Sebastian Vettel und Ferrari treten die Sommerpause mit Hochgefühlen an. Der Grand Prix von Ungarn hat gezeigt, dass Mercedes doch zu schlagen ist, wie Scuderia-Teamchef Maurizio Arrivabene genüsslich feststellte.
Budapest. Beim Chaos-Grand-Prix von Ungarn haben sich Sebastian Vettel und Ferrari eindrucksvoll im Titelrennen zurückgemeldet. Das bisher so dominierende Mercedes-Team hat indes mit Rang sechs von WM-Leader Lewis Hamilton und Rang acht von Nico Rosberg den ersten echten Dämpfer erhalten.
„Statistisch sind es nur 25 Punkte. Aber mein zweiter Sieg mit Ferrari ist unbezahlbar“, meinte Vettel und stufte diesen als „einen der besondersten meiner Karriere“ ein. Teamchef Maurizio Arrivabene wies stolz darauf hin, dass die Scuderia das von ihm vorgegebene Saisonziel von zwei Siegen schon nach dem zehnten Rennen erreicht hat: „Bei drei wären wir im Paradies und bei vier . . .“
Nach dem insgeheim erhofften, aber keinesfalls einkalkulierten Coup in Ungarn schmiss Vettel seine Reisepläne kurzfristig über den Haufen. Statt zur Familie in die Schweiz heimzufliegen, jettete er mit dem Team nach Italien. Am Firmensitz in Maranello feierte die Scuderia ihren „süßen Erfolg“ (Vettel), der durch die Schlappe der Silberpfeile noch mehr schmeckte.
Schließlich sehen viele Beobachter in der Mercedes-Dominanz eine der Ursachen für das schlechte Image der Formel 1. Niki Lauda sah freilich Ferrari in der Verantwortung. „Was kann Mercedes dafür, wenn die bei Ferrari nur mit Spaghetti rumschmeißen und ihr Auto nicht richtig auf die Straße stellen“, hatte der Aufsichtratschef des Mercedes-Teams noch beim Doppelsieg seiner Schützlinge in Silverstone getönt. Nun konnte sich Arrivabene eine kleine Retourkutsche nicht verkneifen. „Bis vergangene Woche sprachen alle vom Ferrari-Desaster. Es ist unser zweiter Sieg und achter Podestplatz nach zehn Rennen. Ich widme ihn jenen, die nicht zusammenzählen können und dumme Dinge erzählen“, meinte der 58-Jährige. Im Übrigen möge er Spaghetti nicht besonders, „ich habe dem Team eine scharfe Pizza spendiert“.
Grund zum Feiern gab es bei Ferrari nämlich genug: Mit 41 Siegen zog Vettel mit Formel-1-Legende Ayrton Senna gleich. Es war der erste Erfolg des viermaligen Weltmeisters in Ungarn beim neunten Start. Weil der von Ferrari protegierte Marussia-Pilot Jules Bianchi am 17. Juli neun Monate nach seinem schweren Unfall gestorben war, war dieser Grand Prix auch emotional bewegend.
Im Titelrennen ist Vettel wieder näher an Mercedes dran. Auf Lewis Hamilton (202) verkürzte der Deutsche (160) seinen Rückstand auf 42 Punkte, Rosberg (181) könnte er beim nächsten Grand Prix in Spa sogar überholen. „Wir sind drauf und dran, den Abstand zu verringern“, erklärte Vettel, „aber wir haben noch viel zu tun.“ Arrivabene pflichtete bei: „Wir müssen auf dem Boden bleiben. Mercedes ist weiterhin das stärkste Team.“ Aber eben nicht unschlagbar. Und das ist für die bisher gedemütigte Konkurrenz auch psychologisch ein Vorteil.
Den Silberpfeilen hat Ungarn nach dem schwächsten Abschneiden seit Brasilien im November 2013 gründlich die Laune verdorben. „Das war eines der schlechtesten Rennen“, sagte Hamilton. „Ich kann mich nur beim Team entschuldigen.“ Er habe einfach zu viele Fehler gemacht. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bescherte die unglaubliche Zahl an Zwischenfällen („Mehr als in der gesamten bisherigen Saison“) nach eigenen Angaben „wieder ein paar graue Haare mehr“.
Aufatmen durfte Red Bull. Mit Daniil Kwjat auf Rang zwei und Daniel Ricciardo auf Platz drei flankierten die zwei Red-Bull-Piloten Vettel auf dem Siegerpodest. (joe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)