Seit dem geplatzten Prozessauftakt gab es vom Olympiasieger Peter Seisenbacher kein Lebenszeichen mehr.
Wien. Auch knapp zwei Wochen nach dem geplatzten Prozessbeginn gegen Peter Seisenbacher gibt es keine Spur von dem Judo-Doppel-Olympiasieger. Weder das Wiener Landesgericht für Strafsachen noch die Staatsanwaltschaft Wien oder sein Anwalt Bernhard Lehofer haben ein Lebenszeichen des 56-Jährigen vernommen, nachdem er am 19. Dezember ohne Angabe von Gründen und zur Überraschung aller Anwesenden nicht zu seinem Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gekommen war.
Wenig überraschend wird seither auf diversen Seiten im Netz über seinen Verbleib spekuliert. Der Sportseite Laola1.at zufolge könnte der Vertrag des 56-Jährigen als Trainer des Herren-Judo-Nationalteams von Aserbaidschan nach den Olympischen Sommerspielen in Rio ausgelaufen sein. Bisher war man davon ausgegangen, dass er dort nach wie vor beschäftigt ist.
Camp mit neuen Trainern
Untermauert werde die Trennung laut der Website durch die Anmeldungen für das bevorstehende Trainingslager im salzburgischen Mittersill, wo von 9. bis 17. Jänner ein Vorbereitungs-Camp stattfinde. Für dieses sei auch Aserbaidschans Nationalteam genannt, allerdings nicht mit Seisenbacher, sondern mit anderen Trainern. Auch wegen des bestehenden Auslieferungsabkommens zwischen Österreich und Aserbaidschan liege der Schluss nahe, dass sich Seisenbacher nicht mehr im Staat am Kaspischen Meer befindet. Ein internationaler Haftbefehl gegen den 56-Jährigen wurde jedenfalls noch nicht erlassen, wie ein Sprecher des Landesgerichts für Strafsachen auf Nachfrage der „Presse“ mitteilte. Sobald es einen Antrag gebe, könne es aber schnell gehen.
Diesen müsste die Staatsanwaltschaft stellen. Dort wollte man den Fall aber auf Anfrage nicht kommentieren, sämtliche Kommunikation erfolge ausschließlich über das Landesgericht.
„Ganz sicher am Leben“
Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer war am Donnerstag urlaubsbedingt nicht erreichbar. Auch ihm war es bis zuletzt nicht gelungen, Kontakt zu seinem Mandanten aufzunehmen. Er habe versucht, ihn telefonisch zu erreichen. sei aber immer auf der Mobilbox gelandet. Sobald er wisse, wo sich Seisenbacher befinde, werde er das umgehend dem Gericht mitteilen.
Seisenbacher sei jedenfalls „ganz sicher am Leben“, trat er inzwischen kursierenden Spekulationen entgegen, der Ex-Judoka, der lange Jahre in Japan gelebt hatte, könnte angesichts der bevorstehenden Hauptverhandlung Suizid begangen haben: „Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich kenne ihn seit 30 Jahren. Wir sind nicht nur beruflich, sondern auch privat verbunden. Er war optimistisch, was den Ausgang des Strafverfahrens betrifft. Er war erleichtert, dass das jetzt zu einem guten Ende kommen kann.“
Seisenbacher selbst hat sich zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen bisher nicht öffentlich geäußert. Es gilt die Unschuldsvermutung. (red.)
Auf einen Blick
Schwere Vorwürfe. Laut Anklage soll Peter Seisenbacher ab 1997 ein damals neunjähriges Mädchen bedrängt haben. Bei der Schülerin handelte es sich um die Tochter eines guten Freundes, die in dem Judo-Verein, in dem Seisenbacher nach dem Ende seiner aktiven Karriere als Trainer tätig war, die fernöstliche Kampfkunst erlernen wollte. Von 1999 an – das Mädchen war elf – kam es nach Angaben der Betroffenen zu geschlechtlichen Handlungen, die als schwerer sexueller Missbrauch einer Unmündigen qualifiziert sind. Die Schülerin soll bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs wiederholt missbraucht worden sein. Im Sommer 2004 soll sich der Ex-Judoka einem weiteren, damals 13 Jahre alten Mädchen zugewandt haben, das ihm ebenfalls als Trainer anvertraut war. Auch mit ihr soll es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Bereits im August 2001 soll er sich auf einem Judo-Sommerlager an ein drittes Mädchen herangemacht haben. Die 16-Jährige wehrte ihn ihrer Darstellung zufolge aber ab.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2016)