Mark Webber, Fremdkörper im Formel-1-Zirkus

Mark Webber
Mark Webber(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Xpb.cc)
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Er gilt als Langweiler und Grübler. Seine Freundin ist um dreizehn Jahre älter. Mark Webber passt nicht ins Klischee der Formel 1. Gerade deshalb wäre er ein würdiger Champion.

Wien/Abu Dhabi. „Es ist eine Schande, dass es so viele Jahre gedauert hat, bis er ein konkurrenzfähiges Auto bekam", sagt Christian Horner. Zwei Tage vor dem großen Formel-1-Finale in Abu Dhabi streut der Red Bull-Rennchef seinem WM-Aspiranten Rosen. Von Mark Webber ist die Rede. „Er ist ein sehr zielstrebiger Sportsmann", sagt der Engländer Horner, fügt allerdings hinzu, dass Webber nicht Talent, sondern vielmehr „Fleiß, Loyalität und Ehrgeiz" auszeichnen.

Nur acht Punkte trennen den 34-jährigen Australier vom WM-führenden Ferrari-Piloten Fernando Alonso. Menschlich trennen die beiden allerdings Welten. Alonso passt perfekt in das Bild, das Bernie Ecclestone vom Rennzirkus malen möchte. Ein Draufgänger, ein Frauenheld, ein Alpha-Tier. Ganz im Stile eines Jochen Rindt, James Hunt oder Ayrton Senna.

Webber wirkt hingegen wie ein Fremdkörper in der Glitzerwelt des Motorsports. Acht Jahre lang spielte er in der Formel 1 die Rolle des Unscheinbaren. Nur beim Debüt-Rennen 2002 in seiner Heimat sorgte der Sohn eines Autohändlers für Aufsehen. Mit dem abgetakelten Minardi fuhr er auf Platz fünf. Dann begab er sich mit Jaguar und Williams auf eine jahrelange Durststrecke. Auch seine ersten beiden Jahre beim österreichischen Red Bull-Team verliefen unspektakulär. Hinter Routinier David Coulthard mimte er brav die Nummer zwei.

Kein Popsternchen oder Unterwäschenmodel

Und während Lewis Hamilton mit seinem Pop-Sternchen Nicole Scherzinger auch auf den Klatschseiten auf Poleposition fuhr, Jenson Button sein Unterwäschemodell Jessica Michibata herzte, zog sich Mark Webber mit seiner um 13 Jahre älteren Lebensgefährtin Ann Neal auf den englischen Landsitz zurück. Seit 15 Jahren sind sie ein Paar. „Ohne sie wäre ich heute nicht dort, wo ich bin", sagt Webber. Ann Neal ist nicht nur die große Liebe, sondern auch Managerin und Netzwerkerin im Hintergrund. Sie ermöglichte Webber den Einstieg in die Formel, sie stellte Sponsorgelder auf, sie knüpfte die Kontakte zu jenen Leuten in der Formel 1, die man kennen muss, um zu reüssieren.

Und Mark Webber? Er feierte im Juli 2009 auf dem Nürburgring seinen ersten Sieg. Im 130. Rennen. Kein Grand-Prix-Sieger zuvor hatte so lange auf den ersten Triumph gewartet. Kaum ein anderer hat sich einen Sieg so hart erkämpft. Nicht auf der Straße. Innerhalb des Teams. Ein halbes Jahr zuvor hatte er sich bei einem Mountainbike-Unfall Schien- und Wadenbein sowie das Schulterblatt gebrochen. Trotzdem humpelte er ins Cockpit, biss sich durch, um nur ja nicht seinen Platz im Team zu verlieren. Er wusste: Red Bull war dabei, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen.

Vettel und Hamilton im Training vorne

Das erste Training am Freitag dominierte Teamkollege Sebastian Vettel. Webber wurde vierter, Alonso fünfter. Im zweiten lag Hamilton vor Vettel, Alonso und Webber. Sollten sie am Sonntag (13.40 Uhr/ORF1) in der selben Reihenfolge wie im ersten Training das Ziel passieren, wäre der 23-jährige Sebastian Vettel jüngster Formel-1-Weltmeister aller Zeiten. So sah es die Red-Bull-Regie immer vor. Vettel wird Weltmeister, Webber liefert die Punkte für den Sieg in der Konstrukteurs-WM.

Dass er im Rennstall mehr geduldet als geschätzt wird, hat Webber heuer zu spüren bekommen. Auch als er schon klarer WM-Leader war und mit 14 Punkten Vorsprung führte. In der Türkei eskalierte der Konflikt. Nach dem Crash mit Vettel wurde Webber vom Team als Sündenbock hingestellt. Dabei sahen objektive Beobachter, dass Vettel die Karambolage provoziert hatte. Und irgendwann platzt auch Webber der Kragen. Nach seinem Sieg in Silverstone ätzte er in Richtung Vettel: „Kein schlechter Job für eine Nummer zwei."

Mark Webber ist in seiner Karriere nichts geschenkt worden. Er ist oft gescheitert, wurde verhöhnt und abgeschrieben. 1998 hob Webbers Bolide im Training zum 24-Stunden-Rennen in Le Mans bei 300 Stundenkilometern ab, überschlug sich mehrmals. Webber entstieg dem Schrotthaufen ohne einer Schramme. Beim Grand Prix in Valencia wiederholte er die Szene. Auch diesen horriblen Überschlag überlebte er unverletzt.
Andere zerbrechen an so vielen Rückschlägen, er schöpft Kraft daraus. Auch das zeichnet einen echten Champion aus. Mark Webber wäre ein würdiger Weltmeister. Gerade eben weil er nicht in das mystifizierte Bild einer Formel 1 passt, wie sie Bernie Ecclestone seit Jahrzehnten allen vorgaukelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13. November 2010)

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