Kimi Räikkönen: Der perfekte Teamkollege

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Ferrari hat den Vertrag mit Kimi Räikkönen verlängert. Der Routinier überzeugte weniger mit Resultaten als im Zusammenspiel mit dem WM-Kandidaten Sebastian Vettel.

Auf seine finnische Art kam es wohl einem Gefühlsausbruch gleich. Als Ferrari im Vorfeld des heutigen Grand Prix von Belgien (14 Uhr, ORF eins, RTL, Sky) die Vertragsverlängerung mit Kimi Räikkönen bis Ende 2016 bekannt gab, wurde der sonst so wortkarge „Iceman“ beinahe überschwänglich. „Was soll ich sagen? Das bedeutet, dass mein Traum weitergeht“, erklärte der 35-Jährige, der seit 2013 seine zweite Ära beim italienischen Traditionsrennstall erlebt. „Die Scuderia ist meine Familie, und wie ich immer gesagt habe, hier möchte ich meine Karriere einmal beenden.“

Entgegen der Erwartungen gab Ferrari die wichtige Entscheidung schon vor dem Heimrennen in Monza bekannt und setzte zugleich den Spekulationen um eines der begehrtesten Cockpits in der Formel 1 ein Ende. Selbst Weltmeister Lewis Hamilton war vor der Vertragsverlängerung mit Mercedes ins Gespräch gebracht worden, als aussichtsreichste Kandidaten auf den Platz neben Sebastian Vettel galten jedoch Valtteri Bottas (Williams), Daniel Ricciardo (Red Bull) und Nico Hülkenberg (Force India). Ferrari entschied sich aber für Räikkönen und damit für die einfachste und sicherste, da bestens bekannte Option.

Bereits von 2007 bis 2009 saß Räikkönen im Ferrari, bescherte dem erfolgreichsten Rennstall der Formel 1 (15 Fahrer- und 16 Konstrukteurs-WM) gleich in seiner Auftaktsaison den bislang letzten Titel. Inzwischen aber fährt er der Konkurrenz hinterher, die Leistungen in dieser WM-Saison lesen sich bescheiden: Einen einzigen Podestplatz (Zweiter in Bahrain) hat der Routinier heuer zu Buche stehen, als WM-Fünfter hält er mit 76 Zählern bei nicht einmal halb so vielen Punkten wie Teamkollege Vettel (160) – und das bei einer kolportierten Jahresgage von zwölf Millionen Euro. „Ich hatte gute und schwierige Jahre, aber ich habe es hier immer genossen“, betonte Räikkönen. „Ich spüre, dass wir in die richtige Richtung gehen und in der Zukunft Großes schaffen können.“


Die harmonische Lösung. Allein für sich hätte Räikkönen die Verantwortlichen der Scuderia vielleicht nicht überzeugt, doch für sie repräsentiert der eigenwillige bis störrische Finne den idealen Partner für den großen Hoffnungsträger Vettel. Nicht zuletzt gab die Fürsprache des Deutschen den Ausschlag. „Wir glauben, dass die Verlängerung unserem Team weitere Stabilität geben wird, vor allem, wenn man die gute Beziehung zwischen Kimi und Seb bedenkt“, erklärte Teamchef Maurizio Arrivabene. Die eigene turbulente Vergangenheit mit Fernando Alonso und der latent brodelnde Stallkampf bei Mercedes führten den hohen Wert von Ruhe und Harmonie im eigenen Team eindrucksvoll vor Augen. Während Hamilton und Nico Rosberg sich im besten Fall aus dem Weg gehen und auf öffentliche Fehden verzichten, versteht sich das Ferrari-Duo blendend, sogar von Freundschaft ist die Rede. „Er hat mir seit Beginn meiner Karriere Respekt gezeigt. Er ist immer geradeaus, immer ehrlich. Das schätze ich“, sagte Vettel und Räikkönen bedankte sich in der für ihn typischen Art: „Was auch immer er gesagt hat, es war nett von ihm. Wir haben ein gutes Verhältnis und pushen uns gegenseitig.“

