Eine Leichtathletik-WM der Pannen für Jamaika

Jamaikas Leichtathletik-Team wurde nicht nur einmal Opfer von Verletzungen - wie hier bei der 100-Meter-Staffel und Usain Bolt.
Jamaikas Leichtathletik-Team wurde nicht nur einmal Opfer von Verletzungen - wie hier bei der 100-Meter-Staffel und Usain Bolt.APA/AFP/JEWEL SAMAD
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Die Sprinter-Nation Jamaika kehrt mit magerer Medaillen-Sammlung nach Hause zurück. In London war auch Pech dabei. Die Jugend im Schatten von Bolt muss sich erst beweisen. Mit Video.

Jamaika hat bei der Leichtathletik-WM in London so schlecht abgeschnitten wie seit einem Jahrzehnt nicht. Nur eine Gold- und drei Bronzemedaillen kamen in die Wertung, das ergab Rang 16. Usain Bolt und Shelly-Ann Fraser-Pryce standen 2007 in Osaka noch am Beginn ihrer Karrieren, seit 2009 haben sie bei 18 der 25 Titel mitgewirkt. Bolt trat Samstag ab, Fraser-Pryce kehrt nach Babypause zurück.

Nur eine Goldmedaille gab es zuletzt 2007 in Osaka. 1/6/3 lautete die Medaillenausbeute Jamaikas in Japan, 7/4/2 in Berlin 2009, 4/4/1 in Daegu 2011, 6/2/1 in Moskau 2013 und 7/2/3 in Peking 2015. In London sorgte Omar McLeod im Hürdensprint für den einzigen Titelgewinn, die dritten Plätze gingen an Bolt über 100 m, Ristananna Tracey über 400 m Hürden und die jamaikanische Frauen-Staffel über 100 m.

Bolt: "Manchmal läuft es einfach nicht."

"Das waren überraschende Meisterschaften. Da hätten nur wenige viele Siege vorhergesagt", sagte Bolt allgemein und meinte zum Abschneiden Jamaikas: "Jemand hat versucht, mich zu beschuldigen, weil ich das losgetreten habe. Manchmal läuft es einfach nicht." Er sehe viele junge Talente in Jamaika. "Nicht jeder ist wie ich - wollen sie es und wollen sie der Größte sein? Wenn sie hart arbeiten und den Aufwand betreiben, ist Jamaika auf der sicheren Seite." Für ihn ist aber Schluss, es werde auch kein Comeback geben. "Ich freue mich darauf, frei zu sein. Ich will Spaß haben und relaxen."

Das jamaikanische Sprint-Team kam mit einem nicht ganz fitten Bolt und einer geschwächten Frauenmannschaft nach London. Siebenfach-Weltmeisterin Fraser-Pryce brachte während der WM Söhnchen Zyon zur Welt. Auch Veronica Campbell-Brown trat die Reise nach Großbritannien nicht an, nachdem die bereits 35-Jährige wegen einer Knieverletzung auf ein Antreten bei der nationalen Ausscheidung hatte verzichten müssen.

Immer wieder Verletzungen

Gold-Hoffnung Elaine Thompson, die in diesem Jahr ungeschlagen war, erlitt über 100 m als Fünfte eine bittere Niederlage. "Ich konnte mein Rennen nicht durchziehen, es ist eine Schande", sagte die Olympiasiegerin. Ihr Startverzicht über 200 m war bereits vorher festgestanden. In der Staffel musste die zweite Grade mit Jura Levy, Natasha Morrison, Simone Facey und Sashalee Forbes ran und rettete über 4 x 100 m Platz drei. Über 4 x 400 m fiel Anneisha McLaughlin-Whilby schmerzhaft zu Boden und die Titelverteidigerinnen gingen leer aus. Es war auch Pech dabei bei dieser WM.

Wurden in Peking 2015 drei der vier Staffeln gewonnen, so in London alle verloren. Denn auch bei den Männern hallte ein Aufschrei durchs Stadion, als Bolt als Schlussläufer mit einem Krampf und einer Zerrung niederging. Und in den Einzelbewerben wurde Yohan Blake nur 100-m-Vierter hinter Bolt. Über 200 m erreichte nach dem Bolt-Verzicht kein Jamaikaner den Endlauf.

Warten auf den Durchbruch

Der nun auch bereits 27-jährige Blake schaffte nach seinem überraschenden Weltmeistertitel 2011 in Daegu, als Bolt einen Fehlstart produziert hatte, als Einzelsprinter bis jetzt nicht den Durchbruch. Der 21-jährige Christian Coleman aus den USA lief ihm als Vizeweltmeister hinter Landsmann Justin Gatlin in London schon den Rang ab, gilt als größte Hoffnung für die Zeit nach Bolt und Gatlin.

Ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schwächeren jamaikanischen Leistungen und dem verbesserten Anti-Doping-System im Karibik-Land gibt, ist reine Spekulation. Nach den Behauptungen der früheren Direktorin der jamaikanischen Anti-Doping-Agentur (JADCO), dass es vor den Olympischen Spielen 2012 in London für Athleten wie Bolt oder Blake keine unangemeldeten Trainingskontrollen durch die Agentur gegeben habe, war Feuer am Dach.

Die Welt Anti-Doping Agentur (WADA) führte eine Inspektion des jamaikanischen Anti-Doping-Programms durch, die komplette Führung der kritisierten JADCO trat zurück. Prominentester Dopingfall in Jamaika in jüngerer Zeit war der frühere 100-Meter-Weltrekordhalter Asafa Powell. Bei Olympia-Nachkontrollen fiel Nesta Carter positiv auf, die Staffel-Medaille von Olympia 2008 in Peking wurde aberkannt, womit auch Bolt ein Gold verlor.

"Ich war immer stark gegen Doping. Ich habe gesagt, Sportler sollen lebenslang gesperrt werden, wenn sie betrügen. Der Sport ist jetzt auf dem Weg zurück, und wir müssen alles tun, um ihn in einem guten Licht zu halten. Ich habe gezeigt, dass man es ohne Doping schaffen kann, und ich hoffe, die jungen Athleten nehmen das als Beispiel", meinte Bolt bei seiner letzten Pressekonferenz am späten Sonntagabend in London.

(APA/Birgit Egarter)

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