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George Weah: Der Weltfußballer als Präsident

Längst nicht mehr nur alternder Fußballstar, sondern möglicherweise bald Liberias neuer Präsident: George Weah.
Längst nicht mehr nur alternder Fußballstar, sondern möglicherweise bald Liberias neuer Präsident: George Weah.(c) APA/AFP/ISSOUF SANOGO
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Ex-Milan-Star George Weah will Staatspräsident von Liberia werden, die Stichwahl am 7. November hat er erreicht. Der Sprung eines Profisportlers in die Politik ist jedoch nicht immer erfolgreich – schon gar nicht in Österreich.

Monrovia. Er war Afrikas „Fußballer des Jahrhunderts“, Europas Fußballer des Jahres, Weltfußballer des Jahres, Held beim AC Milan – und nun könnten ihm auch die höchsten Weihen der Politik zuteilwerden. George Weah, 51, ist auf dem besten Weg, Präsident seines Heimatlandes Liberia zu werden. Er wird bei einer Stichwahl um das Amt des Staatschefs gegen den bisherigen Vizepräsidenten Joseph Boakai antreten.
Nach dem amtlichen Endergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl lag Weah mit 38,4 Prozent deutlich vor Boakai, die Stichwahl findet am 7. November statt. Liberia mit rund 4,6 Millionen Einwohnern ist von der Fläche her größer als Österreich. Nach einem Index der Vereinten Nationen zählt es zu den 15 ärmsten Ländern der Welt. Weah tritt für die oppositionelle Koalition Demokratischen Wechsel (CDC) an, Boakai geht für die regierende Partei für Einheit (UP) ins Rennen.

Die Frau eines Warlords

Der Bart des ehemaligen Stürmers ist inzwischen angegraut, die Figur rundlicher, doch sein Herz hat der ehemalige Fußballstar (u. a. Monaco, PSG und Milan) behalten. Bereits 2005 hatte er es in die Stichwahl geschafft, in der er den Sieg der nun scheidenden Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf (die erste frei gewählte Präsidentin Afrikas) aber nicht anerkennen wollte, was zu Unruhen in dem bitterarmen und von Bürgerkriegen gebeutelten Land führte. Erst internationale Vermittlungen konnten den Konflikt beenden.

Dass Weah die Ex-Frau des Militärmachthabers Charles Taylor, einer der brutalsten Warlords Afrikas, der einen Bürgerkrieg anzettelte und vom UN-Sondertribunal in Den Haag zu 50 Jahren Haft verurteilt wurde, in sein Team holte, sorgte dennoch für Irritationen.

Normalerweise werden Fußballer nach ihrer aktiven Karriere vorzugsweise Trainer, Berater oder gut entlohnte Botschafter diverser Konzerne. Manche schlagen sogar eine Funktionärslaufbahn ein, werden Sportdirektor oder Klubchef. Dass Profis den Weg in die Politik antreten, ist unüblich, jedoch kein Einzelfall. So zog der russische Stürmer Roman Pavlyuchenko 2008 für Wladimir Putins Partei Einiges Russland in das Parlament seiner Heimatstadt Stawropol ein. Ein Fußballkommentator spottete, der einzige Grund, warum er in die Politik ginge, sei, dass die internationale Finanzkrise sein Gehalt gedrückt habe. Immerhin erzielte er deutlich mehr Stimmen als Tore. Andrei Arshavin ließ sich bei den Regionalwahlen 2007 ebenfalls für die Putin-Partei aufstellen, zog seine Kandidatur allerdings zurück.

Pelé und Romário

Der ehemalige brasilianische Stürmerstar und Weltmeister Romário saß für die Partido Socialista Brasileiro (PSB) des Bundesstaates Rio de Janeiro von 2011 bis 2015 in der Abgeordnetenkammer des brasilianischen Nationalkongresses. 2015 wurde er zum Senator gewählt. Romário, der in seiner Heimat liebevoll Baixinho (der Kurze) genannt wird, geriert sich als Saubermann im Kampf gegen Korruption. Im Kongress leitet er einen Untersuchungsausschuss gegen Bestechungsvorwürfe rund um die Austragung der Fußball-WM 2014 in Brasilien, wobei gegen ihn selbst Korruptionsvorwürfe erhoben wurden.

Pelé, den Romário „Dummkopf“ schilt, amtete von 1995 bis 1998 unter Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso als Sportminister. Er brachte zwar die nach ihm benannte Lex Pelé gegen Korruption und Leibeigenschaft im Fußball auf den Weg, vermarktete dabei seinen Heldenstatus jedoch hemmungslos. Dass sich Pelé mit zwielichtigen und später wegen Bestechung verurteilten Funktionären wie João Havelange (CBF-Chef, ehemaliger Fifa-Präsident) und dessen Ex-Schwiegersohn Ricardo Texeira (CBF-Präsident) umgab, schadete seinem Image zusätzlich. Politik stutzt Legenden schnell – ohne Rücksicht auf ihre Errungenschaften – auf ein Normalmaß zurück.

Vielleicht ist das der Grund, warum der ehemalige französische Nationalspieler Lilian Thuram einen Regierungseintritt unter Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy ablehnte, als der ihm Ende 2008 den Posten des Ministers für Diversität angeboten hatte. Thuram hatte sich öffentlich gegen Sarkozy positioniert, dem er vorwarf, mit seiner Aussage, die Vorstädte „mit dem Kärcher säubern“ zu wollen, einen „rassistischen Diskurs“ zu führen.

Parlament statt Abseitsregel

Versuche, vom Spielfeld in die Arena der Politik zu wechseln, waren nicht immer von Erfolg gekrönt. Der ehemalige englische Nationalspieler Sol Campbell scheiterte als Kandidat der konservativen Tories für die Londoner Bürgermeisterwahl. Der Belgier Marc Wilmots zog 2003 für Partei Mouvement Réformateur (die wallonischen Liberalen) als Abgeordneter ins Parlament ein, wo er allerdings mehr durch Abwesenheit glänzte und nach nur zwei Jahren sein Mandat niederlegte.

Kolumbiens Kultkicker Carlos Valderrama, einer der schillerndsten Paradiesvögel, den der Fußball je gesehen hat, kandidierte bei den Parlamentswahlen für die Partido Social de Unidad Nacional, machte dann aber einen Rückzieher. Seiner Beliebtheit tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil.

AUF EINEN BLICK

Auch Österreichs Sportler wagen mitunter den Wechsel in die Politik. Nun setzt ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf die ehemalige Stabhochspringerin Kira Grünberg, die seit einem Trainingsunfall 2015 querschnittgelähmt ist.
Liese Prokop, Olympiazweite im Fünfkampf, war Landeshauptmannstellvertreterin in Niederösterreich und Innenministerin. Skirennläuferin Roswitha Steiner saß für die ÖVP im Salzburger Landtag, Schwimmerin Vera Lischka für die SPÖ in Oberösterreich. Bob-Olympionike Ingo Appelt war FPÖ-Landtagsabgeordneter in Tirol. Ski-Olympiasieger Patrick Ortlieb saß für die FPÖ im Nationalrat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2017)

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