Topstars landeten in den Fangnetzen, der Rettungshubschrauber war im Dauereinsatz, 50.000 Zuschauer waren fassungslos – und längst nicht alle Sturzopfer aus dem Vorjahr werden es heuer zu den Hahnenkammrennen zurückschaffen.
Kitzbühel/Wien. Es war eine Sturz-Orgie, deren Folgen auch ein Jahr später, wenige Tage vor den 77. Hahnenkammrennen, noch spürbar sind. Der Reihe nach: Gleich im ersten Abfahrtstraining warf die Streif Max Franz ab, der Kärntner erlitt Verletzungen an Knie, Hand und Sprunggelenk, kehrt aber heuer mit seinem Gröden-Sieg im Gepäck als Mitfavorit nach Kitzbühel zurück. Im Donnerstagstraining erwischte es dann Florian Scheiber, der Tiroler zog sich Bänderrisse im Knie zu, inzwischen hat der 29-Jährige seine Karriere beendet. Ebenfalls mit Bänderrissen ins Spital musste ein ÖSV-Trainer.
Bei strahlendem Sonnenschein am Freitag fuhr sich Aksel Lund Svindal, zu diesem Zeitpunkt Führender im Gesamtweltcup, mit seinem Sieg im Super-G für den Abfahrtklassiker warm, Hannes Reichelt stimmte die heimischen Skifans mit Platz drei auf das Wochenende ein. Im Abfahrtsklassiker am Samstag (Schneefall, Verschiebungen und Ersatzstart oberhalb der Mausefalle) überschlugen sich dann die Ereignisse: Bei schlechter Sicht vor der Einfahrt in die Traverse stürzten Georg Streitberger (Startnummer 7), Reichelt (17) und Svindal (19). Alle drei landeten im Netz, ein Aufschrei ging durch die 50.000 Zuschauer.
Nur Reichelt ist Fixstarter
Bei Streitberger rissen das vordere Kreuzband, das Seitenband und das Innenband im Knie, seine Saison ist damit vorzeitig zu Ende. Im laufenden Winter hat er bisher nur den Super-G in Val-d'Isère bestritten, wurde 43. Danach musste der Salzburger wieder operiert werden, der Außenmeniskus war beim Training auf der Reiteralm gerissen. Auch auf die Europacupabfahrt in Kitzbühel am Montag verzichtete der 35-Jährige, er muss mindestens zwei weitere Wochen wegen Knieproblemen pausieren.
Reichelt, 36, kam mit einer Knochenprellung im linken Knie noch relativ glimpflich davon und kehrte bald wieder zurück. Mit seinem zweiten Platz im Super-G von Santa Caterina zählt er auch 2017 zu den großen heimischen Hoffnungsträgern auf der Streif.
Svindal hatte sich bei seinem Sturz mehrmals überschlagen, dennoch stand er auf und humpelte davon. Ein trügerisches Bild, denn mit gerissenem vorderen Kreuzband und Meniskus sowie einem Knorpelschaden im rechten Knie war die Saison auch für ihn zu Ende. Ob der Norweger heuer in Kitzbühel dabei sein wird, steht noch nicht fest. Nach seinem eindrucksvollen Comeback mit drei Podestplätzen war der 34-Jährige zuletzt wegen Knieschmerzen vorzeitig aus Wengen abgereist.
Die Hahnenkammabfahrt 2016 wurde schließlich nach 30 Läufern abgebrochen, der Südtiroler Peter Fill als Sieger gewertet. Ein Jahr später sind die Geschehnisse aufgearbeitet. „Wir fahren nicht mit unguten Gefühlen hin. Die Athleten freuen sich auf Kitzbühel“, versicherte ÖSV-Rennsportleiter Andreas Puelacher.
Alles blau, keine Konturen
Als Problem an der Schrägfahrt im Vorjahr wurde eine leichte Kompression ausgemacht. Entstanden sei diese durch das viele Rutschen, erinnerte sich Puelacher. Außerdem: „Nach der ganzen Woche war da so viel Farbe drinnen, alles war blau, man hat die Konturen nicht gesehen.“ Inzwischen wurde an der Hausbergkante eine Flutlichtanlage montiert. Warum es damals mit Svindal und Reichelt die beiden Topstars exakt an der gleichen Stelle erwischt habe, erklärte Puelacher so: Es sei schlichtweg die Linie zum Sieg gewesen. (joe)
KITZBÜHEL NEBENBEI
Der Schweizer Gilles Roulin gewann die Europacup-Abfahrt auf der Streif. Nach Start oberhalb der Mausefalle und Ziel am Oberhausberg siegte Roulin in 1:22,78 min. Bester Österreicher beim Prolog der 77. Hahnenkammrennen wurde Johannes Kröll (+0,56 Sek.).
Programm, Freitag: 11.30 Uhr: Super-G. Samstag, 11.30 Uhr: Abfahrt.
Sonntag (10.30/13.30 Uhr): Slalom.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)