (Charles Dharapak)
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Kopenhagen liegt im Obama- und Olympia-Fieber: Heute, Freitag, werden hier die Spiele 2016 vergeben. Prominente Vertreter rühren die Werbetrommel für Chicago und Tokio, Madrid und Rio de Janeiro.

KOPENHAGEN. Im Stadion des Vorstadtklubs Brønshøj schlägt Fußballlegende Pele die Pässe, die zehnjährige Buben und Mädchen enthusiastisch unter die Torlatte knallen. Am Kopenhagener Hafen führt Läuferstar Michael Johnson eine Joggerrunde an, und um den Rathausplatz kurven Promis aus Sport und Showbiz im Rahmen einer „Copenhagen Bike Tour“. Die dänische Hauptstadt wird in diesen Tagen vom Olympia-Fieber geschüttelt: Heute, Freitag, entscheidet die IOC-Vollversammlung, wer die Sommerspiele 2016 veranstalten darf, und die vier Bewerberstädte scheuen weder Aufwand noch Mühe, um noch unschlüssige Delegierte zu überzeugen. Das IOC will seine mit Spannung erwartete Entscheidung um 18.30 Uhr bekanntgeben.

Einst hatten die Kopenhagener ja gehofft, dass sie selbst als Arrangeur in Betracht kämen. Doch als sich die Regierung über die Bücher machte, sah sie schnell, dass die Investitionen in Sportanlagen und Infrastruktur die dänische Staatskasse überfordern würden. So holte man als Ersatz wenigstens den IOC-Kongress ins Land, was dank starker Lobbyarbeit gelang, obwohl Dänemark zum Zeitpunkt der Entscheidung wegen der Karikaturenkrise ein Imageproblem hatte. Mit der olympischen Tagesordnung – und dem Klimagipfel, der im Dezember in Kopenhagen stattfinden wird – hoffte die Regierung, ihr Land wieder in positiveres Licht zu tauchen. Mit Erfolg: Jetzt strömt von US-Präsident Obama bis zu Japans Kronprinz, vom spanischen König bis zu Brasiliens Präsident Lula die Prominenz nach Dänemark, um hier die Werbetrommel für Chicago und Tokio, Madrid und Rio de Janeiro zu rühren.

Obamas Blitzbesuch dauert fünf Stunden

Besonders die Blitzvisite, die Barack Obama am Freitag der IOC-Versammlung abstattet, versetzt die Dänen in Aufregung, obwohl der Präsident nur fünf Stunden im Land sein wird und bloß Zeit für Höflichkeitsbesuche bei Königin Margrethe und Premier Anders Fogh Rasmussen hat, ehe Air Force One den Rückflug über den Atlantik antritt. Die dänischen Provinzpolizisten kostet das ihr freies Wochenende: Sie wurden nach Kopenhagen abkommandiert, um auf den Präsidenten aufzupassen, auch wenn dieser mit eigenem Sicherheitsstab und der eigenen Panzerlimousine „The Beast“ einfliegt. Michelle Obama, die First Lady, traf schon am Mittwoch in Kopenhagen ein, um Glanz auf die Bewerbung ihrer Heimatstadt zu werfen, und auch TV-Star Oprah Winfrey zählt zur US-Delegation.

Seit Barack Obama Anfang der Woche seinen Besuch annoncierte, spricht man in Kopenhagen nur noch von Chicago. Dabei gilt der Ausgang der Abstimmung als offen. „Vielleicht nur ein, zwei Stimmen“ würden den Ausschlag geben, prophezeite IOC-Präsident Jaques Rogge. „Das Herz spricht für Rio, der Geldbeutel für Chicago“, heißt es unter Experten. Rio wirbt mit einer Weltkarte, auf der die bisherigen Olympia-Städte eingezeichnet sind. Südamerika ist leer. Kein Wunder, dass im Delegationshotel St. Petri eine „Jetzt-sind-wir-dran“-Stimmung herrscht. Die USA hingegen waren so oft Gastgeber wie kein anderes Land – zuletzt mit Atlanta (1996) und Salt Lake City (Winterspiele 2002). Allerdings garantiert Chicago nicht nur reibungslosen Ablauf, sondern auch mehr Fernsehgelder und Sponsorenverträge als jede andere Stadt.

Madrid hofft auf sein überzeugendes Konzept kompakter Spiele und auf den Einfluss, den Ex-IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch immer noch in den olympischen Kreisen ausübt. Doch Europa war zuletzt mit Athen (2004) und London (2012) zu gut bedient, als dass der alte Kontinent auch 2016 als Gastgeber logisch wäre. Und gegen Tokio, 1964 Gastgeber, spricht die zeitliche Nähe zu den Peking-Spielen des Vorjahres.

Kopenhagen feiert den Countdown

Für die Leute in Kopenhagen ist der Ausgang der Abstimmung nebensächlich. Sie erfreuen sich am Volksfest rund um den IOC-Kongress: Streetbasket mit NBA-Stars, Pop-sterne auf der Freilichtbühne zum „Olympia-Countdown“ und eine sportliche „Megaparty“, deren Programm von Karate bis Seifenkistenrennen, von Trampolinspringen bis Rollstuhlrugby die olympische Vielfalt noch übertrifft. Wenn am Samstag eine glückliche und drei traurige Delegationen ihre Koffer packen und der IOC-Kongress sich weniger spektakulären Fragen zuwendet, hoffen die Kopenhagener auf ein Wiedersehen mit Obama im Dezember zum Klimagipfel. Für die Provinzpolizisten heißt das dann: Auch der Weihnachtsurlaub fällt flach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2009)

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