Driften: Wenn die Gerade zur Kurve wird

Wolfgang Schmid mit seinem umgebauten BMW.
Wolfgang Schmid mit seinem umgebauten BMW.(c) Ákos Burg
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Seit 2009 ist Driften ein anerkannter Motorsportbewerb in Österreich. Weltweit wird auch nur hierzulande ein Staatsmeister gekürt.

Man sollte nicht allzu viel gegessen haben, wenn man zu Wolfgang Schmid ins Auto steigt. „Geht los“, sagt der Niederösterreicher, gibt Gas und, schon steht das Auto quer. Steht stimmt nicht ganz, es driftet mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h quer durch die Kurve. Ein kurzer Blick, dann reißt Wolfgang das Lenkrad – und damit den Magen des Beifahrers – in die andere Richtung, das Auto schlägt aus und nimmt auch die nächste Kurve quer. „Geht guat.“

Ja, es geht tatsächlich ziemlich gut an diesem Samstag auf dem Wachauring in Melk. Die Runde schafft Wolfgang Schmid in 78 Sekunden, durch jede der 15 Kurven ist er mit durchdrehenden Hinterrädern gedriftet, sogar die lange Start-Ziel-Gerade hat er wie eine Kurve quer genommen: erst links, dann rechts.

Driften ist etwas, was normalerweise übermütige Autofahrer machen – gern im Winter, weil es da leichter geht: Der Fahrer übersteuert sein Auto, wodurch die Hinterräder – oder auch alle Räder – den Halt verlieren. Der Amateur macht das auf Schnee beispielsweise durch das Einlenken in die Kurve und das Anziehen der Handbremse. Der etwas bessere Autofahrer macht einen abrupten Lastwechsel und stellt somit das Auto quer, und der Profi hält gleichzeitig durch Gasgeben die Geschwindigkeit, durch richtiges Lenken die Richtung und driftet damit quer durch die Kurve. Der Sinn davon: Es macht ziemlichen Spaß.

Japan gilt als Geburtsland des Driftens, dort finden auch seit Jahrzehnten Meisterschaften statt. Aber einen Staatsmeister kürt weltweit nur Österreich. „Bei uns ist das seit 2009 ein anerkannter Motorsportbewerb“, erklärt Organisator Thomas Leichtfried. Möglicherweise auch deshalb, weil die Meisterschaft einen durchaus seriösen Hintergrund hat: Sie entstand 2006 aus dem Fahrtraining des ÖAMTC. Alle sechs Rennen im Jahr finden in Trainingszentren des Automobilclubs statt, und Organisator Leichtfried ist im Hauptberuf Fahrinstruktor, bei ihm kann man unter anderem das Driften lernen.

Einen Staatsmeister kürt weltweit nur Österreich.
Einen Staatsmeister kürt weltweit nur Österreich.(c) Ákos Burg

„Peter, servas“, grüßt einer freundlich in der Boxenstraße des Wachaurings. Man kennt sich, 51 Teilnehmer hat der Bewerb an diesem Wochenende. Alles sehr bodenständige Menschen, die bestenfalls unter einem Gartenzelt an ihrem Auto arbeiten. Nur das Team aus Tschechien sticht heraus, das mit einem riesigen Wohn-Lkw gekommen ist samt Restaurantbereich, eigenem Zelt für die vier Fahrzeuge, sechs Mechanikern und Grid-Girls. Ein Hauch von Formel 1.

Manche Rennfahrer, wie Katharina Dornhofer – eine von vier driftenden Frauen an diesem Wochenende –, sind mit ihrem Straßenauto angereist, nehmen die Kennzeichen ab, fahren ihre Trainingsrunden, montieren die Kennzeichen wieder und fahren mit dem Auto wieder nach Hause. „Es geht um den Spaß“, erklärt Leichtfried. „Jeder, der will, soll mitmachen können.“

Umgebauter BMW. Wolfgang Schmid ist etwas professioneller unterwegs. Er fährt einen BMW, den er – er ist Mechaniker – speziell für das Driften umgebaut hat: In den 320er hat er einen V8-Motor gequetscht, der 286 PS liefert. Dazu Sperrdifferenzial, spezielles Fahrwerk, reduziertes Gewicht, Überrollkäfig. Nur die Reifen sind gewöhnliche Straßenreifen, die Dunlop den Teilnehmern vergünstigt zur Verfügung stellt. Auch das, um das Driften leistbarer zu machen. Die Rennreifen, die jetzt verboten sind, kosteten 330 Euro pro Stück. „Ich habe früher im Jahr für Reifen 8500 Euro bezahlt“, erzählt Schmid.

Jetzt hält ein Reifensatz leicht für ein Rennen mit sechs Runden. Auch deshalb, weil man nicht auf einem trockenen Kurs, sondern auf einer bewässerten Strecke fährt. Das sieht zwar nicht so spektakulär aus, weil es keine rauchenden Reifen gibt, wie man sie etwa von anderen Drift-Bewerben oder auch von Burn-outs beim GTI-Treffen kennt. Dafür stinkt hier nichts nach verbranntem Gummi, es beschweren sich keine Nachbarn über den Lärm – und weitaus anspruchsvoller als Trockendriften ist das Driften auf nasser Fahrbahn auch.

Der Rennkurs wird bewässert.
Der Rennkurs wird bewässert.(c) Ákos Burg

„Man muss mit viel mehr Gefühl fahren“, erklärt Schmid, wenn er seinen BMW mit 6200 Umdrehungen über den Kurs jagt. Auf einer nassen Fahrbahn – das wissen die Hobby-Winterdrifter – geht alles viel schneller: Man dreht schneller, man überdreht vor allem schneller. Und das kostet auf einem Rundkurs nicht nur Zeit, sondern auch Punkte. Am Wachauring werden von drei Juroren maximal 18 Punkte vergeben, jeder Strafpunkt bedeutet einen Zeitaufschlag von vier Sekunden. Deshalb ist es wichtig, auch quer über die Gerade zu driften – eine kleine Kunst.

Katharina Dornhofer hat gerade Zwangspause, ihr Mazda MX-5 hat überhitzt, das Ersatzauto vom Papa muss her. Die 23-Jährige hat vor drei Jahren begonnen, Autos querstehend über eine Rennstrecke zu fahren. In einem Alter, in dem heute viele Jugendliche noch nicht einmal einen Führerschein haben. Vater Jürgen hat sie früh zu Rennen mitgenommen, daher komme das Interesse. „Außerdem macht es einfach viel Spaß“, sagt Dornhofer. Wohl auch, weil Frauen selten sind in diesem Bewerb, hat sich Mazda als Sponsor für das Vater-Tochter-Gespann eingestellt.

Nächster Trainingslauf: Katharina stopft die blonden Haare in den Helm, quetscht sich in den kleinen Mazda und gibt Gas. In perfektem Drift nimmt sie die erste Kurve.
Wie fährt man eigentlich nach so einem Bewerb heim? Wie nimmt man den ersten Kreisverkehr draußen vor der Rennstrecke bei der Abzweigung auf die Autobahn nach Wien? „Ganz normal“, erklärt Katharina. „Ist ja nicht erlaubt, das Driften auf regulären Straßen.“ Wir wollen's glauben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2016)

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