Formel-1-Finanzmisere: Drei Teams klagen an

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Sauber, Lotus und Force India fordern ein neues Finanzmodell statt des "fragwürdigen Kartells". Bernie Ecclestone hält nichts von Geschenken: "Sie haben genug, um zu überleben."

Abu Dhabi. Vor der Entscheidung im Titel-Zweikampf der Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg im Saisonfinale auf dem Yas Marina Circuit von Abu Dhabi am Sonntag (14Uhr, live ORF eins, RTL, Sky) steht die Motorsport-Königsklasse am Scheideweg. Der bittere Streit um die Verteilung der Einnahmen und die wachsende Not der kleineren Teams hat die Formel1 in die schwerste Krise seit Jahren geführt. Wenn Rechteinhaber Bernie Ecclestone nicht doch noch eine Wende in letzter Minute vollzieht und ein Hilfspaket für die vom Aus bedrohten Rennställe durchsetzt, könnte der letzte Grand Prix des Jahres das Ende einer Ära markieren.

Im Kampf um ihre Existenz wiesen die Rennställe Force India, Sauber und Lotus in einem eindringlichen Brief an Ecclestone den Formel-1-Boss auf die verfahrene Situation hin und forderten ein neues Finanzmodell. Die Privatteams fühlen sich von den Schwergewichten wie Red Bull, Mercedes und Ferrari kaltherzig aus dem Geschäft gedrängt. Robert Fernley, Vize-Teamchef von Force India, wählte in dem zweiseitigen Schreiben deutliche Worte, sprach von einem „fragwürdigen Kartell“, „Machtmissbrauch“ und „Schäden für den Sport“.

Der Blick in die Zukunft kommt für die kleinen Rennställe einer Horrorvision gleich. Denn gemeinsam mit Geschäftsführer Bernie Ecclestone planen die Topteams offenbar schon eine Zukunft ohne die kleineren Rennställe: drei Autos für Red Bull und Ferrari, chancenlose Gebrauchtwagen oder leistungsschwächere Boliden aus der Nachwuchsklasse GP2 für die Nachzüglerteams, um das Feld aufzufüllen. „Sie zerstören einfach die ganze Serie. Das ist kurzsichtig, und keiner denkt dabei an die Fans“, mahnte die österreichische Sauber-Teamchefin, Monisha Kaltenborn.

Wie real die Gefahr eines Massenexodus von Rennställen ist, haben die vergangenen Wochen gezeigt. Marussia ist aus Geldmangel bereits vorzeitig aus dem Starterfeld verschwunden. Bei Caterham hat der Insolvenzverwalter fast die gesamte Belegschaft gekündigt, Pilot Marcus Ericsson ging freiwillig, und den Start in Abu Dhabi ermöglichten erst mittels Crowdfunding gesammelte Spenden.

Ecclestone bleibt hart

Force India, Sauber und Lotus fordern daher ultimativ eine „ausgeglichenere Verteilung“ der Einnahmen, um ihr Überleben sichern zu können. Nach anfänglicher Gesprächsbereitschaft hat Ecclestone zuletzt jedoch signalisiert, dass er den Privatteams die erhoffte 100-Millionen-Gabe verwehren wird. „Sie haben genug, um zu überleben. Fangt einfach an, ein Unternehmen wie ein Unternehmen zu führen, und nicht wie ein Hobby“, sagte der 84-Jährige. „Ecclestone läutet die Totenglocke für die kleinen Teams“, urteilte deshalb der britische „Daily Telegraph“.

Vor allem auf den Vorwurf der Geldverschwendung reagieren die kleinen Rennställe allergisch. Allein für den Kauf der neuen Hybridmotoren müssen die Teams jährlich 43 Millionen Dollar (34,41 Millionen Euro) zahlen. Von ihrem Einnahmenanteil, der zwischen 52 (41,61 Mio. Euro) und 64 Millionen Dollar (51,22 Mio. Euro) liege, bleibe da nicht mehr genug für den Betrieb und die Entwicklung des Teams übrig.

Im Gegensatz dazu würden an Red Bull und Ferrari jeweils mehr als 160 Millionen Dollar (128,04 Mio. Euro) ausgeschüttet. Dass die Topteams durch ihre Vertretung in der Formel-1-Strategiegruppe über die Verteilung der Gelder mitbestimmen, bestärkt das Ohnmachtsgefühl bei Sauber und den Leidensgenossen.

Vor dem Rennen in Abu Dhabi sind die kleineren Teams nun mit ihrer Geduld am Ende und verlangen einen weiteren Krisengipfel. Spätestens bis Ende November solle endlich ein Ausweg gefunden sein. Kommt es zu keiner Einigung, könnten Force India, Sauber und Lotus doch noch ihre bisher nur indirekt geäußerte Drohung in die Tat umsetzen und die Wettbewerbshüter der EU anrufen.

AUF EINEN BLICK

WM-Leader Lewis Hamilton soll bei Mercedes langfristig gebunden werden. Der Vertrag des Engländers läuft noch bis Ende 2015, soll aber kommende Woche vorzeitig verlängert werden. Auf Wunsch von Hamilton werden die Verhandlungen erst nach dem Finale am Sonntag geführt. Nico Rosberg, der mit 17 Punkten Rückstand auf Hamilton ins letzte Rennen geht, hat bereits im Juli um mehrere Jahre vorzeitig verlängert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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