Ligety überließ nichts dem Zufall

OLYMPISCHE WINTERSPIELE SOTSCHI 2014:  RTL/HERREN/SIEGERPRAeSENTATION/LIGETY (USA)
OLYMPISCHE WINTERSPIELE SOTSCHI 2014: RTL/HERREN/SIEGERPRAeSENTATION/LIGETY (USA)(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Der US-Amerikaner Ted Ligety kurvte als Favorit souverän zu Gold im Riesentorlauf. Aus Marcel Hirscher sprach nach Rang vier nur Frust. „Da kann ich gleich daheimbleiben.“

Krasnaja Poljana. Weltcup und Olympia, das sind eigentlich zwei ganz unterschiedliche Geschichten. Oder eben doch nicht ganz. Marcel Hirscher, der Slalomweltmeister und Führende im Riesentorlaufweltcup, ist als einer der großen Stars des alpinen Lagers nach Sotschi gereist. Gespannt war man daher auf den ersten Auftritt des Salzburgers. Aber Hirscher, eigentlich eine Bank für Podestplätze, ist eben doch keine Rennmaschine. Der 24-Jährige landete im Riesenslalom auf Rang vier, der erste Medaillentraum ist damit geplatzt. Die zweite Chance wartet nun am Samstag im Slalom.

„Ich fühle mich beschissen“, sagte Marcel Hirscher. „Was habe ich von einem vierten Platz?“ Die Enttäuschung war groß, Rang vier ist für einen Hirscher eine schwere Niederlage. Für einen, der nach dem Höchsten strebt, fast schon eine Verstoßung aus dem Olymp. Und Erinnerungen wurden in Krasnaja Poljana wach – Erinnerungen an Vancouver 2010. Schon in Kanada war Hirscher Vierter. Im Slalom übrigens Fünfter. „Da kann ich gleich daheimbleiben“, sprach nur Frust aus dem feinen Techniker, der seine Künste nicht ausspielen konnte. „Nur weil's so schön da ist, brauche ich nicht herzufahren.“

Der Salzburger ist freilich erfolgsverwöhnt, eine Medaille im Riesentorlauf war aus statistischer Sicht durchaus zu erwarten. Von den vergangenen 24 Weltcupriesentorläufen ist Marcel Hirscher lediglich bei drei Rennen nicht auf dem Podest gestanden. „Das war wirklich das blödeste Rennen, um nicht unter die Top drei zu kommen. Aber einer muss der erste Verlierer sein.“

Ein Marcel Hirscher ist nicht leicht zufriedenzustellen, er legt sich die Latte selbst so hoch, dass nur selten Selbstzufriedenheit aufkommt. Diesmal aber wirkte der 24-Jährige, der zweimal den Gesamtweltcup geholt hat, nahezu verzweifelt. „Was soll ich sagen? Rockstar Hirscher ist Vierter geworden – juhu? Wahrscheinlich wäre es sogar besser gewesen, wenn ich ausgeschieden wäre. Zum zweiten Mal Vierter zu werden, das geht gar nicht.“

Nach Ausreden wollte Hirscher nicht suchen, letztlich tat er es dann aber doch. „Es gibt nirgends im gesamten Weltcup annähernd so einen Hang wie hier.“ Was er speziell meint? So flach wie in Krasnaja Poljana. „Aber ich will nicht sudern. Man muss sagen: Ich kann auf so einem Kurs nicht mehr. Die Fahrt war nicht lupenrein. Aber so schlecht auch wieder nicht.“ Am Triumph des US-Amerikaners Ted Ligety gab es nichts zu rütteln. „Im zweiten Durchgang ist er nur mehr auf einen Kaffee hinuntergefahren.“ Aber Marcel Hirscher gibt sich noch nicht geschlagen. „Das Hirscher-Werkl hat sicher nicht aufgehört zu rennen. Es geht schon noch weiter...“

Weltcup und Olympia, da kann auch Ted Ligety einiges erzählen. Er war der ganz große Favorit auf Gold – und der Meister der Schräglage, der so fährt, als hätte er das Carven erfunden, hielt dem Druck stand. Und zwar in einer atemberaubenden Souveränität. „Darauf habe ich hingearbeitet“, sagte der 29-Jährige, der im Vorjahr Schladming zu seiner ganz großen Bühne gemacht und dreimal WM-Gold geholt hat. Auch schon zwei Jahre davor, bei der WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen, hat er sich im Riesentorlauf vergoldet.

Kooperation mit den Russen

Die Mission Gold haben die US-Amerikaner schon lange geplant. Wie „Die Presse“ bereits berichtete, hat der US-Verband eine Kooperation mit dem russischen Verband abgeschlossen. Dies ermöglichte Ted Ligety einige Trainingsläufe in Krasnaja Poljana. Diese Geländekenntnisse haben dem 29-Jährigen nun enorm geholfen. „Als ich das erste Mal hier war“, erzählt der Olympiasieger, „bin ich beim Bear's-Brow-Sprung fünfmal aus dem Kurs geflogen. Ich wusste daher, wie wichtig und entscheidend diese Stelle ist. Ich konnte an dieser Stelle das Risiko richtig dosieren.“ Marcel Hirscher hingegen hat Neuland betreten.

Viel Grund zur Freunde hatte das französische Team. Steve Missillier eroberte Silber, Alexis Pinturault holte Bronze. „Das ist unglaublich. Im Weltcup war ich noch nie auf dem Podest. Mein Geheimnis sind die guten Ski, ich habe keinen gröberen Fehler gemacht“, so Missillier. Und Pinturault ergänzte: „Mit einem Teamkollegen da oben zu stehen ist ein großer Tag für das französische Team. In Österreich ist das ja oft so, bei uns nicht.“

RIESENTORLAUF HERREN

GTed Ligety (USA) 2:45,29 (1:21,08 1:24,21)
SSteve Missillier (FRA) +00,48 (1:22,58 1:23,19)
BAlexis Pinturault (FRA) +00,64 1:22,44 1:23,49

Platzierungen: 4. Marcel Hirscher (AUT) +00,94 (1:22,47 1:23,76) 5. Ondrej Bank (CZE) +1,00 (1:22,01 1:24,28) 6. Matthias Mayer (AUT) +1,05 (1:22,41 1:23,93) 7. Benjamin Raich (AUT) +1,06 (1:22,67 1:23,68) 8. Felix Neureuther (GER) +1,30 (1:22,51 1:24,08) 9. Thomas Fanara (FRA) +1,44 (1:22,41 1:24,32) 10. Henrik Kristoffersen (NOR) +1,50 (1:22,71 1:24,08; 18. Philipp Schörghofer (AUT) +2,17.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2014)

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