Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko hat seine Ausstiegsdrohung erneuert. Er beruft sich auf Dietrich Mateschitz, der nicht mehr gewillt sei, eine weitere derartige Saison mitzumachen.
Suzuka. Eines dürfe man in der gegenwärtigen Formel-1-Motorendiskussion nicht vergessen, meinte Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko im Vorfeld des Grand Prix von Japan. „Wir sind die Kunden, wir zahlen für ein Produkt – und niemand gibt gern Geld für minderwertige Ware aus.“ Seit dem Vorjahr ist Red Bull nach der Umstellung auf Turbo-Hybridmotoren arg ins Hintertreffen geraten, aktuell nur noch WM-Vierter hinter Mercedes, Ferrari und Williams. Als Schuldigen hat man den französischen Motorenpartner ausgemacht, die Zusammenarbeit ab Saisonende beendet. „Wir sehen nicht, dass sie nächstes Jahr mit Mercedes und Ferrari mithalten können. Es war Zeit für eine Entscheidung.“
Sollte Red Bull 2016 keinen konkurrenzfähigen Motor von einem anderen Hersteller bekommen, „hören wir lieber auf“, erneuerte Marko die Ausstiegsdrohung vor dem 14. von 19 Saisonrennen. „Jetzt kommen mit Suzuka, Sotschi, Austin und Brasilien Power-Strecken, wir haben nicht die geringste Chance.“ In Suzuka wird Mercedes wieder vorn erwartet.
Wolff liefert nicht
Ursprünglich wollte auch Red Bull einen Motoren-Deal mit den Deutschen, doch dazu kam es nie. „Wir haben als Team lang und hart für den derzeitigen Erfolg gearbeitet“, meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, „daher haben wir uns dagegen entschieden.“ So hätte es Wolff auch ihm erklärt, bestätigte Marko, „und ich glaube, es ist die Wahrheit“.
Bei Mercedes wollte man klarerweise kein vierfaches Weltmeisterteam aufrüsten, auch Lewis Hamilton war stets dagegen. „Wir sind im Motorsport, da ist der Motor ein wichtiger Faktor“, stellte Wolff klar. „Zuletzt war eher die Aerodynamik von Bedeutung, jetzt spielt der Motor wieder eine wichtige Rolle.“ Die Deutschen, die bereits seit Monza mit den 2016er-Antriebseinheiten experimentieren, haben sich auch gegen eine Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten US-Team Haas ab 2016 entschlossen.
Die Formel-1-Neulinge aus Übersee haben sich inzwischen mit Ferrari geeinigt. Eine Option, die neben dem Ausstiegsszenario wohl auch für Red Bull als einzige Möglichkeit bleibt. „Es steht noch nicht fest, aber wir hatten in Monza eine Unterhaltung mit Sergio Marchionne (Fiat-CEO, Anm.)“, erklärte Marko. Was freilich nicht bedeuten würde, dass der Abschied von der Formel 1 trotz des bis 2020 fixierten Grand Prix in Spielberg vom Tisch sei. Ein solches Szenario würde für die Rennserie auch den Verlust des Schwesternteams Toro Rosso bedeuten. „Nicht jeder bemerkt, was das für eine Wirkung hätte.“
Button vor Abschied
Nach dem letzten Saisonrennen am 29. November in Abu Dhabi soll „der Vorhang fallen“, meinte Marko. Das sei zumindest die Meinung von Teambesitzer Dietrich Mateschitz. „Er weiß, dass es gleich viel kostet, an der Spitze zu fahren wie im besseren Mittelfeld. Das tun wir jetzt und er ist nicht gewillt, das eine weitere Saison zu tun.“
Ein Einstieg des Volkswagen-Konzerns mit Audi scheint nach den Dementi vorerst kein Thema mehr zu sein. Wegen des Dieselskandals hat VW außerdem gerade andere Sorgen als die Formel 1. Für Marko sind die Spekulationen „Kaffeesudleserei“. Ein weiterer Lieferant wäre aber zu begrüßen.
Der vierte Motorenbauer Honda ist ohnehin keine Option. Den kaum konkurrenzfähigen Japanern droht am Wochenende auf der hauseigenen Strecke eine Blamage. Die Partnerschaft mit McLaren steht unter keinem guten Stern, das britische Traditionsteam liegt in der Konstrukteurswertung nur auf dem vorletzten Platz.
Zudem könnte dem Rennstall am Ende der Saison ein Publikumsliebling abhandenkommen. Wie britische Medien vermuten, gibt der 35-jährige Jenson Button, Weltmeister von 2009, heute bei der offiziellen Pressekonferenz seinen Rücktritt bekannt. (joe)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2015)