Formel 1: Silberstreif, Silberpfeil

Valtteri Bottas: Der Finne ist die heißeste Aktie auf dem Fahrermarkt der Formel 1.
Valtteri Bottas: Der Finne ist die heißeste Aktie auf dem Fahrermarkt der Formel 1. Sutton / EXPA / picturedesk.com
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Valtteri Bottas darf Williams verlassen, wenn Ersatz und Ablöse stimmen. Mercedes wird seinen Neuzugang nicht vor 3. Jänner 2017 nennen.

Brackley/Wien. Wer da nicht aller als Nachfolger von Nico Rosberg beim Formel-1-Team von Mercedes gehandelt worden ist. Fahrer, die ob ihrer Vorgeschichte nicht den Funken einer Chance hatten; etwa Fernando Alonso. Oder Sternchen, die bei Red Bull für Furore sorgen, aber weder zu den Silberpfeilen wollen noch dürfen; etwa Max Verstappen. Bis auf den konzernnahen Nachwuchspiloten Pascal Wehrlein, 22, zuletzt bei Manor, und den Finnen Valtteri Bottas, 27, seit 2013 bei Williams unterwegs, waren es durchwegs Spekulationen.

Es mutet paradox an, dass eine Weltmarke wie Mercedes, seit Jahren die Nr. 1 der F1, nicht binnen Minuten einen Fahrer verpflichten kann, um die vakante Position im begehrtesten Cockpit zu besetzen. Die Wahrheit ruht in der Besonnenheit, die Sportchef Toto Wolff dieser Entscheidung voranstellt. Und, es geht in dieser Causa vorrangig nicht um Geld.

Wer stellt sich Hamilton?

Der Wiener muss seit Rosbergs Rücktritt in Wien mehrere Faktoren hochrechnen, um dem Unterfangen, trotz neuer Regeln ab dem Saisonstart am 26. März 2017 in Melbourne, in 20 Grand Prix (9. Juli, Spielberg) Branchenführer zu bleiben. Das ist das Anforderungsprofil: Wer ist schnell genug, bringt Routine für die Weiterentwicklung mit – und wer besitzt das Geschick, im Duell mit dem Alphatier Lewis Hamilton nicht zu zerbrechen?

Ist Wehrlein, 2015 noch DTM-Champion und vergangene Saison bei Manor nur noch braver Hinterherfahrer, der richtige Mann? Reicht es, dass der 22-Jährige, wie ein Team-Insider glaubhaft versichert, Hamilton als Ebenbild folgen will, ihm nacheifert; und, im Vergleich zum Finnen, das ausgeprägtere, eloquentere Ego hat? Dass Bottas schneller fahren kann, ist unbestritten. Viele halten finnische Motorsportler aber für Schlaftabletten. Nicht jeder hat den Schmäh, wie ihn Mika Häkkinen – nur in Hochphasen – vorlebte.

Kürt in der Formel 1 nicht seit Jahrzehnten bloß die Überlegenheit des Autos den Champion? Es sind aerodynamische und motorgesteuerte Zyklen, ja Epochen, die etwa Michael Schumacher (Ferrari, 2000–2004) oder Sebastian Vettel (Red Bull, 2010–2013) und seit 2014 ausschließlich Mercedes-Fahrer an die Spitze spülten. 2017 könnte sich das Blatt wenden, zu Lasten der Stuttgarter mit dem Rennstall im englischen Brackley.

Option, es ist ein Geschäft

Niki Lauda ist Aufsichtsratchef bei Mercedes, ihm sind Erscheinung, Auftreten und Gesprächigkeit der Piloten „eher wurscht“. Er verlangt Tempo, Ehrgeiz, Können, Siege. Damit erklärt sich die Dauer, das Zuwarten – vor 3. Jänner wird definitiv keine Entscheidung fallen, wurde vom Rennstall bestätigt.

Die Option Bottas soll nach Laudas Geschmack sein – zum Leidwesen Wehrleins, der offiziell noch ohne Team dasteht, aber sorgenfrei bei Sauber fahren wird dürfen. Es obliegt Wolff, bei Williams – er hielt einst Teamanteile, Bottas entsprang seiner Managementfirma –, die Konditionen auszuhandeln. Claire Williams signalisierte Bereitschaft, geschäftstüchtig sagte sie der BBC: „Valtteri kann gehen, wenn wir erfahrenen Ersatz erhalten, Mercedes uns hilft.“

Ablösen wie im Fußball gibt es also auch in der Formel 1. Der Fünfte der Konstrukteurs-WM hat sogar klare Vorstellungen: nicht zehn Millionen, wie Wolff geboten haben soll. 17 Millionen Euro, so viel kosten Mercedes-Aggregate für eine Saison. Williams-Neuzugang Lance Stroll bringt 20 Mio. Euro als Mitgift, womöglich kehrt Felipe Massa zu billigeren Bedingungen aus der eben erst verkündeten Pension zurück. Damit bliebe sehr viel Geld für die Evolution des Autos.

Claire Williams hat das Spiel von ihrem Vater, Sir Frank, gelernt. Sie weiß, dass Mercedes das nötige Kleingeld hat. Und wer weiß, womöglich erfolgt noch ein Know-how-Transfer. Laut BBC wechselt Technikchef Paddy Lowe von Mercedes zu Williams.

AUF EINEN BLICK

Das Formel-1-Team Williams ist bereit, Valtteri Bottas zu Mercedes ziehen zu lassen. Voraussetzung: gleichwertiger Ersatz (Rückkehr von Felipe Massa?) plus eine Saison billigere oder kostenlose Mercedes-Aggregate (17 Mio. Euro).

F1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone warnte bereits, dass Lewis Hamilton ohne starken Teamkollegen nicht mehr zu stoppen sei. „Niemand würde dann Karten kaufen. Das wäre sehr schlecht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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