Das Verlangen der „roten Göttin“

FORMEL 1 - GP von Australien
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Die Scuderia Ferrari träumt in dieser Saison vom großen Überholmanöver, bricht dafür mit Traditionen, setzt auf eine „Staubsaugernase“ und das Geschick von Räikkönen und Alonso.

Melbourne. Vergessen schienen vor dem Auftakt der Formel-1-Saison alle Querelen bei Ferrari. Es herrschte seltene Eintracht im Lager der Scuderia. Kein Wort fiel nach den ersten Trainings in Melbourne über verlorene Weltmeisterschaften und Rückstände auf Red Bull oder Mercedes. Dafür war der Auftritt auch zu vielversprechend. Fernando Alonso fuhr bei der ersten Ausfahrt für den Grand Prix am Sonntag (7 Uhr, ORF1) im Albert Park Bestzeit. Auch Heimkehrer Kimi Räikkönen schien mit dem Rennwagen, der aus dem Starterfeld wegen seiner „Staubsaugernase“ herausragt, zurechtzukommen. Doch diese Ruhe ist trügerisch, in dieser Saison verlangt Präsident Luca di Montezemolo greifbare Ergebnisse – der Chef der Scuderia will wieder Pokale in Empfang nehmen und die WM feiern.

Darauf warten er und das motorsportbegeisterte Italien schon lange genug. 2007 war es Räikkönen vorbehalten, als letzter Ferrari-Pilot die WM zu gewinnen. Seitdem stellten stets andere Teams oder gar ein Energydrinkhersteller den Weltmeister und für einen Automobilhersteller wie Ferrari ist das eine Schmach. Um diesem Negativtrend ein Ende zu setzen, sprang Di Montezemolo sogar über seinen eigenen Schatten und holte den 2009 mit knapp 18 Millionen Euro Abfindung vom Hof gejagten finnischen Stoiker zurück.

Dass diese Personalfrage bei Alonso auf Missfallen stieß, war kaum verwunderlich. Sie widerspricht sogar der Kultur der Tifosi. In Zeiten chronischer Erfolglosigkeit wurde in den 1970er-Jahren Niki Lauda als Star verpflichtet. In den 1990er-Jahren wurde Michael Schumacher engagiert und diese Taktik mündete in den für Di Montezemolo (be)greifbaren Erfolgen. Neu ist hingegen der Ansatz, zwei Stars unter einem Dach zu vereinen, entgegen allen Prognosen, die Streitigkeiten, Konkurrenzkampf und Missgunst erahnen lassen. Erstmals seit 1953 setzt Ferrari wieder auf zwei Weltmeister, damals waren es Alberto Ascari und Giuseppe Farina. Die Epoche der „Wasserträger“ mit Eddie Irvine, Rubens Barrichello oder Felipe Massa, die im Auftrag der „roten Göttin“ fuhren, ist Geschichte.

Räikkönen, 34, und Alonso, 32, sind das erfolgreichste Fahrerpaar im Feld. Der Finne und der Asturier haben zusammen drei WM-Titel und 52 GP gewonnen. Ihre Ausnahmestellung birgt jedoch die Gefahr, die Teamrivalität neu zu entfachen. Eine, die an Selbstzerstörung grenzt und von Mansell/Piquet, Senna/Prost oder auch Alonso/Hamilton schon bis zum Exzess vorangetrieben worden ist. Ferrari nimmt das im Duell gegen Mercedes und Red Bull aber in Kauf. Dafür warf der Präsident auch seine Philosophie über Bord. „Man möchte nicht zwei Hähne in einem Hühnerstall“, diesen Satz hat er wohl vergessen.

Ob Räikkönen aber der richtige Fahrer ist, damit Ferrari vom neuen Reglement profitiert, ist fraglich. Die neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren verlangen geschultes, ruhiges Fahrverhalten. Anweisungen der Techniker, etwa in Reifenfragen oder der Motorkühlung über den Boxenfunk, darf der Finne nun nicht mehr wie zuletzt im Lotus-Team ignorieren. Zudem sind nur noch 100 statt 150 Kilogramm Sprit erlaubt, damit muss ein ganzes Rennen bestritten werden. Das Gesamtgewicht der Boliden darf inklusive Fahrer und Reifen 691 Kilogramm nicht unterschreiten. Das eigene Körpergewicht, Abnützung der Reifen und Spritsparen erhalten eine für die Formel 1 vollkommen neue Bedeutung.

Di Montezemolo warnte deshalb alle Mitstreiter. Er glaubt, dass sich angesichts dieser Regeln viele „Piloten in Taxifahrer – bei allem Respekt – verwandeln“ würden. Deshalb setzt Ferrari auf zwei Champions. Man streitet lieber untereinander um Status und Ergebnisse statt mit dem Fahrer um eine lahme Fahrt und einen viel zu hohen Preis. (dat)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2014)

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