Formel 1: Der Teamkollege ist der größte Feind

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Bei Mercedes rumort es nach dem "Teamunfall" von Spa. Rosberg wird heftig kritisiert, Hamilton spielt routiniert die Opferrolle. Wolff und Lauda beraten über Stallorder als Konsequenz.

Spa/Wien. Rittern Geschwister um die Gunst der Eltern, ist ein Streit unausweichlich. Buhlen egoistische Multimillionäre um Aufmerksamkeit, ist das Niveau getrost gleich und ein Konflikt garantiert. In beiden Fällen bedarf es dringlicher, die Situation bereinigender Worte der „Erziehungsberechtigten“. In der Causa der Formel-1-Streithähne Nico Rosberg und Lewis Hamilton haben die Verantwortlichen im Mercedes-Team jetzt ein Problem. Toto Wolff und Niki Lauda haben zu lange zugesehen und vergebens auf die Vernunft ihrer Fahrer gehofft.

Die Kollision beim GP von Spa kam keineswegs überraschend; sie war nur noch eine Frage der Zeit. Seit Saisonbeginn liegen beide Stars im Clinch, sie pochen auf ihren Status als Nummer eins. Doch anstatt die Fronten im Sinn der WM-Mission und im Auftrag des Automobilherstellers mit harten Worten, Strafen oder einer Entscheidung zu klären, übte sich die Führung der Silberpfeile in Diplomatie. Mit dem Effekt, dass nach dem Unfall – Rosberg schlitzte in der zweiten Runde Hamiltons linken Hinterreifen auf – erneut nur der eine, der in der Formel 1 gängige Ausweg übrig bleibt: die Teamorder.

Rosberg ist WM-Führender

„Wenn wir so weitermachen, wird es wieder passieren. Wir haben geglaubt, dass beide es verstehen. Jetzt brauchen wir eine Regelung“, sagt Wolff. Doch wenn es stimmt, was Beobachter vom 38 Minuten dauernden Meeting berichteten, ist eine schnelle Lösung undenkbar. Rosberg stand mit dem Rücken zur Wand; Wolff, Lauda, Lowe – alle beschuldigten ihn. Sein Kontrahent sprach später sogar von Absicht, Rosberg soll es auch zugegeben haben. Er habe ein Zeichen setzen wollen, als Revanche für das Nicht-Überholen in Budapest, meinte Hamilton.

Ein Detail geriet dabei aber in Vergessenheit. Der Deutsche ist WM-Führender mit 220 Punkten. Rosberg ist sieben Rennen vor Saisonende die größte Hoffnung auf den WM-Titel. Hamilton hat nur 191 Zähler zu Buche stehen.

In Spa hätte es profunder Krisen-PR bedurft, doch die gab es nicht. Also erklärte es Wolff diplomatisch mit eigenen Worten, er klang wie ein österreichischer Politiker: Rosberg habe Hamilton nicht absichtlich den Reifen aufgeschlitzt, sondern absichtlich nicht zurückgezogen. „Sie waren sich einig, sich nicht einig zu sein...“

Wolff und Lauda wären gut beraten, nicht länger über Schuld und Strafe zu debattieren, sondern trotz aller Bedenken einer teaminternen Regelung gegenüber die Marschroute zu fixieren. Wolff kündigte Konsequenzen an, das „Wort-Case-Szenario“ sei eingetroffen. Stallorder sei allerdings ein hässliches Wort. Auch Lauda wehrte sich vorerst entschieden dagegen. Doch sie scheint wohl die einzige Lösung, um nicht spätestens beim WM-Finale am 23. November in Abu Dhabi – bei diesem GP gibt es erstmals doppelte Punkte – eine böse Überraschung zu erleben.

Erbitterte Duelle zweier Teamkollegen oder Intimfeinde gibt es in der Formel 1 sonder Zahl, passend dazu etliche lachende Dritte. Daniel Ricciardo hat bereits dreimal in dieser Saison vom „Krieg der Sterne“ profitiert. Er ist nach zwei Siegen in Serie nun WM-Dritter mit 156 Punkten. Ein Sieg bringt 25 Zähler – in Abu Dhabi 50.

Für Hamilton ist diese Situation ein Déjà-vu. 2007 duldete das überlegene McLaren-Team den Stallkrieg zwischen ihm und Alonso – und verspielte den Titel. Kimi Räikkönen wurde im letzten Rennen mit einem Punkt Vorsprung auf den Briten Weltmeister.

TOP 3 DER TEAMDUELLE IN DER FORMEL 1



Nummer 1
Prost und Senna: 1989 schoss der hitzköpfige Brasilianer seinen französischen Teamkollegen nach dem Start beim GP von Suzuka, Japan, ohne Rücksicht auf Verluste ab. Er wurde disqualifiziert und Prost Weltmeister – sie sprachen anschließend nie mehr miteinander.

Nummer 2
Alonso und Hamilton:
Der Brite und der Spanier fuhren in der Saison 2007 bei McLaren. Der interne Streit eskalierte beim Qualifying des Ungarn-GP: Doppelweltmeister Alonso blieb trotz Freigabe in der Box stehen, Newcomer Hamilton musste hinter ihm warten und zusehen. Der Brite gewann das Rennen – aber Kimi Räikkönen (Ferrari) die WM.

Nummer 3
Vettel und Webber:
Nach fünf Jahren wohl gespielter Eintracht kam es 2010 beim GP von Istanbul zur Explosion: WM-Leader Webber wurde (mit Erlaubnis?) von Vettel überholt, es kam zum Unfall. Der Deutsche schied aus, Webber wurde Dritter. 2013 in Sepang überholte Vettel – er ignorierte dabei die klare Teamorder (Codewort: Multi21).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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