Toto Wolff: "Zwei Alphatiere, aber eine Marke"

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Mercedes-Sportchef Toto Wolff spricht über Rekorde der F1-Saison, seine Streithähne, 2,8 Milliarden Dollar Werbewert, die Strategie des Konzerns: "Formel 1 ist knallhartes Marketing!"

Die Presse: Die Siegesfeier in Abu Dhabi ist längst vorbei, die Vorbereitungen für die neue Saison laufen. Welche Erinnerungen verblieben im Rückspiegel, welche Wünsche werden wach?

Toto Wolff: Na ja, nach der Feier gab es für einen kurzen Augenblick keine Sorgen, aber für Feiern bleibt bekanntlich keine Zeit. Nach einer Saison ist immer vor einer Saison – klingt unheimlich fad, ist aber so. Wir haben einen ganz guten Job für Mercedes gemacht, die Marke strahlt. Diese Position wollen wir halten. Es geht in der Formel 1 vorwiegend darum, keine Fehler zu machen.

Wie würden Sie Ihren Job beschreiben, wäre „Vermittler zwischen Streithähnen“ passend?

Nein! In meiner Rolle – und da bin ich gottlob nicht allein, weil Niki Lauda oder Paddy Lowe mithelfen– ist es ein Mittelding als CEO, Teamchef, Oberlehrer, Kindermädchen und wohl auch Psychologe. All das gehört aber auch zum Jobprofil. Die Rolle als Sportchef ist nicht mehr so traditionell, es ist dem Manager im englischen Fußball ähnlich.

Hand aufs Herz: Wie haben Sie Hamilton und Rosberg auf die Titelmission ohne Selbstzerstörung eingeschworen?

Tatsache ist, dass man als Team an einem Strang ziehen muss. Es geht nicht nur um zwei Alphatiere, die allerdings ausschließlich darauf kalibriert worden sind, Formel-1-Weltmeister zu werden, sondern um das Wohl der Mannschaft, den Erfolg der Marke. Beide haben das Zeug, Weltmeister zu werden. Sie schenken sich nichts, aber sie dürfen sich nicht von der Strecke schießen. Die Fahrer haben diese simple Philosophie nach dem GP von Spa verstanden. Da haben die eigenen Ziele Nachrang.

Also sind Aktionen wie die von Ayrton Senna, als er Alain Prost 1990 nach dem Start in Suzuka einfach abgeschossen hat, in der Gegenwart undenkbar?

Wir haben sehr viel Zeit investiert, Fehler der Vergangenheit zu analysieren. Damals ist es dem Team aus dem Ruder gelaufen. 1990 und 2014 kann man aber nicht vergleichen, es ist ein ganz anderer Aufwand; die Formel1 repräsentiert in der Gegenwart noch mehr Interessen. Es geht um das Vermitteln von Respekt, den Auftritt als Team. Bei Mercedes gibt es keine Stallorder. Nie. Sie können gegeneinander oder miteinander fahren. Aber den anderen von der Bahn zu schießen ist ein klares No-go. Der offene Umgang, das Aussprechen von Problemen – all das war Bestandteil dafür, dass wir wohl mit einem blauen Auge davongekommen sind.

Niki Lauda sagte einmal, man könnte einen Affen in ein Formel-1-Auto setzen, und er würde Weltmeister...

Nur als Mannschaft gewinnt man. Der beste Fahrer braucht ein konkurrenzfähiges Auto, um zu gewinnen. Unser Team, das Auto – es ist so gut, weil beide Fahrer so gut sind. Sie tauschen sich aus, all ihre Daten sind transparent. Das ist der gegenseitige Ansporn. Elf Doppelsiege in einer Saison, 16 von 19 GP und erstmals die Marken-WM gewonnen – das spricht für sich. Sie zählen zu den weltbesten Fahrern.

Was haben die Titel Mercedes gebracht? Kann man Erfolge in der Formel 1 messen – oder wurden damit intern einfach nur Kritiker zufriedengestellt?

Der erste Mercedes war ein Rennwagen! Wir betreiben kein Sponsoring, Motorsport ist die DNA des Konzerns. Es geht um das Automobil, um unser Produkt. Wir zeigen die Technologie, die Innovationen vor. Dynamischer, erfolgreicher – so erscheint die Marke. Innerhalb des Konzerns gab es kritische Stimmen, ja, es ist aber wichtig, weil alles hinterfragt wurde. Formel 1 ist knallhartes Marketing, Kalkül. Die Entscheidung des Vorstands hält, und das ist sinnvoll. Mit geringem Einsatz haben wir 2,8 Milliarden Dollar an Advertising Value Equivalency (Anzeigen- u. Werbewert, Anm.) erzielt. Das geht in keiner anderen Sportart.

16 Siege – ist dieser Erfolg in der neuen Saison zu toppen? Rechnerisch ja, es gibt 21 Rennen...

Alles bleibt so, wie es ist. Nico Rosberg hat einen neuen Vertrag, der noch zwei Jahre läuft. Mit Lewis Hamilton wollen und werden wir verlängern, aber das ist noch so eine Sache. Was in den Rennen passieren wird, kann ich aber nicht sagen. Wenn Sie eine Glaskugel zur Hand hätten, wären wir sofort viel schlauer. Die Kombination Motor, Chassis, Fahrer, das funktioniert bei uns jedenfalls. Aber eine Regeländerung genügt, und alles ist schon wieder ganz anders. Oft genügt ja nur eine Kleinigkeit, ich erinnere nur an den Doppeldiffusor.

Sie heften sich also keinen einzigen Erfolg an die Brust?

Weil der Erfolg des Teams sich nicht auf Siege oder das Verhalten Einzelner zurückführen lässt. Miteinander sind letztlich mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen worden. Unser Weg geht weiter, aber: Andere Teams haben mehrere Titel in Serie gewonnen, das müssen wir erst schaffen. Es ist noch lange nicht der Zeitpunkt gekommen, dass wir uns auf den Lorbeeren ausruhen können.

ZUR PERSON

Torger Christian Wolff (*12. Jänner 1972 in Wien) ist Investor, Teambesitzer und Motorsportchef bei Mercedes.

Der Ex-Tourenwagen- und Rallye-Pilot führt mit Mika Häkkinen eine Sportmanagementgesellschaft, seit 2013 hält er 30 Prozent des Teams Mercedes GP.

Mercedes F1 gewann erstmals die Konstrukteur-WM und stellt mit Lewis Hamilton den Fahrerweltmeister.

Die neue Saison startet am 15. März 2015 in Melbourne, Australien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2014)

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