Olympia 2018: Ein Sprung ins Ungewisse

Winterspiele in Südkorea, hier im Skizentrum von Alpensia – alles nur eine Frage der Perspektive.
Winterspiele in Südkorea, hier im Skizentrum von Alpensia – alles nur eine Frage der Perspektive.APA/AFP/JUNG YEON-JE
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Pyeongchang 2018 wird von Skepsis begleitet, auch die Begeisterungsfähigkeit für diese Winterspiele hält sich aus diversen Gründen in Grenzen. Ein Lokalaugenschein.

Im dritten Anlauf hatte es für Pyeongchang endlich geklappt. Nach vergeblichen Bewerbungen für die Olympischen Winterspiele 2010 (Vancouver) und 2014 (Sotschi) blickt die Sportwelt von 9. bis 25. Februar 2018 nach Südkorea. Es ist der Beginn einer asiatischen Ära auf dem umkämpften Weltmarkt, denn mit Tokio 2020 und Peking 2022 finden auch die darauffolgenden Spiele im fernen Osten statt. Dreieineinalb Monate vor dem ersten Wettkampf wähnt sich Pyeongchang bereit, die finalen Bauarbeiten sind angelaufen. Noch prägen Bagger und Bauarbeiter das Bild, mit Verzögerungen ist aber nicht zu rechnen. Koreanern sagt man nach, äußerst diszipliniert und genau zu arbeiten.

Aufgeteilt in eine Berg- und Küstenregion stehen insgesamt zwölf Wettkampfstätten zur Verfügung, sechs sind neu entstanden. Wie viele davon nach den Spielen weiter genutzt werden, ist noch zu klären. Die Frage der Nachhaltigkeit muss gestellt werden, wieder einmal.

Das 35.000 Zuschauer fassende Olympiastadion wird ausschließlich für die Eröffnungs- und Schlussfeier genutzt, danach abgebaut. Nur die Betontribüne wird Bestand haben, sie wird in ein Olympiamuseum umfunktioniert. Eine Ausnahme bilden dabei die beiden Olympischen Dörfer. Die Wohnhausanlagen gehen nach den Spielen an die Öffentlichkeit über, sämtliche Einheiten, so heißt es, wurden bereits verkauft. Eine 85-m?-Wohnung in den Bergen war für umgerechnet 212.000 Euro zu erstehen.

Pyeongchang im Osten Südkoreas rühmt sich mit Spielen der kurzen Wege. Tatsächlich sollten sämtliche Wettkampfstätten innerhalb von rund 40 Minuten erreichbar sein, bei den vergangenen Spielen in Sotschi oder Rio de Janeiro hingegen mussten teils „Weltreisen“ auf sich genommen werden. Allerdings, wie groß wird die Nachfrage nach Tickets denn überhaupt sein? Echtes Olympia-Flair ist beim Lokalaugenschein der „Presse am Sonntag“ Mitte Oktober nicht zu vernehmen. Es gibt vernachlässigbar wenig Werbung für die zweiten Spiele im eigenen Land nach den Sommerspielen von Seoul 1988. Das lokale Organisationskomitee verbreitet dennoch unaufhaltsam Zweckoptimismus.


Korea, die Unbekannte. Mit bis zu 100.000 Besuchern pro Tag werde offiziell geplant, diese Zahl bleibt vermutlich eine Illusion. Denn der Kartenverkauf verläuft schleppend, erst 31 Prozent der insgesamt 1,18 Millionen Tickets wurden bislang abgesetzt. Vereinzelte Events wie Shorttrack oder Eisschnell- und Eiskunstlauf werden sich großen Andrangs erfreuen, anderen Sportarten, etwa dem Biathlon, drohen Medaillenentscheidungen vor (fast) leeren Rängen.

Ex-Biathlet Christoph Sumann, dreifacher Olympiamedaillengewinner, erinnert sich an die Austragung des ersten Weltcups in Pyeongchang 2008: „Es war nichts los, die Menschen haben mit unserem Sport nichts anfangen können.“ Neun Jahre später erhoffen sich die Veranstalter mehr Zuspruch, nicht zuletzt deshalb hat Südkorea russische Biathleten eingebürgert. Selbiges tat man im Eishockey, wo sich das Team schon vor einigen Jahren mit Kanadiern verstärkte, sie bilden das Gerüst der Auswahl. Medaille wird das Team Südkorea deshalb trotzdem keine gewinnen.

70 Prozent der Olympia-Gäste sollen aus Südkorea kommen, Hyungkoo Yeo, Vizepräsident des Organisationskomitees, beruhigt mit einem Lächeln: „Koreaner tendieren dazu, Karten erst sehr spontan zu kaufen.“ Wenn das Olympische Feuer ab 1. November durch das Land getragen wird, soll die Euphorie bei den reservierten Landsleuten endgültig entfacht werden, so die Hoffnung der Organisatoren. Doch nicht nur im Gastgeberland selbst, auch international erweist sich Pyeongchang nicht als Zugpferd. Aus Österreich wurden bis dato nur drei Reisepakte gebucht, berichtet Reiseveranstalterin Petra Vieten. Zum Vergleich: In Rio waren es noch rund 60 gewesen. Korea sei in den Köpfen vieler Österreicher und Europäer ein zu fernes Reiseziel, es gäbe keine Erfahrungen damit. ÖOC-Präsident Karl Stoss ergänzte: „Korea ist eigentlich ein blinder Fleck auf der Landkarte.“

Einen zusätzlich abschreckenden Beitrag zur allgemeinen Skepsis liefert zweifelsohne die angespannte politische Lage. Es irritiert, schürt Ängste und Befürchtungen, freilich nicht nur bei Athleten. Pyeongchang garantiert sichere Spiele, dabei hat man diese im Grunde nicht einmal in der eigenen Hand. In Südkorea selbst sieht man die Lage längst nicht so angespannt wie in der westlichen Welt, vieles werde dramatisiert, Spannungen und so manche Provokation sei man eben gewöhnt. Stoss: „Wir erleben eine verbale Auseinandersetzung, bei der sich zwei Herren relativ wenig schenken. Aber es ist immer noch besser, als Waffen aufeinander zu richten. Wir gehen von friedlichen Spielen aus.“

Das macht auch Pyeongchang und verweist dabei gern auf die „Happy700“. Koreaner empfinden 700 Meter Seehöhe als perfekt, um ein glückliches und gesundes Leben zu führen. Alpensia, wo die meisten Skibewerbe stattfinden, liegt auf eben diesen 700 Metern Seehöhe. Mit einem „Winter Wonderland“ ist trotzdem nicht zu rechnen. Für gewöhnlich fallen hier 20 Zentimeter an Naturschnee, am 1. Dezember wird mit der Produktion von Kunstschnee begonnen. Das ist offenbar die Grundvoraussetzung im IOC für die Vergabe von Winterspielen.

COMPLIANCE
DAS ÖOC ÜBERNAHM DIE REISEKOSTEN DES AUTORS.

IN ZAHLEN

12Wettkampfstätten
gibt es in Pyeong-chang insgesamt, sechs mussten neu errichtet werden.

26Test-Events
wurden in diversen Sportarten vorab durchgeführt, um bei Olympia einen reibungslosen Ablauf zu garantieren.

13.503Volunteers
werden in Pyeongchang helfend unterstützen, in Summe hatten sich 91.656 Personen aus 145 Ländern beworben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2017)

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