„Die guten alten Zeiten – als ich Diktator war“

Formula One Chief Executive Ecclestone arrives back in courtroom after an ajournment at regional court in Munich
Formula One Chief Executive Ecclestone arrives back in courtroom after an ajournment at regional court in Munich(c) REUTERS (MICHAEL DALDER)
  • Drucken

Bernie Ecclestone, 85, gerät weiter unter Druck. Monotone Rennen und absurde Regeln rufen nun Hersteller auf den Plan, seine Ablöse voranzutreiben.

Sotschi. Im Reich des mächtigen Kremlchefs, Wladimir Putin, markiert Bernie Ecclestone den starken Mann. Dabei bröckelt der Status des 85-Jährigen als einst unantastbarer Chefvermarkter der Formel 1 gewaltig. Rennställe distanzieren sich unverhohlen von dem Briten. Doch Ecclestone ist ein Meister des Machterhalts.

Vor dem Grand Prix in Sotschi am Sonntag (14 Uhr, ORF eins) geht er auf Konfrontationskurs zu Ferrari und Mercedes. Er will seine alten Machtbefugnisse zurück. „Wir müssen zu den guten alten Zeiten zurückkehren, als wir begannen, die Formel 1 aufzubauen. Als ich ein Diktator war!“, diktierte er dem Sportblatt „Sovetsky Sport“. „Dank der Demokratie instrumentalisieren Menschen oft die WM, um eigene Interessen zu verfolgen.“

Der ehemalige Autohändler liebt die Provokation, er sucht Konflikte, er braucht sie in Wahrheit wie Wasser und Luft. Egal, ob mit der (deutschen) Justiz, Industrie oder Motorsportkritikern – Ecclestone schreckt seit Jahrzehnten vor niemandem zurück. Bislang hat er auch jeden Mitstreiter entweder überlebt, rausgeworfen oder sich mittels Diversion von allem Ärger freigekauft. Seit mehr als 40 Jahren leitet er so auch die kommerziellen Geschicke in der Formel 1. Doch fragwürdige Regeln, Fadesse im Rennen und sein offenbar schwindender Einfluss drängen Ecclestone zusehends zurück. Die Hersteller, letztlich die Investoren, übernehmen die Kontrolle.

„Ecclestone ist sehr gut in Verhandlungen, aber früher oder später müssen wir alle in Rente gehen“, stellt Ferrari-Chef Sergio Marchionne in der „Repubblica“ klar. Diese Aussage ist unmissverständlich, und nach monatelangem Wehklagen, wie schlecht die Königsklasse geworden sei, ist damit deutlich, was die Industrie von Ecclestone erwartet: den Rücktritt.

Wettbewerbshüter? Welcome!

Hinter den Kulissen läuft seit Jahren die Suche nach einem Nachfolger, fallen laufend Namen wie Flavio Briatore, nur ist sich Ecclestone des Rückhalts der Investmentgesellschaft CVC – sie hat die Formel-1-Rechte der BayernLB abgekauft, darauf beruhte zudem der Prozess gegen Ecclestone – noch gewiss. Der Luxemburger Mehrheitseigner schöpft seit Jahren Gewinne in Millionenhöhe ab. Ein kolportierter Verkauf ist also Unsinn.

Ausgerechnet einer der größten Brennpunkte könnte Ecclestone einen Ausweg im Kampf um sein Lebenswerk eröffnen. Nach einer Beschwerde von Force India und Sauber haben die EU-Wettbewerbshüter die Verteilung der Gelder und die Machtstrukturen in der Königsklasse ins Visier genommen. Der aktuelle Grundlagenvertrag, das Concorde Agreement, läuft bis 2020. Sollten die Wettbewerbshüter die Verteilung aus TV- und Marketingmilliarden beanstanden, würden auch Traditionsteams wie Ferrari sofort ihre Sonderzahlungen und Befugnisse verlieren. Es müsste alles neu geregelt werden, jeder noch so kleine Vertrag. Just die von Ecclestone so gehasste EU dürfte seinen Job retten. Die Demokratie würde ihn wieder zum Alleinherrscher krönen. (fin/DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.