Damen-Abfahrt: Ein historischer Doppelsieg

RUSSIA SOCHI 2014 OLYMPIC GAMES
RUSSIA SOCHI 2014 OLYMPIC GAMES(c) APA/EPA/Fredrik Von Erichsen (Fredrik Von Erichsen)
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Tina Maze und Dominique Gisin feierten den ersten olympischen Ex-aequo-Sieg. Die vier ÖSV-Starterinnen gingen leer aus.

Rosa Khutor. Tina Maze schrie und jubelte. Dominique Gisin weinte, konnte das Erlebte kaum glauben. Doch als Anna Fenninger in der Damenabfahrt ausgeschieden war, stand die olympische Premiere fest: Erstmals gibt es zwei Goldmedaillengewinnerinnen. Sowohl die Slowenin als auch die Eidgenössin siegten in Rosa Khutor in jeweils 1:41,57 Minuten. Es ist das erste Gold einer Slowenin überhaupt, zugleich das erste einer Schweizer Skifahrerin seit 20 Jahren (Vreni Schneider, 1994, Slalom). Für die Schweiz war es ein besonderer Tag. Lara Gut (+0,10) gewann Bronze.

„Olympia war mein großer Traum, hier wollte ich dabei sein, hier wollte ich gewinnen“, gab Maze, 30, besonnen zu Protokoll. Die Slowenin wirkt oft streitbar, sie gibt offen zu, „im Weltcup keine Freundinnen zu haben“. Sie ist aber eine perfekte Skifahrerin, die auch mit geschlagenen Rädern, Popsongs, Klavierspielen und Unterwäschefotos die Blicke auf sich zieht. Vergangene Saison knackte sie Hermann Maiers Punkterekord (2180), wurde Gesamtweltcupsiegerin und gewann zweimal WM-Gold. Doch in dieser Saison wollte es partout nicht klappen. Also entließ sie vor zwei Monaten ihren Trainer und engagierte den Tessiner Mauro Pini. Just jenen Mann, der Lara Gut groß gemacht hat.

„Der perfekte Tag“

Maze tat der Schritt leid, „doch ich musste reagieren, riskieren“. Aber, auch dieser Schritt ist ein Indiz dafür, warum dieses Trio auf dem Podest steht. Neue Ideen, anderes Training, Adaptionen des Materials, Maze konnte die plötzliche Rückkehr des Erfolges trotzdem nicht erklären. „Es war ein perfekter Tag, vor allem, wenn man die Abfahrt gewinnt, ist es etwas Besonderes. Es macht sprachlos.“

Es war die vierte Medaille der Slowenen in Sotschi – für Österreichs Nachbarland mit nur zwei Millionen Einwohnern sind es bereits die erfolgreichsten Spiele. Den Sieg zu teilen, damit hat Maze übrigens Erfahrung. Es geschah in Sölden 2002, auf der Siegertreppe des Riesentorlaufs herrschte dichtes Gedränge. Maze, Andrine Flemmen (NOR) und Nicole Hosp hatten nach zwei Durchgängen die gleiche Zeit.

Gold für eine Kampfpilotin

Auch für Gisin, die sich selbst als „Kind des Schnees“ bezeichnet, ging naturgemäß ein Traum in Erfüllung. Ihre Lebensgeschichte ist von Höhen und Tiefen geprägt. Sie ist die fünfte Schweizerin, die Abfahrtsgold gewinnen konnte, musste aber auf dem Weg dorthin neun Knieoperationen über sich ergehen lassen. Die 28-Jährige, deren Geschwister Marc und Michelle ebenfalls Skifahrer sind, kennt das Gefühl, in Fangnetzen zu liegen, gut. „Der Schmerz ist hässlich“, erklärt sie und sucht daher auch abseits der Pisten nach Erfüllung. Und als Soldatin wählte sie ein außergewöhnliches Metier: Sie absolvierte die Ausbildung zur Kampfpilotin (F/A-18).

Ein Hauch von „Top Gun“, wenngleich es im Hollywood-Film mit Tom Cruise ein anderes Flugzeug (F14) ist, umgibt also Gisin. Aber es ist symptomatisch: Wer Stürze und Rückschläge verdauen will, muss versuchen, so schnell wie möglich zurückkehren. Es heilt die Psyche, schult die irritierte Motorik. Wer es nicht schafft, sollte aufhören. Dass sie erst die Qualifikation bestehen musste, gab Gisin besondere Motivation.

Medaillen holt man bei Olympia eben nicht so einfach ab. „Es war ein verrückter Tag, eine verrückte Woche.“

Nachtschicht der Kontrollore

Im dritten Olympia-Rennen gingen Österreichs Alpine erstmals leer aus. Nicole Hosp war als Neunte (+1,05) beste Österreicherin. Für zusätzliche Ernüchterung sorgte eine Ungarin: Edit Miklos war als Siebente schneller als alle vier Österreicherinnen. Sie verhehlte ihre Freude nicht, grinsend meinte sie: „Ich bin nicht glücklich. Ich wollte doch eine Medaille.“

Dass Elisabeth Görgl beim Einfahren von einer Russin gerempelt wurde, ist keine Antwort auf das schwache Abschneiden. Dass sie am Vorabend um 23 Uhr von Dopingkontrolleuren aus dem Schlaf gerissen wurde, liefert schon eher eine Erklärung. Das ÖOC beschwerte sich auch beim Internationalen Komitee. Der erste medaillenlose Auftritt der ÖSV-Damen bei einer Olympiaabfahrt seit 1998 sorgt aber für Kopfschmerzen.

Abfahrt Damen

Gold: Tina Maze (SLO) und Dominique Gisin (SUI) je 1:41,57 Minuten
Bronze:
3. Lara Gut (SUI) +0,10 Sek.

Weiters: 4. Daniela Merighetti (ITA) 0,27 5. Fabienne Suter (SUI) 0,37 6. Lotte Smiseth Sejersted (NOR) 0,44 7. Edit Miklos (HUN) 0,71 8. Julia Mancuso (USA) 0,99 9. Nicole Hosp (AUT) 1,05 10. Ilka Stuhec (SLO) 1,08. 16. Elisabeth Görgl (AUT) 1,25 24. Cornelia Hütter (AUT) 2,25. Ausgeschieden: Anna Fenninger (AUT).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2014)

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