Race Across America: Bis zum Horizont

Themenbild: Race Across America
Themenbild: Race Across America(c) Flavio Gallegos / RAAM
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Christoph Strasser startet zum siebenten Mal beim Extremklassiker über 4940 Kilometer. Monotonie kennt er nicht, Qual nennt er Reiz, diese Tortur "erfüllt mein Leben".

Oceanside/Wien. Christoph Strasser sitzt wieder einmal auf seinem heiß geliebten Fahrrad. Torturen, Hitze, Müdigkeit, Hunger, Einsamkeit auf leeren, staubigen Landstraßen oder quälender Schmerz nach 4940 Kilometern Fahrt sind für ihn keine Abschreckung, sondern der geliebte Anreiz. Der Steirer, 34, nimmt bereits zum siebenten Mal die extreme Fahrt quer durch Amerika unter die Räder.

Das „Race Across America“ gilt als Klassiker für Extremsportler, Strasser ist längst deren König. Der dreifache RAAM-Sieger hält sogar den Rekord. 7 Tage, 15 Stunden und 56 Minuten – für knapp 5000 Kilometer ist das ein schier unglaublicher Schnitt von 27 km/h. „Ich werde wieder versuchen, die Strapazen so gering wie möglich zu halten. Für mich ist meine Begeisterung der größte Reiz, ich muss nicht fahren, ich darf.“ Wenn er in Oceanside, Kalifornien, als Letzter von der Rampe rollt und sich auf den Weg nach Annapolis und der anderen Seite des Kontinents macht, ist Strasser in seinem Element. Hohe Frequenz, eiserner Tritt, ihn drängen weder Tierkadaver noch vorbeirasende LKW aus der Spur. Nach zwei Tagen führt Strasser das Feld an.

Elf Betreuer hat er um sich geschart, aufgeteilt auf zwei Mini-Vans und ein Wohnmobil. Es läuft ein Schichtbetrieb rund um die Uhr, Medienarbeit für Sponsoren und Koch haben Vorrang. Das Wiedersehen mit den Rockies oder der Wüste ist für ihn nur nachrangig. Er habe ohnehin weder Zeit noch Muße, diese Naturanmut zu bewundern, er folge in diesen Tagen ausnahmslos einem Ziel: das Ziel zu erreichen.

400 Kilogramm Equipment ist an Bord, drei Räder stehen zur Wahl und der Roadtrip für zwölf Mann auf die Minute genau vorgeplant. Dass so ein Unterfangen keinesfalls billig ist, musste Strasser nicht gesondert betonen. 50.000 Euro sind veranschlagt für eine Strapaz, von der „ich nicht meinen Lebensunterhalt bezahlen kann“, gibt er offen zu. Vorträge und Seminare über das Erreichen des Unmöglichen machen Strasser erst zu einem Businessman. Auf dem Rad bleibt er einer jener, die „ihr Hobby zum Beruf“ gemacht haben.

Ist das Rad einmal in Bewegung, gibt es kein Halten mehr. Dann verwandelt sich Anspannung in Energie. Wie viele Glühbirnen er tagelang leuchten lassen könnte mit seiner Wattleistung, hat Strasser nie ausgerechnet, dass pro Tag bis zu 12.000 Kalorien verbrannt werden, zeichnet aber ein scharfes Bild von dieser Tortur, die „mein Leben erfüllt“.

Ob er nun sieben oder acht Mal beim RAAM starte, es drei- oder viermal gewonnen hat, sei ihm „wurscht“. Dass er in seinem Leben bereits mehrmals die Erde umrundet hat, imponierte ihm ebenso wenig wie die Aussicht auf weitere Rekorde. „Es geht um die Begeisterung, warum man etwas macht. Marcel Hirscher fährt auch, weil es ihm taugt. Oder Roger Federer kommt auch immer wieder nach Wimbledon zurück.“ Er radle halt binnen acht Tagen, bei wirklich jedem Wind und Wetter, unermüdlich und unaufhaltsam quer durch die Staaten.

Bei der diesjährigen Auflage fährt auch der Tiroler Patric Grüner (derzeit Dritter) mit, Zeit für Gespräche bleibt aber keine. Eher lassen sich beide etwas vorlesen oder folgen ohnehin nur ihrem eigenen Film, der sich in ihren Köpfen abspielt. Bei einer Fahrt, die bis zum Horizont reicht, hat das eigene Ego Vorrang. Ansonst sieht Strasser die Ziellinie nicht. Und da endet seine Vorstellungskraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2017)

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