Max Verstappen: "Schule ist Nebensache, ich kann rennfahren"

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Der 17-jährige Niederländer Max Verstappen setzt die Familientradition in der Formel1 fort – ein Sohn folgt dem Vater in der Königsklasse. Der Toro-Rosso-Fahrer erzählt seine Geschichte, schildert Ängste und Träume.

Sie sind mit 17 Jahren der jüngste Formel-1-Pilot, Sie haben keinen Führerschein und fahren trotzdem schon in der Königsklasse des Motorsports. Ist das eigentlich kein Widerspruch?

Max Verstappen: Es ist schwierig, diese Chance zu erklären. Ich bin noch sehr jung, ja. Aber ich kann rennfahren! Mir bot sich diese Chance halt schon sehr früh. Wenn du sie bekommst, musst du sie wahrnehmen. So etwas wird dir ja nicht jeden Tag serviert. Ich bin also sehr happy. Und alle Diskussionen rund um meine Person, meinen Vater, mein Alter – daran habe ich mich schon so lang gewöhnt.

Sie haben noch keinen Schulabschluss, haben die meiste Zeit Ihrer Kindheit an Rennstrecken verbracht. Fehlt Ihnen da nicht etwas, bereuen Sie diesen Karriereweg?

Nein, Formel 1 ist wichtiger als alles andere. Ich bereue keine Minute. Die Schule kann ich später nachholen. Den Abschluss werde ich schon noch machen – dann, wenn ich Zeit dafür habe. Ich wollte jetzt unbedingt in die Formel 1, weil die Chance da war. Die Schule ist da nur Nebensache und auch meine Eltern haben es so gesehen und akzeptiert.

Was sagen Ihre Freunde dazu, werden Sie um Autogramme und Karten gebeten?

Die meisten Freunde kenne ich aus dem Rennsport. Alle freuen sich für mich, jeder ist happy.

Was ist es denn für ein Gefühl, als unbekümmerter Teenager gegen hochdekorierte und gut entlohnte Weltmeister zu fahren?

Ich bin mittendrin. Ich fahre gegen Alonso, Vettel, Hamilton, sie sind Weltmeister, jeder kennt sie. Aber auf der Strecke sind wir alle gleich. Es gibt da noch Respekt von meiner Siete aus, sicher. Aber dann geht es letzten Endes nur um das Rennfahren. Ich will alle überholen, gewinnen. Und da ist es egal, wer vor dir im Auto fährt. Egal, ob dein Idol oder sonst irgendwer.

Wer ist Ihr Idol, ist es nicht Ihr Vater?

Nein, nicht unbedingt. Ich hatte immer Respekt vor Fernando Alonso. Wie er Rennen gestartet ist, wie er überholt, das hat mir imponiert. Wie er sein Auto abgestimmt hat, selbst in schlechten Autos hat er bis auf diese Saison immer gute Resultate erzielt.

Und, haben Sie ihn schon überholt?

Natürlich. Ich habe es geschafft, in Montreal war es so weit. Fühlte sich zwar ganz gut an, aber auf der Strecke sind wir ja alle gleich.

Welche Einfluss hatte Ihr Vater, der ja selbst Formel-1-Pilot war, auf Ihre Karriere? Wie wichtig sind seine Tipps und Kontakte?

Zuallererst wollte ich alles auf meine Art und Weise machen. Das war sehr ambitioniert. Ich war drei Jahre alt, als ich meinen Vater um das erste Gokart bat. Er lehnt aber ab, er sagt: ,Du musst warten,bis du sechs Jahre alt bist.‘ Das war schrecklich für mich. Aber das zeigt, dass er mich nie dazu gezwungen oder hineingestoßen hat, wie viele glauben und auch immer wieder fragen; nichts für ungut. Die Idee kam von mir selbst. Aber als es im Motorsport losging, war er immer für mich da. Er war mein Mechaniker, Taxifahrer, Technik-Tuner, einfach alles und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Nehmen Sie jetzt auch noch Ratschläge an oder ist es besser, eigene Wege zu gehen?

Nein, natürlich höre ich ihm zu. Seine Tipps haben ja auch maßgeblich dazu beigetragen, dass ich hier gelandet bin. Er kennt das Geschäft, das ist gut so.

Es gibt viele Familien, in denen der Sohn dem Vater in die Formel 1 folgte. Villeneuve, Hill, Rosberg, Fittipaldi etc. – warum ist das so und wie sehr belastet der Vergleich?

Ich weiß nicht, aber Eltern geben sicherlich sehr viel an ihre Kinder weiter. Ich habe immer zu meinem Vater aufgeschaut, ich war vom Kleinkindalter bei den Rennen dabei. Er kannte jeden, jeder kannte ihn, das imponierte mir. Ich wollte so sein wie er. Schauen Sie sich Sainz an, er wird Ihnen das Gleiche sagen. Sein Vater ist eine Motorsportlegende. Oder Rosberg – es ist halt so. Wir folgen den Spuren unserer Väter.

