Der Reiz der Extreme

Nach 38 km schwimmen ist Alexandra Meixner am Donnerstag auf das Rad gewechselt.
Nach 38 km schwimmen ist Alexandra Meixner am Donnerstag auf das Rad gewechselt.(c) Katrin Meier
  • Drucken

Das Race Across America hat Ultrasportlerin Alexandra Meixner heuer als erste Österreicherin geschafft, nun jagt sie den Weltrekord im Deca-Triathlon. Eine Geschichte über Sport als herausfordernde Faszination und genussvolle Sucht.

Für die meisten Menschen liest sich das Programm von Alexandra Meixner wie eine Tortur: 38km schwimmen, 1800 km Rad fahren und 422 km laufen hat sie sich beim Deca-Triathlon im Schweizer Buchs vorgenommen. Seit Mittwochabend ist die 46-jährige Waldviertlerin unterwegs, die 760 Bahnen im 50-Meter-Becken hat sie in unter 16 Stunden hinter sich gebracht und bereits heftige Gewitter auf der Radstrecke überstanden. Ihr Ziel: ein neuer Weltrekord. Aktuell liegt die Marke bei 249:14,52 Stunden. „Die will ich knacken, und wenn es nur um eine Viertelstunde ist“, sagt die Fachärztin für Gynäkologie mit eigener Praxis in Schrems.

Vor gut sieben Wochen hat Meixner als erste Österreicherin das Ultra-Radrennen Race Across America beendet. Zwölf Tage, vier Stunden und 35 Minuten war sie quer durch die USA unterwegs, Nachwirkungen hat sie jedoch kaum verspürt. „Ein bisschen taube Finger und Füße habe ich vom Abdrücken der Nerven. Neu war für mich der Schlafwandel, der den Körper mehr als die Bewegung kaputt gemacht hat. Ich musste erst lernen, wie das Körper, Geist und Seele verändert“, meint sie über die nur wenige Stunden langen Ruhezeiten. Dennoch schwang sie sich zwei Tage nach der Rückkehr nach Österreich wieder in den Sattel, wenig später erwachte auch die Sehnsucht nach einer neuen Herausforderung.

Erfahrung im Ultra-Triathlon hat Meixner, seit 2014 hält sie den Weltrekord im Deca-Triathlon, 2016 absolvierte sie den ersten Double-Deca. Bei diesen Bewerben stand jeweils ein Triathlon pro Tag auf dem Programm, der jetzige Versuch erfolgt als kontinuierlicher, es gilt also die zehnfache Distanz der Disziplinen am Stück zu absolvieren und sich die Pausen selbst einzuteilen. „Ich möchte die Schwierigkeiten des Schlafwandels mit jenen des Ultra-Triathlons kombinieren. Das ist die Neugierde, die mich antreibt.“


Routine für den Körper. Die Belastungen eines solchen Deca-Triathlons sind für Hobbysportler schier unvorstellbar, für Meixners Körper aber beinahe Routine. „Wenn alles nach Plan läuft, ist der Geist in einer anderen Sphäre“, berichtet sie im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Während des Sports habe sie ihre besten Ideen, wenngleich diese selten bis nach der Ziellinie überdauern. „Ich bin ganz im Hier und Jetzt, habe keine Verpflichtungen außer den nächsten Schritt.“ Ein Drittel Kopf, ein Drittel Körper, ein Drittel Betreuerteam lautet das Erfolgsrezept. „Und im Endeffekt macht das Team zwei Drittel aus, denn wenn der Kopf schwach wird, stärken sie ihn auch.“ Sie selbst übertaucht die unweigerlichen mentalen Löcher, indem sie sich ganz auf die Technik, wie Atmung oder Schrittfrequenz konzentriert. Die letzten Kilometer erlebt sie stets als „Potpourri der Gefühle“, zu Dankbarkeit und Demut mischt sich immer auch ein bisschen Traurigkeit. „Ich weiß, danach kommt bald wieder die Leere des Alltags, obwohl dieser ausgefüllt ist und mir Spaß macht.“

Die ausgebildete Ärztin bestreitet nicht, dass Sport für sie zu einer Sucht geworden ist. „Es ist ein positives Suchtverhalten, das mich nicht belastet“, sagt sie und begegnet Bedenken bezüglich ihrer Gesundheit gelassen. „Heuer fordere ich meinen Körper fünf Wochen extrem, die restliche Zeit ist es Wohlfühlsport, denn im Training gehe ich nie über die Grenzen“, so ihre Erklärung und der Vergleich: „Andere rauchen oder trinken täglich Alkohol oder haben 70 kg Übergewicht und fordern ihren Körper 52 Wochen im Jahr, hören diese Fragen aber nie.“ Aus Mitgefühl mit Tieren ernährt sich Meixner seit elf Jahren vegetarisch und seit zwei Jahren vegan. Um bei Extrembelastungen die Zufuhr von 10.000 Kalorien pro Tag zu schaffen, muss auch die erklärte Genussesserin bei Wettbewerben auf Flüssignahrung zurückgreifen. „Da denke ich schon mit Bauchweh daran, aber das gehört dazu.“ Als Abwechslung zu den süßen Shakes gönnt sie sch aber schon einmal ein Sandwich.


Ohne Plan, nach Gefühl.
Als eine von sechs Schwestern im Waldviertel aufgewachsen, kam Meixner erst mit Ende zwanzig zum Sport. Waren damals noch Abnehmgedanken die Motivation, ist es inzwischen die pure Lust an der Bewegung. „Ganz ohne Sport halte ich es maximal zwei Tage aus“, erzählt die 46-Jährige. So weit lässt es Ehemann Walter aber meist gar nicht kommen, meint sie lachend: „Bevor ich grantig werde, schickt er mich laufen.“

Von detaillierten Trainingsplänen hält Meixner nichts, die Vorbereitung auf die Extrembewerbe integriert sie vielmehr in den Alltag. So radelt sie täglich bis zu 50 km in die Praxis, geht in der Mittagspause laufen oder am Abend schwimmen – dazwischen behandelt sie Patientinnen, macht nebenbei noch eine Ausbildung zur Sexualtherapeutin, schreibt Bücher und hat sogar ein eigenes Kabarettprogramm entworfen. „Leider hat der Tag nur 24 Stunden. Ich habe schon öfter um Verlängerung angesucht.“

Im Gegensatz zu männlichen Ultra-Kollegen wie Christoph Strasser ist Meixners Name der breiten Öffentlichkeit noch kein Begriff, das spürt die Niederösterreicherin auch bei der Sponsorensuche. Die Ultra-Triathlons finanziert sie sich selbst, für das US-Radrennen, das aufgrund der Distanzen ein deutlich größeres Betreuungsteam benötigte, konnte sie nach der Absage großer Firmen auf lokale Unterstützer zurückgreifen. „Entweder ich bin zu alt, zu weiblich oder entspreche nicht dem Schönheitsideal. Aber ich habe das Glück einen Beruf zu haben, in dem ich relativ gut verdiene“, nimmt es die Frauenärztin mit Humor. Für die Zukunft kann sie sich vorstellen, sich eines Tages ganz dem Sport(coaching) zu widmen. Die Herausforderungen werden ihr jedenfalls nie ausgehen, ist Meixner überzeugt. „Wenn ich höre: ,Das sind Verrückte‘, denke ich mir bald danach: ,Schaff ich das auch?‘“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.