Darts: Die Millimeterarbeit eines Champions

Mensur Suljović hat ein Stück österreichische Sportgeschichte geschrieben.
Mensur Suljović hat ein Stück österreichische Sportgeschichte geschrieben.(c) REUTERS
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Der Wiener Mensur Suljović, Spitzname „The Gentle“, hat die Champions League gewonnen. Es ist der Sensationscoup eines Außenseiters, der die Topstars der Szene düpierte.

Cardiff/Wien. Allen Vorurteilen eines „Wirtshaussports“ zum Trotz war es ein Stück österreichische Sportgeschichte, das Mensur Suljović vollbracht hat. Der Wiener, 45, hat bei seiner ersten Teilnahme die Champions League of Darts in Cardiff gewonnen, es ist der erste Major-Titel der Professional Darts Corporation (PDC) eines Österreichers. Und für Suljović selbst steht ohnehin außer Frage, dass er Profisport betreibt. Drei bis sechs Stunden täglich trainiert er, Ikone Phil Taylor, 57, der Darts um die Jahrtausendwende groß gemacht hatte, feilte gar bis zu zehn Stunden am Tag an seinem Spiel.

Auf den britischen Superstar traf Suljović auf dem Weg zu seinem Titel nicht, Taylor war in Cardiff im Halbfinale an Gary Anderson, 46, Nummer zwei der Welt aus Schottland, gescheitert. Vor nicht allzu langer Zeit hätte Suljović bei einem Endspielgegner wie Anderson noch gezittert, inzwischen aber hat er alle Topspieler nicht nur geschlagen, als Nummer sieben der Welt ist er längst einer von ihnen. Ein Profi also, der sich auch im Rampenlicht, vor Hunderten, manchmal Tausenden singenden und feiernden Fans keine Blöße bei der Präzisionsarbeit gibt. Immerhin gilt es, aus 2,37 Metern Abstand die nur acht Millimeter breiten Triple- und Double-Felder zu treffen. Eine Belastungsprobe, wie sie im Training unmöglich zu simulieren ist. Zweieinhalb Jahre lang hat Suljović deshalb mit einem Mentaltrainer gearbeitet. Denn: Die Felder zu treffen, ist Routine, es aber auch in den entscheidenden Momenten zu tun, ein Kunststück.

Dank seiner Nervenstärke im Abschluss besiegte er Anderson im Endspiel 11:9. Im Halbfinale hatte Suljović den Niederländer Raymond van Barneveld ebenfalls 11:9 bezwungen. Das Einladungsturnier der Top acht der Welt wurde so zum Sensationscoup eines Außenseiters, ein Brigittenauer düpierte die von Briten und Niederländern dominierte Weltspitze. Die Quoten auf einen Turniersieg von Suljović lagen bei 1:40, dennoch gewann er in Cardiff alle fünf Partien. „Dieser Mann war in den vergangenen zwei Jahren brillant“, erklärte der unterlegene Anderson.

Vor drei Jahren allerdings stand Suljović noch kurz davor, aufzuhören. Dartsspieler fliegen beinahe jeden Donnerstag zu einem Turnier und am Montag wieder zurück. Sportlich lief es gar nicht schlecht, nur finanziell lohnte sich der Aufwand nicht. Diese Sorgen sind im Hause Suljović vorerst passé. Vor einem Jahr hatte der Familienvater als erster Österreicher in Riesa, Deutschland, ein PDC-Turnier gewonnen. Wenig später stand er nach einer Niederlage im EM-Finale in Hasselt, Belgien, gegen Michael van Gerwen, den aktuellen Topstar der Szene, in den Top Ten der Weltrangliste. Die sogenannte Order of Merit ist eine Zwei-Jahres-Preisgeldwertung, derzufolge Suljović in den vergangenen zwei Jahren 349.000 Pfund (395.000 Euro) erspielt hat. Der Champions-League-Titel in Cardiff brachte weitere 100.000 Pfund (113.000 Euro).

Überwältigende Wochen

Angesichts dieser Summen und des Showcharakters seines Sports ist der allseits beliebte Österreicher eine Ausnahmeerscheinung. Suljović, Spitzname „The Gentle“ (Der Sanfte), ist im Vergleich zu den meist extrovertierten, beleibten und tätowierten Stars der Szene ein ruhiger Zeitgenosse. In den Siegerinterviews in Cardiff brachte er kaum Zitierfähiges heraus, zu überwältigend waren die vergangenen Wochen, in denen er nicht nur den größten Sieg seiner Karriere feierte, sondern auch seine Tochter zur Welt kam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2017)

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