Grand Prix von Monaco: Der Rausch der "Großgeldsiedlung"

FORMULA 1 - GP of Monaco
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Der Formel-1-Grand-Prix von Monaco ist das Nonplusultra des Motorsports. Kurven, Kanaldeckel und Boliden treffen auf Macht, Stars und Geld – nur der Sieger darf in die Fürstenloge.

Monte Carlo hat wie immer nur Erholsames zu bieten. Steht der Grand Prix in der fürstlichen Häuserschlucht auf dem Programm, ist es schlagartig mit dem Geraunze in der Formel1 vorbei. Dann spielen Geldsorgen, Zuschauerschwund und der weiterhin nur schnurrende anstatt röhrende Sound der Motoren plötzlich keine Rolle mehr.

Jetzt dreht sich das Spiel nur um enge Kurven, das Flair entlang der Hafenschikane. Die Suche nach den besten Schauplätzen, Terrassen, Bäumen– das Bewundern der Streckenmarkierungen, die alle Zebrastreifen und verschweißten Kanaldeckel getrost überstrahlen. Die endlosen Leitplanken, dreizehn Kurven, der Anblick des Casinos, der wie Sardinen in einer Dose eng nebeneinander geschlichteten Luxusjachten – all das ist Monte Carlo. Das macht den Grand Prix der „Großgeldsiedlung“ so besonders. Hier treffen sich Reich und Schön, hier wird der Glamour nicht eingeladen, im Gegenteil – hier fährt die Formel1 im Wohnzimmer der Superstars.


Es war mein Schulweg! Anekdoten zu diesem Rennen gibt es sonder Zahl: von Piloten wie Alberto Ascari, die ihren Boliden in der Hafenschikane plump ins Meer beförderten und von Froschmännern der Onassis-Jacht gerettet werden mussten. Von Brasilianern wie Nelson Piquet, die in Monte Carlo zu Hause waren und das Event daher als „Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer“ bezeichneten. Im Fürstentum zu wohnen hatte für Ayrton Senna enormen Vorteil. Da der sechsmalige Rekordsieger vor dem Tunnel in die Leitplanke krachte, ließ er den McLaren einfach stehen, kehrte nicht an die Box zurück, sondern verschwand in sein Apartment. Auch in der Gegenwart gibt es Geschichten abseits des Rennsports, sie aber zeigen auch den Wandel, den dieses Geschäft vollzogen hat. Nicht mehr jeden Piloten zieht es nach Monte Carlo, manch einer wurde dort schon geboren und wuchs im Fürstentum auf. Nico Rosberg etwa, er pendelte zwischen Wiesbaden, Zell am See und Monaco. Er sagt: „Ich kenne hier wirklich jeden Meter. Wo die Strecke verläuft, war früher mein Schulweg...“


4000 Schaltvorgänge. Ob Anachronismus, gefährlicher Spaß, Mutprobe oder Rennfahren in Reinkultur, Monaco begeistert Werbebranche, F1-Szene und TV-Welt. 3,3 Kilometer ist eine Runde lang, 78-mal, 4000 Schaltvorgänge, Gas geben, bremsen, lenken, womöglich überholen – das Rennen verlangt Fahrern alles ab. Dennoch, nach der Zieleinfahrt geht es für den Sieger in die Fürstenloge. Dort gibt es freilich kein verschwitztes Gesicht mehr, hier muss man strahlen, wenn der Champagnerkorken knallt, der Fürst lächelt.

Reich und Schön, Dekadenz und Protz, Erfolg, Geld, Macht – man möchte glauben, die Formel1 sei in Monte Carlo aus der Taufe gehoben worden. Sie ergänzen sich, es passt perfekt – dieser Spaß hat aber auch seinen Preis. 5000 Euro sind für jenen fällig, der Einlass in Bernie Ecclestones VIP-Klub begehrt, den Paddock. Manch Klubbesitzer öffnet für diese Summe aber erst gar nicht die Eingangstür, es beginnt bei 10.000€. Auch Vermieter ihrer Terrassen haben eine ganz andere Vorstellung. Tageskarte um 900Euro, das F1-Rennen dauert aber keine zwei Stunden. Weitaus weniger komfortabel, aber deutlich günstiger ist es, mit Feldstecher und Klappsessel auszurücken. Unter dem Fürstenhügel ist die Aussicht wunderbar, das wissen auch die Vermieter. 50 Euro pro Sitz- bzw. Standplatz sind fällig.

Es ist getrost einmal mehr die Faszination der Geschwindigkeit, die mit ihrer Anziehungskraft jedes Rennen populär machen kann. In Monte Carlo aber ist es das Zusammenspiel mit den Hochhäusern, Schikanen, Leitplanken, die Nähe zum Fan, den zumeist nur ein Zaun von Idolen und Boliden trennt. Unfälle – davor wird seit jeher gewarnt– könnten fatale Folgen haben. Es wird trotzdem munter weitergefahren, auch heute ab 14 Uhr (ORF1, RTL, Sky). Nur aus einem Erlebnis haben alle gelernt: 1994, ausgangs des Tunnels, Karl Wendlingers Unfall.

Danach wurde die Hafenschikane durch Reifenstapel gesichert, jedes Cockpit mit seitlichem Kopfschutz versehen. Den Tunnel in Richtung Hafenschikane verlassen die Fahrer aber weiterhin mit rund 300km/h – das entfacht nach einem für Formel-1-Boliden unvorstellbaren „Gezuckel“ mit 160 km/h im Durchschnitt den Rausch. Und dem TV-Konsumenten gefällt es, denn es gibt kein Radar. Bodenwellen lassen manchmal ein paar Funken sprühen. Der Sound ist unfassbar laut, nein: bezaubernd betörend.


Hamilton auf Pole-Position. Besondere Bedeutung kommt auf diesem Stadtkurs naturgemäß dem Qualifying zu. Überholmanöver während des Grand Prix sind wahrlich eine hohe Kunst, in der Formel 1 aber ohnehin nur ein sehr seltenes Erlebnis. Wer als Erster in das Rennen starten darf, hat gute Chancen, ein Spitzenergebnis einzufahren.

Nicht wirklich überraschend ist allerdings die Startaufstellung für das heutige Event. Weltmeister Lewis Hamilton (1:15,098 Min.) distanzierte seinen „Teamfeind“ Nico Rosberg – damit bleibt Mercedes im Qualifying ungeschlagen. Es ist Hamiltons fünfte Pole dieser Saison, aber die erste in Monte Carlo. Dahinter drängte sich die Konkurrenz, das Verfolgerfeld wird von Sebastian Vettel (Ferrari) angeführt. Vierter wurde Daniel Ricciardo, es ist ein Hoffnungsschimmer für Red Bull. Zeitgerecht, in der Stadt des Glamours und der teuren Feste.

GRAND PRIX MONTE CARLO

21Kilometer
sind quer durchs Fürstentum mit Leitplanken versehen.

9Bergekräne
sind im Einsatz, fünf Feuerwehrautos und 49 Kameras ebenso – 622 Streckenposten

bedeuten Rekord. 60 Ärzte stehen parat.

15Meter
beträgt der Abstand zwischen jedem Feuerlöscher, es sind insgesamt 743.

700Meter
Aufprallschutz wurden montiert. Dazu: 20.000 Quadratmeter Sicherheitszäune.

160km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit werden erwartet.
40 km/h sind es bei der Loews-Kurve.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2015)

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