Weil Red Bull Racing der Spitze hinterherfährt, über einen zu schwachen Motor klagt, spekuliert Max Verstappen mit seinem Abschied. Sauber sehnt sich nach einer starken Führung.
Baku/Wien. Vor dem achten Lauf der Formel-1-WM 2017 ist bei den Teams von Sauber und Red Bull Racing Feuer am Dach. Bei den Schweizern wurde unmittelbar vor Baku der Abgang von Teamchefin Monisha Kaltenborn bekannt, beim Team von Dietrich Mateschitz bangt man um Jungstar Max Verstappen, dem Abwanderungsgelüste nachgesagt werden.
Damit nahm spätestens beim Rennen in Aserbaidschan und somit zwei Wochen vor Österreich die „Silly Season“ ihren Anfang. Die aktuellsten Gerüchte: Fernando Alonso verlässt McLaren zu Saisonende ebenso wie Motorenhersteller Honda, für Alonso könnte dessen spanischer Landsmann Carlos Sainz von Toro Rosso nachrücken. Und Verstappen sehen viele schon als kommenden Ferrari-Piloten anstelle von Kimi Räikkönen.
Öl ins Feuer goss ausgerechnet Red Bulls dauerkritisierter Motorenlieferant. Es werde 2017 keine Wunderwaffe („magic bullet“) für Red Bull geben, sagte Renault-Teamchef Cyril Abiteboul. Vielmehr werde man nun verstärkt in Haltbarkeit investieren, machte der Franzose gegenüber Motorsport.com klar, dass mit zusätzlichen PS sowohl für das eigene Team, aber auch jenes von Mateschitz nicht so bald zu rechnen sein wird. Hoffnungen beim austro-englischen Team, mit Kanada oder zumindest noch vor Spielberg einen stärkeren Antrieb zu bekommen, haben sich damit in Luft aufgelöst.
Gerüchteküche
Auch Verstappen bekommt dies hautnah mit, doch der junge Niederländer will bei seinen Bestrebungen, bald Weltmeister zu werden, nicht länger auf der Stelle treten. Das tut Red Bull aber, denn in der Konstrukteurs-WM liegt der vierfache Champion (2010 bis 2013) hinter Mercedes und Ferrari auf Platz drei. Zwar ist der einst von Motorsportdirektor Helmut Marko engagierte 19-Jährige vertraglich gebunden, Mateschitz hat aber noch nie einen Piloten mit Abwanderungsgelüsten aufgehalten. Das jüngste Beispiel lieferten Sebastian Vettel und Ferrari.
Und während auch Mercedes-Star Lewis Hamilton mit einer Andeutung, er könnte sich Ende 2018 auch ein Karriereende vorstellen, aufhorchen ließ, geriet der kurzfristige Abgang Kaltenborns zur Posse. Die 46-jährige Wienerin, die seit 2012 als erste Frau ein Formel-1-Team führte, ist in Baku schon nicht mehr dabei. Während selbst der auf der Anreise befindliche österreichische Kommunikationsleiter Robert Höpoltseder den ganzen Tag ohne Information dazu war, bestätigte Sauber erst Donnerstag knapp nach Mitternacht die Entscheidung.
In Aserbaidschan übernahmen interimistisch Teammanager Beat Zehnder und Technikdirektor Jörg Zander die Leitung. Als möglicher Kaltenborn-Nachfolger wurde gerüchteweise Colin Kolles ins Spiel gebracht. Ob Sauber-Eigentümer Longbow vor dem nächstjährigen Wechsel zu Honda-Motoren – derzeit fährt Sauber mit gebrauchten Ferrari-Antrieben – tatsächlich über einen Verkauf des Teams nachdenkt, wird vielfach bezweifelt.
Mehr Rennen, mehr Cockpits
Es passt jedenfalls zum Gesamtbild, befindet sich die Formel 1 doch in einer Umbruchphase, seit das US-Unternehmen Liberty Media das Szepter übernommen hat. Im Hintergrund wird gerade ein ganzes Firmenkonglomerat aufgebaut. Unter Bernie Ecclestone ist die Königsklasse eine One-Man-Show gewesen. Kürzlich wurde der erste „Liberty“-Kalender für 2018 mit 21 Rennen veröffentlicht. Es soll künftig sogar noch mehr WM-Läufe und bis zu zwölf (derzeit zehn) Teams geben. Letzteres bekräftigte auch FIA-Chef Jean Todt. Angeblich zeigt aktuell sogar ein Bewerber aus China Interesse.
Mehr Autos bedeuteten auch mehr Cockpits. Mit DTM-Ass Lucas Auer könnte künftig auch ein Österreicher wieder in der Königsklasse am Lenkrad drehen. Dass der Tiroler, 22, Anfang August nach dem Ungarn-GP Testfahrten für Force India absolvieren soll, wurde vorerst aber nicht bestätigt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2017)