Ecclestones teuer erkaufte Unschuld

Prozess gegen Bernie Ecclestone
Prozess gegen Bernie Ecclestone(c) APA/dpa
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Der Prozess gegen den Formel-1-Chef, Bernie Ecclestone, wurde für die Rekordsumme von 100 Mio. Dollar eingestellt.

München/Berlin. In der Formel 1 gilt die Devise: Mit Geld lässt sich alles regeln. So hält es Bernie Ecclestone, der seit Jahrzehnten unangefochten über den Rennzirkus herrscht. Doch an diesem Dienstag wirkte der 83-Jährige angespannt. Für ihn ging es vor dem Landgericht München um alles: seine Macht, seine Reputation, seine Freiheit. Dann, um 13 Uhr, das große Aufatmen. Der Richter verkündet, dass er der Einigung der Staatsanwälte und Verteidiger zustimmt: Das Verfahren wegen Korruption wird eingestellt. Ecclestone darf auf die Unschuldsvermutung pochen. Er ist nicht freigesprochen, aber auch nicht vorbestraft, ein freier Mann – und dafür um 100 Mio. Dollar (74,72 Mio. Euro) ärmer.

Es ist diese Rekordsumme, die in Deutschland für böses Blut sorgt. Das schlimme Wort „Klassenjustiz“ macht die Runde. Ein Milliardär habe sich freigekauft. Eine „Frechheit“ nennt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, vor einem Jahr noch FDP-Justizministerin, die Absprache, die das „Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger massiv beschädigt“. In „dieser Dimension“ dürfe nicht „mit Gerechtigkeit gehandelt“ werden – zumal die Höhe auf „ganz erhebliche Schuld“ hindeute. Auch die „FAZ“ kritisiert den „obszönen Deal“.

Tatsächlich kommt die „Einstellung gegen Geldauflage“ seit 40 Jahren fast täglich zur Anwendung. Vor allem in Wirtschaftsstrafsachen mit unklarer Beweislage verkürzt sie das Verfahren und spart Kosten. Ihre Höhe bemisst sich nach dem Vermögen des Angeklagten, schon mit ein paar tausend Euro sind manche dabei. Freilich: Die „Schwere der Schuld“ darf dem Deal nicht entgegenstehen. Und hier setzen die Zweifel im Fall Ecclestone ein. Immerhin warf die Anklage dem Rennsport-Zampano vor, er habe 2006 dem damaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky 44 Mio. Dollar zugeschanzt. Dafür habe die Bank ihre Formel-1-Anteile an den Investor CVC verkauft, der Ecclestone weiter in der Motorsport-Königsklasse schalten und walten ließ.

Einigung auch mit BayernLB?

Also: Bestechung, hohe Summen, aus purem Eigennutz. Daher auch das geforderte Strafmaß von bis zu zehn Jahren Haft. Ecclestones Erklärung, er habe sich von Gribkowsky in Steuersachen erpresst gefühlt und ihm nur Schweigegeld gezahlt, klang nach einer Schutzbehauptung – zumal Gribkowsky schon in der Version der Staatsanwälte gestanden hatte und dafür achteinhalb Jahre Haft ausfasste. Dennoch sahen die Ankläger schon bald nach dem Prozessbeginn im April ihre Felle davonschwimmen. Was Ecclestone rettete: Man kann ihm keine wissentliche „Bestechung eines Amtsträgers“ zur Last legen – weil er wohl schlicht nicht wusste, dass es sich bei der bayerischen Landesbank um ein staatliches Institut handelt.

Das ergaben die Zeugenaussagen. Auch für den Vorwurf, Ecclestone habe mit dem Bankmanager Geld der BayernLB abgezweigt und somit zur Untreue angestiftet, fanden sich mildernde Umstände: Er habe ja auch Millionengarantien für das Institut übernommen.

Das sah man in der BayernLB bis vor Kurzem noch ganz anders. Die Bank fühlte sich von dem mächtigen Briten massiv geschädigt. Denn sie hätte die Anteile, die ihr einst als Kreditgarantien aus dem Kirch-Medienimperium zugefallen waren, viel teurer verkaufen können. Deshalb forderte sie 400 Mio. Dollar Schadenersatz. Doch auch dieser Vorwurf ließ sich nicht erhärten. Nun dürfte die Bank auf Ecclestones Angebot über 25 Mio. Dollar eingehen. Damit wäre er alle Sorgen in Deutschland los. Von München verabschiedete er sich gestern mit „Bye-bye“, auf den letzten Metern vor seiner Limousine.

In der Formel 1 hält man Ecclestone weiter für unverzichtbar. Umso nervöser war man zuletzt bei Mercedes, Ferrari und Red Bull. Die Meldungen über Bestechungsmillionen und Briefkastenfirmen passten nicht in die saubere Compliance-Welt der Rennställe. Auch die Formel-1-Investoren können nun aufatmen: Das gröbste Hindernis für den ersehnten Börsen-Exit ist ausgeräumt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2014)

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