Hatte er denn nie Angst um Sie? Bei 300 km/h wäre es selbst für Rennfahrerpapas nicht gar so abwegig...

...ich habe ihn gefragt, mehrmals sogar. Er hatte aber wirklich nie Angst, das hat er mir versichert. Also habe ich auch keine. Wenn du Angst hast, kannst du nie an dein Limit oder das des Autos gehen. Dann bist du im Motorsport ohnehin falsch.

Sie waren zu Pfingsten in Monte Carlo in einen schweren Unfall verwickelt. Manch einer sagt, das sei Ihrem jugendlichen Übermut, Ihrer fehlenden Erfahrung geschuldet.

Meine Erkenntnis daraus ist, dass die Autos in der Formel 1 sicher sind und ich nach dem Unfall sofort wieder bereit gewesen wäre weiterzufahren.

Es war also keine Folge fehlender Routine, oder eine Portion Übermut.. .

Das Alter spielt keine Rolle, denke ich. Unfälle passieren im Rennsport, aber natürlich hat da jeder seine eigene Sicht der Dinge. Vielleicht sollen sie in dieser Form auch passieren, man lernt ja daraus. Und danach geht es weiter.

Und auch da hatte Ihr Vater keine Angst?

Na ja, er war kurz nach dem Aufprall besorgt, sicher sogar. Aber als er sah, dass ich mich bewegte und aus dem Auto ausstieg, war er beruhigt. Ich zeigte ihm, dass es mir gut geht. Er sah mir später tief in die Augen, es war o. k.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit, das Aufwachsen an der Rennstrecke, das Spielen in der Boxengasse?

Arrows, daran erinnere ich mich sofort. Ich wusste aber damals nicht, das es ein Formel-1-Team ist, das nur nebenbei. Ich habe es aber genossen. Rennen waren für mich normal, ich sah meinen Vater aber auch oft zu Hause. Ich denke, wir hatten ein Leben, wie es in allen Familien als normal gilt. Er war oft weg, aber auch viel zu Hause.

In welchem Alter wurde Ihnen bewusst, dass Sie es mit dem Motorsport ernst meinen und aus einem weltweit gängigen Kindheitstraum Wirklichkeit werden soll?

Ich war acht, neun Jahre alt. Da war mir schon alles klar...

Ich habe damals noch Lego gespielt..

Na ja, das ist dann wohl der Unterschied. Ich bin damals Gokartrennen gefahren und habe halb Europa gesehen. Das ist normal im Motorsport.

Kinder und Rennfahrer haben eines gemein – sie alle wollen irgendwann Ferrari fahren.

Ach. Ich weiß es nicht. Ich muss meinen Job weitermachen, so gut wie möglich. Dann sieht man, was passieren wird. Das Auto weiterentwickeln, gute Ergebnisse liefern, Podestplätze, vielleicht ein Rennen gewinnen. Ferrari ist also noch sehr weit weg.

Ist es für die heutige Fahrergeneration ein Vorteil, alle Strecken schon mit Computerspielen kennen gelernt zu haben?

Nein, ich denke, damit hat man keinen Vorteil. Wir fahren ja gegen Typen, die diese Rennstrecken seit zehn Jahren befahren und jeden Millimeter Asphalt kennen. Diese Erfahrung ist mehr wert, das kann dir keine Playstation geben. Du weißt, wie alles ausschaut, am Ende zählt aber nur die Wirklichkeit.

Welche Strecke hat Ihnen bislang am besten gefallen und gibt es Kurven, die man in der Realität anders fahren muss?

Monte Carlo. Da muss man sich mehr konzentrieren, als man glauben möchte. Dort donnerst du sofort in die Wand, wenn du eine Millisekunde nicht aufpasst. Dann ist das Spiel aus.

Wie sehr fiebern Sie dem 17. September entgegen? Dieser Tag müsste Sie mit Stolz erfüllen, Sie werden 18 und machen Ihre Führerscheinprüfung.

Ich werde die Prüfung machen, dann ist auch dieses Thema erledigt. Ich mag es nicht wirklich, auf der Straße zu fahren. Der Straßenverkehr ist anders.

Was ist anders?

Es ist mir zu langsam. Es ist fad.

POLE-POSITION

Immer wieder Mercedes
Lewis Hamilton sicherte sich in Silverstone die insgesamt 46. Pole-Position, die achte im neunten GP der Saison. Hinter ihm starten Mercedes-Kollege Rosberg und Massa (Williams).
Der Brite, 30, ist der erfolgreichste aktive Pilot in F1-Qualifikationsrennen. Unumstrittene Nummer eins bleibt Michael Schumacher mit 68 Poles.

Steckbrief

1997
wird Max Verstappen in Hasselt, Belgien, geboren. Er ist Sohn des Ex-F1-Fahrers Jos Verstappen.

2013
wurde Verstappen jr. Kart-Weltmeister.

2015
fährt er als jüngster Pilot für Toro Rosso in der Formel 1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2015)

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