Blondschopf mit Dauergrinser und blasser Schweiger – in ihrer Außenwirkung könnten Vettel und Räikkönen nicht unterschiedlicher sein. Doch sie sind beide eigene Typen, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen und ähnliche Ansprüche an das Auto stellen. Sie verstehen und ergänzen einander, arbeiten konstruktiv miteinander und mit den Ingenieuren. „Wir wissen beide, wie man Weltmeister wird“, sagte Vettel. „Und wir wissen beide, wie wichtig es ist, als Team zu arbeiten. Wir müssen an einem Strang ziehen, um das Team nach vorn zu bringen.“ Die reibungslose Zusammenarbeit bei Ferrari liegt auch an der klaren Rollenverteilung: Vettel ist die Nummer eins, Räikkönen die Nummer zwei. Trotz seines großen Ehrgeizes hat der Finne akzeptiert, dass der Platz im Rampenlicht seinem Teamkollegen gehört – womit er angesichts seiner Abneigung gegen Journalisten sehr gut leben kann. Die Ambitionen von Bottas und Ricciardo hätten dieses zerbrechliche Gefüge vielleicht in Gefahr gebracht.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Kandidaten wäre Hülkenberg ablösefrei zu haben gewesen, doch ihm wurde seine Nationalität zum Verhängnis. Zwei deutsche Fahrer passten Ferrari trotz aller Verehrung für Michael Schumacher nicht ins Konzept. Zumal der 28-Jährige im Vergleich zu Räikkönen ein völlig unscheinbarer Typ ist. Der „Iceman“ ist im Formel-1-Zirkus eine echte Type und zählt zu den beliebtesten Piloten. Kein Grand Prix von Australien bis Abu Dhabi, bei dem auf den Tribünen nicht unzählige finnische Flaggen und Räikkönen-Transparente zu sehen sind.

Ferraris großes Ziel ist es, Fahrer- und Konstrukteurs-WM zurück nach Maranello zu holen. Dafür muss freilich auch Räikkönen Zählbares liefern. „Ich erwarte, dass dieses Vertrauen belohnt wird“, forderte Arrivabene unmissverständlich. Vor allem im Qualifying muss sich der Finne steigern, denn bei der Grundgeschwindigkeit steht er Vettel nicht nach, wie Technikchef James Allison kürzlich betonte. Im Kampf um die schnellste Runde aber leistet sich Räikkönen zu viele Fehler und fährt zu konservativ. Das bedeutet zwar im Rennen einen geringeren Reifenverschleiß, kostet aber wichtige Sekunden. „Wenn er sich im Qualifying steigert, wird er im Rennen keinerlei Schwierigkeiten mehr haben“, ist Arrivabene überzeugt.
Spannender Neustart. In Spa bestreitet Ferrari seinen 900. Grand Prix und gilt erneut als größter Herausforderer von Mercedes. „Wenn es eine Chance gibt, müssen wir sie am Leben erhalten“, sagte Vettel, der 42 Punkte Rückstand auf Hamilton hat. Der traditionsreiche Ardennen-Kurs mit seinen Hochgeschwindigkeitskurven sollte der Scuderia entgegenkommen, doch das Qualifying verlief nicht nach Wunsch. Überholmanöver scheinen garantiert, ebenso verspricht der Start, in Silverstone und Budapest die Mercedes-Achillesferse, Spannung. Ohne elektronische Starthilfe und diesbezüglichen Boxenfunk sind die Piloten voll gefordert.

Im Vorjahr brachten sich Rosberg und Hamilton mit einer Kollision um den Sieg, der Nutznießer hieß Ricciardo. Doch nur zwei der aktiven Piloten haben in Belgien öfter als einmal triumphiert, beide sitzen im Ferrari: Vettel gewann zweimal, der echte Spa-Spezialist ist Räikkönen mit vier Siegen. Für den Finnen gibt es keinen Zweifel: „Das die großartigste Rennstrecke der Welt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2015)

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