Die 199. Wahl schreibt Geschichte

Kein Team konnte die New England Patriots und Quarterback Tom Brady (12) bisher stoppen.
Kein Team konnte die New England Patriots und Quarterback Tom Brady (12) bisher stoppen.(c) imago/ZUMA Press (imago sportfotodienst)
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Mit dem siebenten Super-Bowl-Einzug schreibt Tom Brady, Quarterback der New England Patriots, heute Geschichte. Mit dem fünften Sieg könnte er sein Idol Joe Montana übertrumpfen.

Chad Pennington, Giovanni Carmazzi, Chris Redman, Tee Martin, Marc Bulger, Spergon Wynn. Wer kennt die Herren? Irgendjemand? Nein, diese sechs Namen sagen wirklich nur eingefleischten Footballfans etwas. Tom Brady dagegen ist ein Name, den man kennt, auch wenn man sich nicht sonderlich für Football interessiert (manche kennen ihn vielleicht nur als Ehemann des Fotomodels Gisele Bündchen).

Im Jahr 2000 aber befanden mehrere Football-Teams der NFL, dass Pennington, Carmazzi, Redman, Martin, Bulger und Wynn bessere Quarterbacks seien als Brady. Erst in der sechsten Runde des sogenannten Draft, wenn die Profiligen die Amateur- und Jugendspieler von den amerikanischen Universitäten auswählen, erbarmten sich die New England Patriots des damals 22-Jährigen: Nach 198 Spielern wurde schließlich auch er verpflichtet. In einem Interview vor einigen Jahren weinte Brady, als er sich an die Anspannung an diesem Tag erinnerte.

Wenn heute die Patriots im Super Bowl auf die Atlanta Falcons treffen (Puls 4, 22.40 Uhr), kann Tom Brady, die 199. Wahl, endgültig sportliche Unsterblichkeit erlangen. Noch nie in der Geschichte des amerikanischen Footballs hat ein Quarterback fünf Super Bowls gewonnen, selbst mit seinen vier Siegen steht Brady auf einer Stufe mit den ganz Großen in der Sportgeschichte: mit Joe Montana (San Francisco 49ers) und Terry Bradshaw (Pittsburgh Steelers).

Seinen Platz in den Geschichtsbüchern der NFL hat er sich bereits gesichert. Kein anderer Quarterback hat es bisher geschafft, sein Team in sieben NFL-Finalspiele zu führen. Montana, der Maßstab für alle Quarterbacks, brachte es lediglich auf vier. Und im statistikbesessenen Amerika weiß man auch von anderen Erfolgen des 39-Jährigen: Er hat mehr Division-Titel gewonnen (die Patriots spielen in der American Football Conference), nämlich 14, mehr Playoff-Spiele und insgesamt mehr Spiele (207) als irgendein Quarterback der NFL.

Für diese Rekorde mag viel Talent verantwortlich sein, mehr aber noch die strikte Disziplin Bradys. „Er ist ein Vollblutprofi”, sagt Michael Eschlböck, Präsident des American Football Bund Österreich. „Er ordnet sein ganzes Leben einem Ziel unter: dem Siegen.“

Das fängt bei einem Speiseplan an, den man in den USA, das in erster Linie von Burgern und Pizza lebt, gern als „crazy“ beschreibt. Brady trinkt keinen Kaffee, verzichtet auf Zucker, Olivenöl, Tomaten, Pfeffer, weißes Mehl. Sein Koch enthüllte, dass Brady und Bündchen meist Gemüse essen, hin und wieder Huhn, Steak gebe es nur vereinzelt im Winter und zum Würzen verwende man rosagetöntes Himalayasalz.


Ein fitter „Oldtimer“. Ähnlich strikt ist Bradys Trainingsplan. Er steht um 5.30 Uhr auf, geht dafür meist um 21 Uhr ins Bett, verbringt Stunden im Fitnessstudio mit einem guten Dutzend persönlicher Trainer und kommt auch außerhalb der offiziellen Trainingszeiten ins Stadion, um Pässe zu üben.

Das Ergebnis seiner strikten Disziplin zeigt er jedes Wochenende auf dem Spielfeld. Brady ist mit 39 Jahren zwar der älteste Quarterback in der Liga, aber das sieht man ihm nicht an. Als der zweite „Oldtimer“, Peyton Manning, vergangenes Jahr mit 39 Jahren seine letzte Saison spielte, tat er einem fast leid. Dass seine Denver Broncos den Super Bowl 2016 gewannen, hatten sie nur einer starken Verteidigung zu verdanken, nicht Mannings Spielgeschick.

Vielleicht ist seine Disziplin, sein No-nonsense-Zugang, dafür verantwortlich, dass Brady nicht der große Sympathieträger in der NFL ist. Man respektiert ihn, aber man liebt ihn nicht, im Gegensatz zu Bradys heutigem Gegenüber, Matt Ryan, dem Quarterback der Atlanta Falcons.

Als Brady zu Beginn der Saison wegen des sogenannten Deflategate (die Bälle der Patriots waren bei einem Spiel nicht voll aufgeblasen) für vier Spiele gesperrt wurde, freute das viele. Auch seine langjährige Freundschaft zu US-Präsidenten Donald Trump ist nicht hilfreich. Angeblich rief Brady Trump an und gratulierte ihm zur Angelobung, sagt zumindest Trump. Brady hält sich zurück und kommentiert seine Beziehung zum US-Präsidenten ebensowenig wie dessen Politik.


Meisterstratege Belichick. Dass Tom Brady so weit gekommen ist, daran hat wesentlich der Headcoach der New England Patriots, Bill Belichick, Anteil. Der Trainer hielt an Brady fest, obwohl dieser in der Saison 2001 eigentlich nur als Ersatz für den verletzten Quarterback Drew Bledsoe einsprang. Bledsoe kam nur noch in Ausnahmefällen zum Einsatz. Als ein Reporter 2014 nach einem ausgesprochen schlechten Spiel Bradys fragte, ob Belichick über einen anderen Quarterback nachdenke, reagierte der nur mit einem „Pff“.

Brady dankt die Loyalität dadurch, dass er auf ein Spitzengehalt verzichtet. Er ist bei Weitem nicht der bestbezahlte Spieler der NFL, dafür können sich die Patriots trotz des in der Liga geltenden maximalen Gehaltsbudgets von 150 Millionen Dollar pro Team auch viele andere gute Spieler leisten – Rob Gronkowski etwa oder Julian Edelman.

Tom Brady bekommt dennoch immerhin 60 Millionen Dollar für die nächsten vier Jahre. Außerdem hat er noch immer seine Frau, die ihn notfalls unterstützen kann: Gisele Bündchen verdiente als Model allein im vergangenen Jahr 30 Millionen Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2017)

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