Formel 1: Ungarische Krise bei Mercedes

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Lewis Hamilton verteidigte seinen Alleingang: „Ich fahre für mich.“ Motorsportchef Toto Wolff will nicht von einer Stallorder sprechen und schließt eine Strafe für den Briten aus.

Budapest/Wien. Mit einem Kracher verabschiedete sich die Formel 1 in Ungarn in die vierwöchige Sommerpause. Während Red Bull den zweiten Saisonsieg von Daniel Ricciardo feiert, gilt es für Mercedes, die teaminternen Wogen zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu glätten. Deren Verhältnis ist aufgrund des engen WM-Duells ohnehin bis aufs Äußerste angespannt und hat nun einen neuen Tiefpunkt erreicht. Hatte sich Mercedes in der Vergangenheit noch vehement gegen Stallorder ausgesprochen, war es am Sonntag in Runde 51 soweit: Hamilton sollte WM–Leader Rosberg vorbeilassen, dieser ignorierte die Anordnung jedoch eiskalt: „Ich werde für Nico nicht langsamer fahren.“

Trotz seines eindrucksvollen Husarenrittes aus der Boxengasse bis auf den dritten Platz hielt der Brite nach dem Rennen mit seiner schlechten Laune nicht hinter dem Berg. „Schockierend“ und „seltsam“ fand Hamilton die Funkanweisung und verteidigte seinen Alleingang: „Hätte ich Nico in diesem Moment vorbeigelassen, hätte er mich geschlagen. Ich hätte also Punkte verloren. Insofern ist es zwar komisch, aber ich bin zufrieden, dass ich die für mich richtige Entscheidung getroffen habe.“ Auf die Frage, ob dies Rosberg den Sieg gekostet haben könnte, antworte der WM-Zweite knapp: „Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich fahre für mich, nicht für ihn.“

Rosberg, der als Vierter seine schlechteste Saisonplatzierung einfuhr und in der WM-Wertung elf Punkte vor Hamilton liegt, verkniff sich einen Kommentar: „Man hat gesehen, was passiert ist. Es ist besser, das hinter verschlossenen Türen zu regeln.“ Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Anweisung nicht von ihm ausgegangen sei. „Ich wurde vom Team informiert, dass Lewis mich vorbeilassen würde. Das war's.“

Zwei Einzelkämpfer, ein Ziel

Wurden die Verantwortlichen bei Mercedes lange für ihr Credo, beide Piloten frei fahren zu lassen, gelobt, stellt sich nun die Frage, wohin diese liberale Haltung in einem hierarchischen Sport wie der Formel 1 führt. Zumal Hamilton für seine Missachtung keine Strafe erwartet. „So etwas gibt es bei uns nicht“, erklärte Motorsportchef Toto Wolff, der sich auch dagegen wehrte, von einer Stallorder zu sprechen. „Nico war nicht nah genug dran.“ Vielmehr müsse man sich damit auseinandersetzen, dass man es nicht mit Teamplayern, sondern Einzelkämpfern zu tun habe. „Was wir zu Saisonbeginn festgelegt haben, funktioniert offensichtlich nicht mehr“, meinte Wolff. „Zu diesem Zeitpunkt der WM können wir von den Fahrern anscheinend nicht mehr verlangen, ihren Vorteil im Sinne des Teams aufzugeben.“

Aufsichtsratvorsitzender Niki Lauda verteidigte den Vorfall ebenfalls als „völlig normales Verhalten zweier Fahrer, die vor dem jeweils anderen sein wollen“. Die Anweisung sei ein aus der Panik geborener Schnellschuss seines Teams gewesen. „Mercedes war es gewohnt gegeneinander um den Sieg zu fahren. Diesmal war alles anders und der Stress enorm“, meinte Lauda, der sich wieder einmal als Friedensstifter versuchen darf. Ein klärendes Gespräch zwischen Rosberg und Hamilton ist jedenfalls angesetzt. Ebenso wie der dreimalige Weltmeister wollte Wolff die Situation aber nicht überdramatisieren: „Wenn sich die Gemüter beruhigt haben und die Situation in Ruhe durchgesprochen ist, dann wird der Ärger von selbst verflogen sein.“ Ob dem so ist, wird sich spätestens am 24. August in Spa zeigen.

AUF EINEN BLICK

Lewis Hamilton ignorierte im Grand Prix von Ungarn eine Funkanweisung, Teamkollegen Nico Rosberg vorbeizulassen, und sorgte damit für Katerstimmung bei Mercedes. Motorsportchef Toto Wolff sieht dennoch von einer Strafe für den Briten ab, auch Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda verteidigte die Aktion. Bis zum nächsten Rennen in Spa (24. August) ist Aufarbeitung angesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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