Olympia

Die Schattenwelt der Olympier

Carlos Nuzman wurde in Polizeigewahrsam genommen.
Carlos Nuzman wurde in Polizeigewahrsam genommen.(c) REUTERS (RICARDO MORAES)
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Nicht nur Schmiergeldzahlungen und Razzien in Rio dämpfen die Stimmung vor dem IOC-Kongress in Lima, auch die Situation in Nordkorea weckt Bedenken ob der Winterspiele 2018.

Lima. Die Sommerspiele von Rio de Janeiro sorgen weiterhin für Aufsehen in der Welt des Sports. Das Maracanã-Stadion verfällt und wird vorwiegend von Katzen besucht. Mafiabanden erobern sukzessive ihre zuvor von der Polizei jahrelang „befriedeten“ Favelas retour, die Beamten tolerieren es, weil sie monatelang auf ihre Gehälter warten müssen. Immobilien nahe des Olympiadorfes in Barra bleiben unbewohnt, weil Mieten oder Kaufpreis absurd hoch sind. Jetzt ermittelt auch noch die Justiz wegen Bestechung, Korruption und Stimmenkaufs – und diese Schatten erreichen auch das Internationale Olympische Komitee.

Das erhoffte Idyll, sich beim Kongress in Lima diese Woche vor die Weltpresse zu stellen und seine verwirklichte Vision zweier gleichzeitig vergebener Sommerspiele zu verkünden, ist für IOC-Präsident Thomas Bach geplatzt. Das Schauspiel hat an Bedeutung verloren noch ehe er überhaupt auf die Bühne kommen konnte.

Wurden Rio-Spiele gekauft?

Im Gegenteil: nicht die Kür von Paris und Los Angeles als Ausrichter der Sommerspiele 2024 beziehungsweise 2028 bestimmte die Themen vor und während des IOC-Vollkongresses, sondern die Razzien der brasilianischen Polizei im Anwesen von Carlos Nuzman.

Auf dem Anwesen des OK-Chefs der Sommerspiele 2016 und im Haus des Nationalen Olympischen Komitee, dessen Präsident der 75-Jährige ist, wurde die dunkle Seite des milliardenschweren Geschäfts mit dem Sport wieder einmal aufgedeckt. Nuzman soll nach Erkenntnissen der französischen Justiz afrikanische IOC-Mitglieder mit Zahlungen für Stimmen zugunsten Rios geködert haben. Das „Ehrenmitglied“ musste seinen Pass abgeben, sein Anwalt wies alle Beschuldigungen zurück.

Immer wieder Schmiergeld

Es ist aber ein für den Sport, vor allem aber das IOC bekanntes Klagelied. Bestechungen sind seit Salt Lake City 2002 öffentlich geworden, deren Aufarbeitung samt milder Sperren für Beteiligte ebenso. Dass bei der Vergabe an Rio am 2. Oktober 2009 in Kopenhagen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen seien könnte, war vergangenen März publik geworden. Im Fokus stand das namibische IOC-Mitglied Frankie Fredericks, vierfacher Silbermedaillengewinner und bis dahin just Chef der Evaluierungskommission für 2024. Der ehemalige Top-Sprinter versucht nun den Vorwurf zu entkräften, mit Schmiergeldzahlungen in Höhe von 1,5 Millionen Dollar (1,37 Mio. Euro) in Verbindung zu stehen.

Auch Tokio, Ausrichter der Sommerspiele 2020, musste sich mit Erkenntnissen französischer Ermittler befassen. Die Untersuchung japanischer Behörden sind eher zögerlich und bislang ergebnislos, alle Verdächtigungen werden in Tokio bestritten – und trotzdem deutet vieles auf dieses Muster hin.

Illegale Machenschaften wollte Bach seit seinem Amtsantritt 2013 unterbinden und machte die IOC-Reform zu seinem Projekt. Nun wird er von der Vergangenheit eingeholt. Bach, der für seinen Umgang mit Russlands Dopingskandal weiterhin in der Kritik steht, ist nun um Aufarbeitung der Ergebnisse bemüht. Dass er am Mittwoch in Peru mit Paris und Los Angeles zwei Sieger präsentieren wollte, geriet jedoch nur noch zum Nebengeräusch.

Pjöngjang stört Pyeongchang

Gian-Franco Kasper, Präsident des Skiweltverbandes FIS, befürchtet, dass ob der nordkoreanischen Raketen- und Bombentests einige Nationen auf die Winterspiele 2018 in Pyeongchang verzichten könnten. Kasper sagte: „Sie könnten die Spiele boykottieren, weil es ihnen vielleicht zu riskant erscheint, Athleten nach Südkorea zu schicken.“

Der 73-Jährige erwartet, dass die Sicherheitslage in Lima thematisiert wird, geht aber davon aus, dass alles nach Plan stattfinden werde. „Möglicherweise wird über eine Verlegung diskutiert. Ob es dann in der Exekutive besprochen wird und auf die Tagesordnung kommt, weiß ich nicht.“ Bach hatte dazu bereits eine klare Meinung. Die Spiele in Pyeongchang würden „nicht infrage gestellt, sondern als Symbol des Verstehens und des Dialogs“ betrachtet. (fin)

AUF EINEN BLICK

Nicht nur wegen Carlos Nuzman oder der Korea-Frage gerät das IOC unter Druck, auch wegen weiterer verdienter Kollegen. Der wegen des Rio-Ticketskandals umstrittene Ire Patrick Hickey ist nun zurückgetreten.

Patrick Hickey, 72, wird die Verwicklung in den Schwarzmarkthandel mit Tickets über rund zehn Mio. Dollar am Rande der Sommerspiele in Rio vorgeworfen. Er soll Karten des irischen Komitees überteuert an eine Ticketfirma weitergegeben und sich dadurch bereichert haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2017)

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